Saat des Feuers
um das neue Reich zu überwachen. Die zwei bekanntesten waren die Tempelritter und die Ritter vom Malteserorden.«
»Die Rivalität zwischen diesen Orden ist legendär«, warf Cædmon ein, wobei er seiner Stimme einen möglichst neutralen Klang gab. Die Tempelritter waren Gegenstand bitterer Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem ehemaligen Mentor gewesen.
»Und es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Männer, die die Reihen der Templer und der Malteser füllten, alles andere als heilige Brüder waren«, bemerkte Sir Kenneth auf dem Fuße. »Sie waren ausgebildete Krieger, die im Namen Gottes kämpften, und das gnadenlos. Man könnte sogar so weit gehen, die beiden Orden kriegerischer Mönche mit Söldnertruppen zu vergleichen.«
In diesem Punkt gingen die Meinungen von Cædmon und Sir Kenneth weit auseinander. Doch sie wollten etwas über Galen of Godmersham erfahren, und nicht einen alten Disput neu entfachen.
»Wie die Kreuzritter bald herausfanden, war das Heilige Land reich an religiösen Artefakten, und ganze Schiffsladungen von Reliquien wurden nach Europa verfrachtet«, fuhr Sir Kenneth fort und verschränkte die Arme vor der Brust, ein Oxford-Professor in seinem Element.
»Heilige Reliquien waren der Renner im Mittelalter, nicht wahr?«
»Eher eine Obsession. Viele unternahmen Pilgerreisen, um die Knochen oder versteinerten Gliedmaßen der Heiligen zu sehen. Die getrockneten Hoden des heiligen Basilius. Das Steißbein des heiligen Crispinus. Solche Kuriositäten gab es zuhauf.«
Cædmon konnte spüren, wie Edies Schultern vor stummem Gelächter zuckten. Seine Begleiterin amüsierte sich offensichtlich köstlich über Sir Kenneths respektlose Ausdrucksweise.
»Die Christen im Mittelalter waren davon überzeugt, dass Reliquien eine göttliche Macht besaßen, die die Kranken und Sterbenden
heilen und die Lebenden vor den übelwollenden Klauen der dämonischen Welt beschützen konnte.«
»Klingt wie ein Haufen abergläubischer Quatsch«, brachte Edie ihre Anklage vor und schob sich einen weiteren Kräcker in den Mund.
Sir Kenneth beobachtete lüstern, wie der Kräcker zwischen ihren Lippen verschwand, bevor er antwortete. »Obwohl es natürlich Aberglauben gab, war die mittelalterliche Faszination für Reliquien mehr als nur kultische Hingabe. Da wir in einer Wegwerfgesellschaft leben, die keinen Gedanken an die Vergangenheit und nur wenige Gedanken an die Zukunft verschwendet, fällt es schwer, die mittelalterliche Denkweise zu verstehen.«
»Schätze, man könnte uns die Hier-und-Jetzt-Generation nennen«, bemerkte Edie, die anscheinend nicht bemerkte, welche Wirkung sie auf den Oxford-Professor ausübte.
»In der Tat. Doch die Generation, die sich auf den Weg ins Heilige Land machte, im Kettenhemd und mit dem Schwert bewaffnet, glaubte aus vollem Herzen, dass es ihr Geburtsrecht war, dieses Land auszuplündern. Für diese treuen Ritter waren biblische Artefakte eine handfeste Verbindung zu der Vergangenheit, der Gegenwart und der unvorhersehbaren Zukunft. Daher diese Obsession hinsichtlich der Schätze aus der Bibel.«
»Und der meistgesuchte Schatz war die Bundeslade«, betonte Cædmon, um das Thema unauffällig anzuschneiden. »Kein geringerer Denker als Thomas von Aquin behauptete: ›Gott selbst wurde durch die Bundeslade symbolisiert.‹ Andere Kirchenväter verglichen die Lade mit der Heiligen Jungfrau, der Mutter Gottes.«
»Ah, ja … Faederis Arca.«
Edie zupfte Cædmon am Ärmel. »Übersetzen, bitte.«
Voll insgeheimer Genugtuung, dass Edie sich an ihn gewandt hatte, antwortete er: »Das ist die weibliche lateinische Form der Bundeslade. Faederis Arca wurde verwendet, um die religiöse Überzeugung zu vermitteln, dass genauso wie die ursprüngliche
Bundeslade die Zehn Gebote beherbergt hatte, die Jungfrau Maria in ihrem Schoß den Heiland beherbergte.«
»Und wo kommt bei alledem Galen von Godmersham ins Spiel?«, fragte Edie.
»Wie so viele jüngere Söhne ohne Aussicht, den Familiensitz zu erben, beschloss Galen of Godmersham, sich sein Vermögen auf die altmodische Art zu verdienen, in diesem Fall durch das Plündern der Ungläubigen im Heiligen Land.«
»Raub und Zerstörung – der Stoff, aus dem die englische Geschichte gemacht ist«, bemerkte Cædmon sarkastisch.
Grinsend schlug Sir Kenneth mit der Handfläche auf den Tisch, sodass die halbleeren Gläser klirrten. »Ah! Das waren noch Zeiten, nicht wahr?« Dann fuhr er mit merklich gedämpfterer Stimme
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