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Sabihas Lied

Sabihas Lied

Titel: Sabihas Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Miller
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zwei Beinen hinter sich zu stellen und sich darauf niederzulassen, ohne dabei hinzufallen. Jemand lachte. Bruno saß vollkommen reglos da, das Gewicht gefährlich an den Stuhlrand vorgelagert, das Kinn auf der Brust, als hätte ihn die Anstrengung restlos erschöpft. Dann kippte er langsam nach hinten, so dass auch die beiden anderen Stuhlbeine auf dem Boden zu stehen kamen, und schaute Sabiha an.
    Sie hatte inzwischen die Tür geschlossen und war mit dem Rücken dazu stehengeblieben.
    Bruno spreizte seine großen Hände auf dem Tisch, als wollte er gleich aufstehen und auf sie zugehen, oder als wollte er ein Urteil verkünden.
    In der Stille hörte man nur das leichte Aufsetzen des bauchigen Ouds, als Nejib sein geliebtes Instrument überaus vorsichtig auf dem Dielenboden abstellte. Ein paar Männer drehten sich nach ihm um und blickten dann schnell wieder zu Bruno. Der Italiener hatte sich ruckartig umgewandt, als er Nejibs Bewegung wahrnahm, und starrte ihn an.
    John sah, wie Nejibs Gefährte seinen Stuhl ein wenig nach links verrückte, so dass seine Knie nicht gegen den Tisch stoßen würden, sollte er unvermittelt aufstehen. Nun saß der Mann Bruno direkt gegenüber. John nahm sich vor, ihn im Auge zu behalten und auf alles gefasst zu sein. Erstaunt stellte er fest, dass er keineswegs nervös war, sondern einen kühlen Kopf bewahrte. Sein Vorsatz war schlicht und klar: Er wollte Bruno beschützen. Er würde auf ihn aufpassen. Betrunkene machten ihm keine Angst.
    Bruno zeigte mit der rechten Hand auf Nejib. »Jetzt singst du also für diesen schwarzen stronzo !«, rief er voller Verachtung. Er drehte sich um und blickte Sabiha an. »Für dieses schwarze Stück Scheiße!«
    Â»Tu das nicht, Bruno! Ich bitte dich, tu das nicht«, beschwor ihn Sabiha sanft.
    John sah sie an. Sie hatte die Hände unterm Kinn verschränkt, als würde sie beten. Er gab Sabiha mit Gesten zu verstehen, dass sie sich heraushalten sollte, aber sie sah es nicht oder wollte es nicht sehen.
    Bruno starrte wieder Nejib an. »Steh auf!«, brüllte er. »Steh auf, du schwarzes Schwein!«
    John konnte an Nejibs Augen ablesen, dass er keine Angst hatte.
    Nejibs Gefährte stand als Erster auf und stellte sich neben den Tisch. Nach anfänglichem Sträuben stand auch Nejib auf, jedoch ohne sich von der Stelle zu rühren.
    Bruno rückte von seinem Tisch ab und sprang so heftig auf, dass sein Stuhl krachend zu Boden fiel. Torkelnd trat er in die Lücke zwischen seinem und Nejibs Tisch. Nun standen sich der Italiener und Nejibs Gefährte mit nur knapp zwei Metern Abstand gegenüber. Im Vergleich zu Brunos mächtiger Boxerstatur wirkte der andere schmächtig. Wie sollte der kleinere Mann es mit diesem Kraftprotz aufnehmen? Das konnte kein fairer Wettkampf werden.
    Der Regen prasselte immer lauter gegen die Glasscheiben, eine Windbö rüttelte an der Eingangstür, als Nejibs Gefährte auf Bruno zuging. Dabei wirkte er ganz entspannt, er schien dieser Begegnung keine größere Bedeutung beizumessen. Alle Anwesenden schwiegen und staunten über die Kühnheit des schmächtigen Mannes. Sie konnten den Blick nicht von ihm abwenden. Als er schließlich vor Bruno stehenblieb, legte er ihm den linken Arm um die Schulter und streckte ihm den Kopf entgegen, als wollte er den Italiener umarmen und ihn auf die Wange küssen.
    Eigentlich hatte John vorgehabt, dazwischenzutreten, aber nun war er ungeheuer erleichtert und froh, dass er sich nicht eingemischt hatte. Er hielt das, was sich gerade vor seinen Augen abspielte, für eine großzügige Versöhnungsgeste von Nejibs Gefährten.
    Dessen argloses, freundliches Auftreten verblüffte Bruno derart, dass er sich nicht wehrte.
    Im nächsten Moment zuckte Bruno zusammen und gab ein seltsames Röcheln von sich.
    Nejibs Gefährte zog den Arm zurück und ging zur Tür. Dann verließ er das Café und schloss die Tür hinter sich.
    Bruno wich das Blut aus dem Gesicht. Er sank auf die Knie. Man hätte fast meinen können, dass er beten wollte, doch dann fiel er kopfüber hin und blieb am Boden liegen.
    Sabiha rührte sich als Erste. »Bruno!« Mit diesem Schrei rannte sie zu ihm, kniete sich hin und versuchte, ihn umzudrehen. »Bruno!«, wiederholte sie, diesmal flehentlich.
    Erst dann wurde John bewusst, dass die Gäste geflohen waren. Der letzte hatte die

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