Saat des Feuers
stattdessen plumpe gute Laune. Nachdem er die Getränke verteilt hatte, setzte er sich in die Nische. An drei Seiten von dunklem Holz umgeben wirkte er wie ein Sachsenkönig, der Hof hielt.
Edie hob ihr Wasserglas. »Ich nehme an, dass ich in all diese brüderliche Liebe mit eingeschlossen bin.«
»Aber selbstverständlich, meine Liebe.« Als Edie den Kopf senkte, blinzelte Sir Kenneth Cædmon anzüglich zu, und am liebsten hätte dieser ihm dafür die Nase eingeschlagen.
Auch wenn er aus den höheren Rängen der britischen Gesellschaft stammte, hatte Sir Kenneth nichts dagegen, sich mit dem einfachen Mann abzugeben. Oder der einfachen Frau, denn Sir Kenneth hatte eine besondere Schwäche für das schöne Geschlecht. Der Mann besaß einen unersättlichen sexuellen Appetit, den das Alter offensichtlich nicht gemindert hatte. Gerüchten zufolge hatte der Provost einmal angemerkt, Oxford täte recht daran, zu den Zeiten des Zölibats für Dozenten zurückzukehren, und wenn auch nur aus dem einzigen Grund, marodierende Dozenten wie Sir Kenneth unter Kontrolle zu halten.
»Also, sagen Sie mir, junger Aisquith, was verschafft mir das Vergnügen dieses höchst unerwarteten Besuches?«
»Wir würden Sie gerne etwas über einen Ritter aus dem dreizehnten Jahrhundert namens Galen of Godmersham fragen.«
»Wie eigenartig. Ich hatte gestern ein Treffen mit einem Kerl aus Harvard, einem Professor für mittelalterliche Literatur, der sich für Galen of Godmershams lyrische Bemühungen interessierte.«
In der Tat eigenartig. Cædmon fragte sich sofort, ob der »Kerl aus Harvard« für Colonel Stanford MacFarlane arbeitete. Oder war es bloßer Zufall, dass ein amerikanischer Wissenschaftler sich nach einem unbedeutenden englischen Ritter erkundigte? Da Sir Kenneth Campbell-Brown die führende Koryphäe auf dem Gebiet der englischen Kreuzritter war, konnte es reiner Zufall sein. Obwohl Cædmon da seine Zweifel hatte.
»Was meinen Sie mit Lyrik?«, warf Edie ein. »Sprechen wir von demselben Ritter?«
Da es stets typisch für Sir Kenneths Art zu unterrichten gewesen war, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, tat er genau das. »Wie vertraut sind Sie mit Galen of Godmersham?«
Edie nahm sich mehrere Kräcker aus dem Körbchen. »Ich kenne nur seinen Namen. Oh, und die Tatsache, dass er auf seinem Kreuzzug durch das Heilige Land eine goldene Truhe entdeckte.«
»Ah … die sagenumwobene goldene Truhe.« Sir Kenneths Augen
wurden schmal, und er richtete den Blick auf Cædmon. »Ich hätte wissen müssen, dass es um diesen Unsinn geht.«
»Ich nehme an, der amerikanische Professor hat ein ähnliches Interesse an Galens Schatz gezeigt«, konterte Cædmon, ohne auf die Stichelei einzugehen.
»Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, er hat Galens goldene Truhe nie erwähnt. Das Spezialgebiet dieses Kerls war englische Lyrik des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts. Hat unzählige altertümliche Verse rezitiert. Ich wäre beinahe eingenickt.«
»Auszeit«, rief Edie und formte dabei mit den Händen ein »T«. »Ich bin völlig verwirrt. Wir sprechen von einer goldenen Truhe, und Sie sprechen von Lyrik. Kommt es nur mir so vor, oder reden wir aneinander vorbei?«
Die Frage glättete die gesträubten Federn des alten Gockels wieder, und er lächelte. »Weil Sie ein so bezauberndes Mädchen sind, mit Ihren rabenschwarzen Elfenlocken und der zarten Haut, will ich Ihnen alles erzählen, was ich über Galen of Godmersham weiß. Woraufhin Sie mir erzählen werden, warum Sie hinter toten Rittern herjagen.«
»Okay, das ist nur fair«, antwortete Edie und erwiderte das Lächeln.
Da er nicht wollte, dass Sir Kenneth die ganze Geschichte erfuhr, beschloss Cædmon einzuschreiten, sobald der Zeitpunkt gekommen war, ihm die Gründe für ihr Interesse zu verraten. Wenn dieses Wissen in die falschen Hände geriet, konnte es einen umbringen.
»Wie Ihr Bauernlümmel hier Ihnen vielleicht erzählt hat, oder auch nicht, befand sich während des Mittelalters der gesamte Mittlere Osten einschließlich des Heiligen Landes unter muslimischer Herrschaft. In Anbetracht der Tatsache, dass es das Land der biblischen Patriarchen und der Geburtsstätte Christi war, glaubten die christlichen Europäer, dass das Heilige Land unter ihrer Herrschaft stehen sollte. Das jahrhundertelange Blutbad, das darauf folgte, wurde als Kreuzzüge bekannt.«
»Kaum war Jerusalem von den Armeen der Kreuzritter erobert, baute die Kirche religiöse Milizen auf,
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