SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)
erstrebenswerte Motor gesellschaftlicher Entwicklung sein sollte.«
Aber was tat die SPD? Als es darum ging, die Bundestagswahl 2013 vorzubereiten, sagte Sigmar Gabriel: »Es geht nicht um einen Wahlkampf gegen Kanzlerin Merkel.« Nur zur Erinnerung: Als er das sagte, war der Mann Parteichef der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der erste Gedanke war: Ist ein Arzt im Raum? Der zweite Gedanke: Wer rettet die deutsche Sozialdemokratie vor ihren Funktionären?
Es war rätselhaft, wie ein Kurs, der im Jahr 2009 ins Abseits geführt hat, im Jahr 2013 ans Ziel führen sollte. Ist das der Freudsche Wiederholungszwang?
Steinmeier hatte, wie gesagt, schon einmal versucht, die Kanzlerin in ihrem eigenen Spiel zu schlagen. Aber Merkel ist die kühle Meisterin der Macht. Sie regiert, als habe sie fernöstliche Weisheit mit Stäbchen gegessen: Sie will nichts, weil im Wollen der Verzicht liegt. Sie hat keine Visionen, weil Visionen den Blick verengen. Sie bekämpft niemanden, weil der Kampf neue Feinde schafft. Wie wollte Steinmeier gegen die unkenntliche Kanzlerin mit noch mehr Unkenntlichkeit auftrumpfen? Hätten die Wähler würfeln sollen, wo sie ihr Kreuz machen?
»Es geht nicht darum, gegen andere zu kämpfen, sondern für ein besseres Deutschland«, sagte Gabriel. Das klang ganz lieb. War aber leider ganz blöd. Denn erst mal müssen die anderen beiseitegeschafft werden, bevor der Weg für das bessere Deutschland frei ist. Das ist Politik. Es ist sehr ehrenhaft, wenn eine Partei die Wahl mit Inhalten gewinnen will. Nichts gegen Inhalte. Man braucht schon Inhalte. Vor allem aber ist Politik heute ein personalisiertes Spiel. Und da bot die Kanzlerin inzwischen Angriffsfläche genug.
Als allerdings die SPD dann ihre Kandidatenfrage geklärt hatte, da dachte man, es wird für die Partei tatsächlich besser sein, sich mehr auf Inhalte zu verlegen als auf die Personen.
Es gibt Kandidaten, die verlieren die Wahl. Das ist nicht schlimm. Und dann gibt es Kandidaten, die verlieren schon die Kandidatur. Das ist peinlich. In diese Kategorie drohte Peer Steinbrück gleich nach seiner Nominierung zu geraten. So wie der Mann durch das Dickicht seiner Nebeneinkünfte stolperte, bewies Steinbrück vor allem, dass er zwei linke Beine hat. Besser wäre für einen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten eine glückliche Hand für linke Politik.
Steinbrücks Nebeneinkünfte gerieten zu einer unerwarteten und für den Kandidaten sehr gefährlichen Affäre. Die Generalsekretäre Patrick Döring (FDP) und Alexander Dobrindt (CSU), die bis dahin nicht als große Strategen von sich reden gemacht hatten, konnten sich nicht genug freuen über die schlau erklugte Gescheitheit, mit der sie den SPD-Kandidaten zu Fall brachten, bevor das Rennen überhaupt begonnen hatte. Seit die beiden Anfang Oktober 2012 dem Kandidaten dessen Nebeneinkünfte vorwarfen, versucht die SPD den Stein, den man ihr da auf die Füße geworfen hat, loszuwerden. Aber er rollt immer wieder zurück. Die Genossen zeigten mit dem Finger auf die Ankläger und riefen: »Selber! Selber!« Aber voller Erstaunen mussten die Sozialdemokraten feststellen, dass die Leute von ihnen immer noch etwas anderes erwarteten als von Union und Liberalen.
Nach dem Ende der Großen Koalition, in der er Finanzminister gewesen war, hatte sich Steinbrück nicht auf seinen Stuhl im Deutschen Bundestag zurückziehen und einfach nur die Arbeit eines Abgeordneten tun wollen. Er mochte aber auf den Stuhl auch nicht verzichten. Steinbrück wollte alles gleichzeitig. Also wurde er Doppelverdiener und betätigte sich neben seinem Abgeordnetenmandat als Vortragsredner. Darin war er sehr erfolgreich. So erfolgreich, dass er bald seine Tätigkeit als Abgeordneter vernachlässigte. Das wäre zwar nicht besonders anständig gewesen, aber ohne Konsequenzen geblieben, weil kaum jemand davon Notiz genommen hätte – wenn Steinbrück nicht plötzlich aus der Dreifaltigkeit der Troika herausgehoben und zum Kanzlerkandidaten erklärt worden wäre. Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob Steinbrück nicht zumindest mit einer Chance von eins zu drei damit rechnen musste, diesen Posten übertragen zu bekommen, und wie er sich das mit seinen vielfältigen Nebenverdiensten eigentlich gedacht hatte. Und man wird sich diese Frage auch stellen.
Die Netzseite Abgeordnetenwatch rechnete aus, wie viel Steinbrück neben seinem Mandat gearbeitet hatte: Während er vier Reden im Parlament gehalten hatte, waren es
Weitere Kostenlose Bücher