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Sabihas Lied

Sabihas Lied

Titel: Sabihas Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Miller
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sie ungläubig an. »Du bist schwanger ? Du bekommst ein Baby? Gott! Brunos Baby.« Er drehte sich um die eigene Achse, kramte in seiner Manteltasche nach einer zerdrückten Zigarettenschachtel und betrachtete sie stirnrunzelnd. Das Licht, das hinter ihm am Himmel aufzog, warf plötzlich einen Lichtkranz auf sein schütter werdendes Haar. Er nahm eine Zigarette aus der Schachtel, ohne sie anzuzünden. Stattdessen knöpfte er fahrig seinen Mantel auf und warf ihn auf den Boden.
    Â»Ich halte es nicht aus, wenn du mich hasst«, sagte sie hilflos.
    Â»Ich hasse dich doch nicht. Und ich werde jetzt ganz bestimmt nicht damit anfangen.« Er suchte in den Hosentaschen nach Streichhölzern, fand keine und gab es auf. »Ich versuche nur, mir darauf einen Reim zu machen. Hast du Bruno geliebt? Hat er dich geliebt? Seit wann bist du schwanger? Glaubst du, dass er deswegen besoffen hier aufgekreuzt ist?« Ratlos, verzweifelt warf er die Arme hoch. »Du und Bruno! Ich kann es einfach nicht glauben. Wo denn? Wann? Ihr wart doch immer so förmlich zueinander. Er war dir gegenüber immer so höflich und respektvoll.« John runzelte die Stirn. »Das war es also! Brunos Stimmungstief, deine unberechenbaren Launen, dieses ganze Theater … Aber was hat das mit Nejib und seinem Bruder zu tun? Was spielen sie dabei für eine Rolle?« Er brach ab und sah sie betroffen an. »Wenn du dich auch mit Nejib heimlich getroffen hast, werde ich dich doch hassen. Sag mir, dass du es nicht getan hast. Hast du dich mit ihm getroffen?«
    Â»Natürlich nicht«, antwortete sie.
    Â»Was heißt hier natürlich ? Für mich ist das alles andere als natürlich, wenn man bedenkt, was passiert ist. Wo stehen wir eigentlich? Du und ich? Was ist mit uns? Bruno, der hier regelmäßig ein und aus geht und auf einmal wegbleibt und dann plötzlich wieder hereinplatzt. Dieser ganze Unsinn. Und dein unerklärliches Benehmen.« Er sah sie vorwurfsvoll an. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Du! Du hast es tatsächlich getan?« John ging zum Frisiertisch, um ein Streichholzbriefchen von der Glasplatte zu nehmen, und zündete endlich seine Zigarette an. Nach einem tiefen Zug blies er den Rauch in die Luft.
    Â»Du hast mir vertraut«, sagte sie leise.
    Â»Ich vertraue dir immer noch.« Er lachte. »Du teilst mir mit, dass du eine Affäre hattest, und ich teile dir mit, dass ich dir vertraue.«
    Â»Es war keine Affäre.« Sabiha krümmte sich unter ihrer Decke, als hätte sie Schmerzen oder wäre soeben mit einem Stock geschlagen worden. Im fahlen Licht wirkte ihr Gesicht aschgrau, als sie zu ihm aufsah, und ihre dicken schwarzen Haare waren völlig zerzaust. »Ich wollte doch bloß mein Kind!«
    John war im Grunde recht ruhig. Seltsam ruhig. Aber nicht nach außen hin. Er glaubte, Gefühle in Aufruhr demonstrieren zu müssen. Dabei war er zu seinem eigenen Befremden nicht einmal richtig überrascht. Das war das Merkwürdigste an der ganzen Sache. Als hätte er es schon die ganze Zeit gewusst. Eigentlich hätte er toben und rasen und wild um sich schlagen müssen. In Notfällen bewahrte er jedoch die Ruhe, das war schon immer so gewesen. Auch vor dem Mord war er ruhig geblieben. Obwohl er damit gerechnet hatte, dass Bruno und Nejibs Bruder sich in die Haare geraten würden, war er vollkommen gelassen geblieben. Er glaubte, alles unter Kontrolle zu haben. Herr der Lage zu sein. Aber er war nur Herr seiner selbst gewesen. Und das hatte nichts bewirkt. Seine Ruhe zeigte keine Wirkung.
    Sabiha saß da wie ein Häuflein Elend, auf Gedeih und Verderb seiner Gnade ausgeliefert, als rechnete sie damit, dass er sie und das Baby auf die Straße jagen würde.
    Mit sanfter Stimme sagte er: »Du meinst das Kind, von dem du seit je träumst, nicht wahr? Ich weiß davon. Seit dem ersten Tag. Als wir in Chartres am Flussufer lagen. Damals hast du mir von deinem Kind erzählt. Das wäre gar nicht nötig gewesen. Ich habe es gespürt. Ich wusste es schon damals. Ich habe die Wärme gespürt, die du diesem Kind entgegenbringst. Noch heute erinnere ich mich daran. Eine ganz besondere Wärme, die ich bis dahin bei keiner anderen Frau erlebt hatte. Ich weiß noch, wie du dich mit deinem warmen Körper an mich geschmiegt hast. Damals habe ich dich nicht nur als meine Geliebte vor Augen gehabt, sondern auch als Mutter.«

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