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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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fällt mit dem Verzicht auf Gewaltaktionen.
    A: Lassen Sie uns mal das Modell des Gesellschaftsvertrags ansehen: Da gibt der Einzelne sein Gewaltrecht an den Staat ab im Tausch gegen Sicherheit. Hat er nie das Recht, es sich zurückzuholen?
    K: Niemand von uns hat jemals individuell so einen Vertrag abgeschlossen. Deshalb ist auch die Vorstellung irrig, ihn einseitig kündigen zu können. Es ist deshalb auch nicht möglich, aus diesem Modell im Umkehrschluss ein individuelles Recht auf Gewalt abzuleiten.
    A: Es gibt aber immerhin ein Recht auf Widerstand.
    K: Ja, das ist bei uns allerdings ein ziemlich sonderbares Recht. Ursprünglich gab es das im Grundgesetz ja gar nicht. Es wurde erst im Mai 1968 aufgenommen, im Zuge der damals verabschiedeten Notstandsgesetze. Damals musste ja die Verfassung geändert werden, um im Notstandsfall auch auf die parlamentarische Kontrolle verzichten und so die Gewaltenteilung aufheben zu können. Um die Kritiker dieser Regelung zufriedenzustellen, hat man sozusagen kompensatorisch das Widerstandsrecht eingeführt.
    Im Kern ist das aber ein kastriertes Recht. Jeder Bürger hat nach Artikel 20, Abs. 4 des Grundgesetzes ein Recht auf Widerstand nur in dem Fall, in dem die Verfassungsordnung selbst gefährdet ist. Aber niemand weiß, wie das konkret aussehen soll. Soll etwa das Bundesverfassungsgericht darüber befinden, während schon die Panzer vor der Tür stehen?
    A: Trotzdem ist das mehr als nichts, oder?
    K: Ja, aber es ist kaum mehr als nichts. Denn niemand wird es vermutlich jemals konkret wahrnehmen können. Und im Übrigen dient es ja nur der Verteidigung der bestehenden Verfassung. Eine Revolutionierung der Verhältnisse lässt sich damit jedenfalls nicht rechtfertigen.
    A: Mich hat es dennoch immer sehr beeindruckt, dass der Begriff des Widerstands überhaupt in der Verfassung auftaucht.
    K: Darin stimme ich Ihnen zu, aber es ist seiner Einschränkung wegen ein problematischer, in seinem Kern vielleicht sogar irreführender Begriff. In einer ganz anderen Richtung hat Ulrike Meinhof unfreiwilligerweise die Problematik des Widerstandsbegriffs aufgezeigt. Sie hatte 1968 einen Artikel über den Unterschied zwischen Protest und Widerstand geschrieben. Sie bezog sich dabei auf die Rede des Black-Power-Aktivisten Dale Smith. Dieser hatte auf der Berliner Vietnam-Konferenz gesagt, protestieren sei in Wirklichkeit nichts anderes als zu spielen, Widerstand leisten bedeute dagegen, das eigene Leben einzusetzen. Wörtlich hatte er gesagt: »Man protestiert nicht gegen den Mord – man bemächtigt sich des Mörders und behandelt ihn so, wie er es verdient.« Damals war allen klar, worum es hätte gehen sollen: Um den US-Präsidenten Lyndon B. Johnson. Eigentlich hatte Smith dazu aufgerufen, Johnson umzubringen.
    A: Das hat Ulrike Meinhof eingeleuchtet.
    K: Ja, ganz offenbar. Sie hat damit gleichzeitig verraten, wie weit die irreführende Inanspruchnahme eines Rechts auf Widerstand reichen kann: Bis zur Rechtfertigung von Attentat und Mord. Und genau dahin hat die rechtsstaatlich abgekoppelte Verwendung des Widerstandsrechts durch die RAF später ja auch geführt.
    A: Wir haben erlebt, dass die hohen Zustimmungsraten von Occupy sich nicht in der Politik niedergeschlagen haben. Sie halten vom Widerstand nicht viel. Wie kann sich denn ein Gemeinwesen gegen seine Degenerierung wehren?
    K: Wir werden schnell darüber Einigkeit erzielen, dass wir zur Zeit eine Austrocknung der demokratischen Autorität des Souveräns erleben. Es existiert ein hohes Maß an Entfremdung zwischen den Wählern und der parlamentarischen Demokratie. Die Bürger sind unzufrieden mit den Parteien, nicht in jeder Hinsicht, aber in Fragen, die für sie von großer Bedeutung sind. Durch ihre Wahl wird ja nicht geklärt, welche Regierung entsteht und für welche Positionen sie eintritt. Es gibt ja keine unmittelbare Verpflichtung der Parteien gegenüber ihren Wählern. Daraus entsteht dann die Sehnsucht nach direkter Demokratie. Aber der Parlamentarismus ist demgegenüber defensiv eingestellt; das repräsentative System verträgt solche Elemente nur in einer vergleichsweise geringen Dosierung. Ich bin seit langem etwa gegen eine Ausweitung von Volksentscheiden. In Verbindung mit den neuen Technologien könnte das Konsequenzen haben, die wir uns noch gar nicht klarmachen.
    A: Sie sind kein Freund der Piratenpartei?
    K: Manche dieser Leute haben sehr beunruhigende Ideen. In Tunesien gibt es etwa einen Piraten-Politiker, der

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