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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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Deutschland eine populistische Partei Erfolg haben würde. Die Nachbarn kannten das Phänomen schon lange: Von Marine Le Pen, die den Rassismus des Front National subtiler verkauft als ihr Vater und darum nur umso erfolgreicher ist, über den Holländer Geert Wilders, der im Internet eine »Meldestelle für Störungen durch Osteuropäer« eingerichtet hat, bis zu den homophoben Rechtskatholiken in Polen und den Antieuropäern in Dänemark und Finnland.
    In Deutschland hat Sarrazin zwar eine Millionenleserschaft gefunden. Aber politisch fand die Islamophobie keinen wirksamen Niederschlag. Was den Populismus angeht, beschritt Deutschland einen Sonderweg: Die Piraten habe eine neue Partei der politischen Emanzipation geschaffen, nicht eine der Furcht. Angst musste das nur den etablierten Parteien machen.
    Die Piraten entlarvten die Simulationen des Politikbetriebes. Sie weigerten sich, bestehende Spielregeln zu akzeptieren. Das war ein wohltuender Populismus, den sich die neue Partei da leistete. Wie in einem Reflex fragten die auf herkömmliche Politberichterstattung trainierten Journalisten sofort die Piraten-Standpunkte ab, vom Pflegegeld über die Frauenquote bis zum Nahostkonflikt. Aber der neue Parteichef Bernd Schlömer fragte zurück: »Muss jede Partei zu allen politischen Themenfeldern dezidierte Positionen vertreten? De facto haben selbst Volksparteien kein Vollprogramm.« Es war von Anfang an ein Missverständnis, von den Piraten sofort Antworten auf alle möglichen inhaltlichen Fragen zu verlangen. Diese Partei will ja mehr als Reformen. Sie will eine Reformation des politischen Prozesses.
    Das Risiko der vernachlässigten Demokratie besteht darin, dass ihr auf Dauer die Demokraten ausgehen. Es kommen dann andere und nutzen ihre Chance. Die Piraten machten Hoffnung, dass die Kräfte der Enttäuschung in Deutschland nicht ins Ressentiment fließen. Die Piraten sind naiv, idealistisch, romantisch. Umso besser. Sie sind eine deutsche Antwort auf die Politikverdrossenheit, die ein Risiko der modernen Gesellschaft ist. Diese Verdrossenheit findet ihre Ursache in einer moralischen Entkräftung des Systems. Die Institutionen funktionieren. Aber die Werte, für die die Institutionen stehen sollen, verlieren ihre Bedeutung. Die Wirklichkeit spaltet sich. In der DDR war dieser Prozess seinerzeit bis zum Grad der öffentlich verordneten Schizophrenie fortgeschritten. Und nur der Zusammenbruch konnte die Kluft zwischen Wort und Wahrheit schließen. So weit ist die neue Bundesrepublik noch nicht. Aber sie ist in den vergangenen Jahren ein gutes Stück in diese Richtung vorangekommen.
    Ein Beleg dafür ist der Vorhalt, der den Piraten gemacht wurde: Es heißt, sie zementierten Merkels Macht und ebneten einer Großen Koalition den Weg. Warum? Weil es in einem 6-Parteien-Parlament für eine Ablösung der Kanzlerin keine Mehrheit gebe. Das ist Politzynismus. Wähler, die wählen wollen, dürfen nicht ignoriert werden. Wer mit solchen Argumenten gegen die Piraten vorgeht, folgt dem Kalkül genau jener wählerverachtenden Politarithmetik, gegen die früher die Grünen kämpften und gegen die sich jetzt die Piratenpartei wendet. Die sogenannten etablierten Parteien haben vergessen, dass Demokratie mehr ist als Machttechnik.
    Ganz ohne Machttechnik allerdings geht es nicht. Das merkten die Piraten dann auch ziemlich schnell. Es gab ein paar personelle Peinlichkeiten wie jene um den Piraten-Geschäftsführer Johannes Ponader: Der verstrickte sich in einen bizarren Streit mit der Bundesagentur für Arbeit über die Frage, ob er als ehrenamtlicher Geschäftsführer seiner Partei erlaubterweise Stütze vom Staat kassieren durfte. Die Tatsache, dass ein Vorstandsmitglied der Agentur an diesem Streit öffentlich teilnahm, war ungewöhnlich, die Tatsache, dass die Springer-Presse sich daran freute, war erwartbar. Aus Sicht der Piratenpartei war das dennoch nicht besonders glücklich. Und es wurde durch die schräge Spendenaktion nicht wirklich besser, die dann auch noch zugunsten Ponaders durchgeführt wurde. Ernster, weil von grundsätzlicherer Bedeutung, war der Konflikt um den Einfluss der politischen Führung der Partei.
    Piratenchef Bernd Schlömer, von Beruf Personalreferent bei der Bundeswehr, der also ein bisschen Erfahrung mit großen Organisationen hat, gab Anfang 2013 bekannt, dass er mit den Prinzipien der Partei zwar brechen wolle – sie aber immerhin erweitern werde: »Ich werde ab nächster Woche unabhängiger von

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