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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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Karrierepolitikerin schaltete schnell und nutzte die erstbeste Gelegenheit, aus der Sache auszusteigen. Sie verließ sich auf ein Gremium, von dem man sonst bundesweit eher wenig erfährt, die Kreisschiedskommission. Das war die unterste Ebene. Wenn einer für die gerechte Sache kämpft, sieht das anders aus. Dem Parteichef und seiner Generalin war die Causa Sarrazin nur noch lästig. Sie wollten das Thema aus dem Weg schaffen. Das war ein Fehler. Sie hätten die Würde und das Wesen der Partei schützen müssen.
    Wäre Sarrazin irgendein Parteimitglied, der Aufwand eines Ausschlussverfahrens hätte sich nicht gelohnt. Aber das Wort eines ehemaligen Senators und Bundesbankers hatte besonderes Gewicht, und Sarrazin war damit leichtfertig umgegangen. Es wäre gleichgültig gewesen, was Sarrazin als Privatperson denkt. Daheim hätte der Politiker, den seine Tiraden das Amt bei der Bundesbank gekostet haben, mit seiner Ehefrau, deren autoritärer Unterrichtsstil sie um ihr Amt als Lehrerin brachte, über die Türken schwadronieren können, so viel er mochte. Aber als er seine ausländerfeindlichen Reden öffentlich führte, waren die Belange der Partei berührt.
    Sarrazins Rassismusvariante ist in Deutschland begeistert aufgenommen worden. Ein Warnsignal, dass bei uns droht, was bei den Nachbarn bereits eingetreten ist. Umso wichtiger wäre eine entschlossene Reaktion der SPD gewesen. Und umso schlimmer, dass sie davor zurückgeschreckt ist. Der Satz aus dem Grundgesetz, dass die Parteien an der politischen Willensbildung mitwirken, ist keine Floskel. Parteien haben einen Erziehungsauftrag, einen Bildungsauftrag. Wenn die SPD auf dumpfes Ressentiment in den eigenen Reihen stößt, muss sie dagegen vorgehen und nicht davor in die Knie gehen.
    Der Fall Sarrazin war kennzeichnend nicht nur für einen neuen zynischen, bürgerlichen Diskurs – sondern auch für das Wesen der SPD. Die Sozialdemokraten sitzen beständig einem Missverständnis auf. Wir werden dazu noch kommen: Die Partei will sozialdemokratisch sein und gleichzeitig in der Mitte stehen und ins Lager der CDU ausgreifen, alles aber bitte so, dass es niemandem weh tut. Die Genossen glauben, das sei das Wesen einer Volkspartei. Aber das ist ein Irrtum. Denn auch eine Volkspartei ist eine Partei. Die SPD müsste nicht dulden, wenn einer aus ihren Reihen die früheren deutschen Ostgebiete zurückerobern wollte. Und sie musste nicht dulden, dass einer aus ihren Reihen mit rassistischen Argumenten gegen Muslime hetzte.
    Wofür gibt es Parteien? Was ist ihr Zweck? Warum gibt es mehrere – und nicht nur eine einzige? Weil sich in einer Partei nur ein Teil findet und nicht das Ganze. Weil hier Leute zusammenkommen, die in wichtigen Fragen dieselbe Meinung haben und nicht die Meinung der anderen. Weil nicht alle Ansichten nebeneinander Platz finden können, sondern manche Ansichten gegeneinanderstehen. Jeder soll sagen, was er will. Aber nicht überall. Thilo Sarrazin aus der SPD auszuschließen wäre kein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit gewesen, sondern ein Bekenntnis zu den eigenen Grundsätzen.
    Hätte Sarrazin das besessen, was man früher einen Funken Anstand nannte, hätte er der SPD von sich aus den Rücken gekehrt. Wolfgang Clement hat das seinerzeit so getan und nachher gesagt: »Ich bleibe Sozialdemokrat ohne Parteibuch.« Bei Sarrazin war es umgekehrt.
    Seit im Frühjahr 2013 die sogenannte »Alternative für Deutschland« gegründet wurde, gibt es auch in Deutschland eine Partei, die dem Rechtspopulismus eine politische Heimat geben könnte. Man mache sich nichts vor: Eine entsprechende Gesinnung ist in der Bevölkerung längst vorhanden. Es gibt Umfragen, die das belegen. Am anfälligsten zeigen sich die Wähler von Union und FDP – und die der Linkspartei. Besonders erschreckend, aber nicht überraschend: Ein Vierteljahrhundert nach der Wende stehen Ostdeutsche rechtspopulistischem Gedankengut offenbar deutlich näher als Westdeutsche.
    Bei einer Umfrage des Forsa-Instituts stellte sich heraus: 70 Prozent der Befragten finden, Deutschland gibt zu viel Geld nach Europa. Knapp die Hälfte verlangt, dass die Zuwanderung nach Deutschland drastisch reduziert werden muss. 38 Prozent sind der Meinung, der Islam passe nicht zu unserem Lebensstil und sei eine Bedrohung unserer Werte. Und 30 Prozent fordern ein »unabhängiges Deutschland ohne den Euro, in das keine Europäische Union hineinregiert«. Es gibt allerdings erhebliche Unterschiede je nach

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