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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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tiefsten Grunde; ich will der Welt kundig machen, was es ist, was Reiche verdirbt, Völker zu Schanden macht, und Teutschland an den Rand des Unterganges gebracht.« Das liest sich auch nach annähernd 200 Jahren nicht so schlecht. Eine Menge deutscher Politjournalisten sollten sich das hinter den Schreibtisch hängen.
    Talese hat ein eindringliches Bild dafür gefunden, was Journalisten sein sollen, wie sie arbeiten sollen: »Wir Journalisten sollten eine Religion der Ungläubigkeit predigen! Ein Heiliger Orden  der Ungläubigen, das sollten wir sein. Wir sollten unseren Dienst in Klöstern der Wahrheit tun, über die Schriften gebeugt. Und diese Klöster sollten weit, weit weg sein von den Palästen.«
    Es sollte einen also stutzig machen, wenn die Bundeskanzlerin so teilnahmsvoll über den Journalismus redet. Sie gab den jungen Kollegen wohlmeinende Ratschläge mit auf den Weg: »Wenn man langfristig groß herauskommen will, ist, würde ich sagen, eine doppelte Quellenbefragung immer wichtig.« Und bewies überhaupt viel Einfühlungsvermögen für das Wirken der Presse: »Ihre Tätigkeit ist natürlich auch eine sehr spannende Tätigkeit«, sagte sie, »mein Plan für den Tag ist meistens schon fertig. Sie hingegen können gespannt darauf warten, was an dem Tag passiert und was Eingang in Ihre Arbeit findet.«
    Was Angela Merkel da gesagt hatte, war nur scheinbar von ergreifender sprachlicher Schlichtheit. Es passte zu der Erkenntnis, dass sehr viele Journalisten sich heute mitnichten als kritische Beobachter der Politik verstehen, sondern als Partner. Journalisten sind keine Fremden mehr. Sie sind Teil der Herrschaftselite. Die Kanzlerin wusste schon, warum sie zu den Journalisten reden konnte, als handele es sich um Mitarbeiter einer Abteilung im Kanzleramt. Und wenn das so weitergeht, dann braucht man gar keine Journalisten mehr. Dann tun Pressesprecher es auch. Das scheint der Zug der Zeit ohnehin zu sein: Es soll mittlerweile mehr Pressesprecher in Deutschland geben als Journalisten.
    Und was für das Verhältnis der Journalisten zur Politik gilt, das gilt für ihr Verhältnis zur Wirtschaft erst recht.
    Es gab immer mal wieder Augenblicke, da enthüllte sich dieses Thema unerwartet in seinem ganzen Umfang, so wie sich ein Berg enthüllt, wenn der Himmel aufklart, weil ein Wind die Wolken vertreibt. Da zeigte sich, auf wessen Seite die Medien standen. Dass es so etwas wie Seiten noch gibt und dass die Medien, ob sie wollen oder nicht, eine Position beziehen, davon sollte man ausgehen. Die Beobachtung, dass es verschiedene Interessen gibt, gilt auch für jenes Zeitalter, dem manche gerne vorschnell die Überschrift »Ende der Ideologien« geben. Die Menschen sind ja nicht über Nacht alle Brüder geworden. Ein solcher Moment der Klarheit war der gescheiterte Streik der IG Metall in den neuen Bundesländern im Sommer des Jahres 2003, auf den wir später noch zu sprechen kommen werden. Denn er bezeichnete in mancher Hinsicht das Ende der herkömmlichen Gewerkschaftsbewegung, und sehr viele Medien reagierten darauf geradezu mit Erleichterung. Ein anderer erhellender Moment der Wahrheit über das Verhältnis vieler Medien zur Welt von Macht und Wirtschaft kam fünf Jahre später in der Finanzkrise.
    Am 8. Oktober 2008 fand ein ungewöhnliches Treffen im Kanzleramt statt. Die Bundeskanzlerin hatte die Chefredakteure der wichtigen Medien eingeladen. In dieser Zeit brach die große Finanzkrise aus. Man findet keinen ausführlichen Bericht über dieses Treffen, der veröffentlicht worden wäre, und überhaupt nur wenige Erwähnungen in den Archiven, nur hin und wieder einen Nebensatz, eine knappe Bemerkung. An einer Stelle liest man in dürren Worten, worum es an diesem Abend im Kanzleramt ging: Merkel bat die Journalisten, zurückhaltend über die Krise zu berichten und keine Panik zu schüren.
    Sie haben sich daran gehalten, die Chefredakteure. Noch im Februar 2009, vier Monate später, wunderte sich die »taz« über die Medien: »Sie halten die Bürger bei Laune, auf dass diese stillhalten. Wie viel Geld bereits in die Banken gepumpt wurde, wie viele Milliarden Bürgschaftszusagen vergeben wurden (und wie viele Hartz-IV-Monats›löhne‹ das sind), das steht auch nicht in der Zeitung. Die Süddeutsche (vom 15. Januar) beispielsweise versteckt die Mitteilung, dass die Hypo Real Estate zum vierten Mal in vier Monaten Milliarden Bargeld und Bürgschaften braucht, unter der Überschrift ›Wenn Steinbrück an die

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