Saat des Feuers
fort: »Sowohl die Tempelritter als auch die Malteser beteiligten sich aktiv an der Suche nach der Bundeslade. Und als Ritter des Malteserordens dürfte Galen of Godmersham sich der Jagd angeschlossen haben. Letztlich erwies sich die Suche der Ritter als das fruchtloseste Unterfangen der Geschichte, aber hier nimmt unsere Geschichte eine interessante Wendung.« Sir Kenneth beugte sich vor und sagte mit gesenkter Stimme: »Wenn das Unterfangen der Ritter auch fruchtlos war, so fiel doch dem Glückspilz Galen ein fetter, vergoldeter Apfel in den Schoß.«
Edie lehnte sich ebenfalls nach vorne. »Sie sprechen von der goldenen Truhe, richtig?«
Sir Kenneth nickte. »Im Jahre 1289, während er in der Gegend zwischen Palästina und Ägypten patrouillierte, führte Galen of Godmersham ein kleines Aufgebot von Malteserrittern durch das Tal Esdrelon. Dort, in einem Dorf namens Megiddo, fand er …«
»Eine goldene Truhe«, warf Edie ein. »Aber das ist es, was ich nicht verstehe.« Sie brach ab, mit einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht. »Wenn in beinahe siebenhundert Jahren niemand diese goldene Truhe gesehen hat, woher wollen Sie dann wissen, dass das verflixte Ding jemals existiert hat?«
»Meine Liebe, Sie sind ebenso scharfsinnig wie schön. Ich weiß es, weil die örtlichen Aufzeichnungen von Kent aus den Jahren 1292 bis 1344 es mir sagen.«
»Natürlich … die ›Feet of Fines‹«, murmelte Cædmon. Als Edie sich mit fragendem Blick zu ihm umwandte, erklärte er: »Die ›Feet of Fines‹ waren die mittelalterlichen Aufzeichnungen allen Grundbesitzes und Eigentums in England.«
»Und die ›Feet of Fines‹ besagen ausdrücklich, dass sich in Galen of Godmershams Besitz eine goldene Truhe von eineinhalb mal zwei Ellen Länge befand. Die ›Feet of Fines‹ besagen außerdem, dass die goldene Truhe in Galens eigener Kapelle auf seinem Landbesitz aufbewahrt wurde. Zusätzlich zu der goldenen Truhe besaß Galen ein Vermögen an unterschiedlichen Goldgegenständen. › Objets sacrés ‹, wie sie in den offiziellen Berichten aufgelistet sind.«
»Wenn Galen of Godmersham also die goldene Truhe entdeckte, dann wurde er praktisch über Nacht ein reicher Mann, nicht wahr?«
Der Oxford-Professor nickte. »Wie viele Kreuzritter profitierte Galen of Godmersham von seinem Aufenthalt im Heiligen Land. Obwohl er anscheinend eine großzügige Ader hatte. Im Jahre 1340 vermachte er der Kirche St. Lawrence the Martyr mehrere › vestiges d’ancien Testament ‹.«
»Reliquien des Alten Testaments«, erklärte Cædmon mit einem schnellen Seitenblick auf Edie. Dann, zu seinem ehemaligen Mentor gewandt: »An seinen Schwur des Zölibats gebunden, hatte Galen keine rechtlichen Nachkommen. Wer erbte die goldene Truhe und all die objets sacrés , als Galen starb?«
»Es ist wahr, dass Galen of Godmersham weder Söhne noch Töchter hatte, doch das lag nicht daran, dass er es nicht versucht hätte. Kaum war Galen nach England zurückgekehrt, verließ er den Malteserorden und widmete sich mit Feuereifer den weltlichen Freuden.«
»Also, wer erbte nun die goldene Truhe?«, wollte Edie wissen,
wobei sie die Rolle der staunenden Naiven bis zur Perfektion spielte.
»Das, meine Liebe, ist ein Rätsel. Ein Rätsel, das Historiker und Schatzsucher gleichermaßen verwirrt. Vergessen Sie nicht, als die Pest in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts zuschlug, waren ihre Folgen verheerend. Ein Drittel der englischen Bevölkerung wurde dahingerafft. Wie Sie sich unschwer vorstellen können, folgte darauf Chaos, und die Aufzeichnungen gerieten völlig durcheinander. Es wurde behauptet, dass Galen, der sich seinem fünfundachtzigsten Lebensjahr näherte, als die Beulenpest die englische Küste erreichte, vorsorglich seine kostbare goldene Truhe aus der Familienkapelle schaffte, um sie vor den Plünderungen, die auf die Pest folgten, in Sicherheit zu bringen. Generationen von Schatzsuchern haben sich seitdem auf Galen of Godmershams Ausbruch schöpferischer Inspiration auf dem Totenbett konzentriert, denn der gerissene alte Ritter verfasste kurz vor seinem Tod im Jahr 1348 mehrere poetische Vierzeiler.«
»Oh, jetzt kapier ich!«, rief Edie aus und fiel vor Aufregung beinahe vom Stuhl. »Die Hinweise darauf, wo sich die goldene Truhe befindet, sind in den Vierzeilern versteckt.«
»Möglicherweise«, antwortete Sir Kenneth, der sich nicht darauf festlegen lassen wollte. »Obwohl Galens Dichtung sehr kryptischer Natur ist, gibt es in den
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