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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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bezieht sich auf den Ort der Legitimität, den Bundestag, und auf die Wahrnehmung der Legitimität durch die Exekutive. Das ist etwas ganz anderes, als Strommasten abzusägen. Mir scheint, Sie haben so etwas wie die Fokustheorie im Kopf.
    A : Was ist das?
    K : Deren Urheber ist niemand anderes als Che Guevara! Das war seine Idee von Revolution: Wenn die sozialen Widersprüche nicht extrem genug sind, dann sei es – so argumentierte er – die Aufgabe einer Avantgarde, durch Gewaltaktionen diese Widersprüche herauszukitzeln und zu verschärfen. Und damit bringt man sich selber in die Lage, gegen die verunsicherten Machthaber vorzugehen, die man sozusagen in einer offenen Feldschlacht nie besiegen könnte. Das beruht also vor allem auf dem Willen und der Entschlusskraft einer Handvoll von Revolutionären. Das ist purer Subjektivismus! Bei Marx ist die Gewalt noch als die Geburtshelferin neuer Gesellschaftsverhältnisse verstanden worden – aber nicht als ein Aktionsmodus, um neue Verhältnisse zu implementieren.
    A : Das verstehe ich nicht.
    K : Das ist aber wichtig. Marx ging es darum, dass sich ein gesellschaftlich bis dahin unterdrücktes Subjekt, die Arbeiterklasse, Geltung verschafft – bei der Fokustheorie ist das zweitrangig. Im Grunde genommen ist das Leninismus; es geht nicht mehr um die Unterdrückten, die Ausgebeuteten oder das Volk, sondern um die Handlungsfähigkeit der avantgardistischen Organisation. Lenin meinte, die Massen seien nur zu einem trade-unionistischen Bewusstsein in der Lage. Sie wollten also nicht mehr als Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen, kürzere Arbeitszeit usw., mehr interessiere die gar nicht. Darum bräuchte man also die Kaderpartei für die so oft beschworenen Massen. Das ist aber im Kern undemokratisch. Die Massen sind hier wieder einmal nur das, was sie schon unter dem Zaren waren: Objekt.
    A : Aber haben wir ein solches Kaderdenken nicht in unserem System eingebaut: die Medien funktionieren so, die Bundesbank funktioniert so, die Bundesregierung funktioniert so, wenn sie dem Bundesverfassungsgericht erklären will, dass sie den Bundestag nicht immerzu unterrichten kann, weil alles so schnell geht ... Machen die Eliten das Volk nicht andauernd zum Objekt?
    K : Gewiss, aber Eliten sind eben etwas anderes als Kader. Die Kader meinen, sie haben die Weisheit letzten Endes gepachtet, fühlen sich aber zu schwach, um allein zu handeln. Das stimmt so für die Eliten nicht. Die Politik ist in einem hohen Maße der öffentlichen Kontrolle ausgesetzt. Wir haben keine Kaderpolitik, trotz aller Probleme mit Lobbyismus und Klientelpolitik, die kaum zu bestreiten sind.
    A : Sie setzen Ihre Hoffnung auf die Politik. Das bedeutet, auf den Politiker. Aber woher kommt bei dem die Bewegung?
    K : Ach, lassen wir die Rede von dem Politiker. Den gibt es doch gar nicht. Das ist nichts anderes als eine Floskel, ein Klischee, mit dem Parteien und Parlamente diskreditiert werden sollen. Nehmen Sie doch einmal den Ausstieg aus der Kernenergie. Alle Argumente, die bis dahin dagegen vorgebracht worden waren, spielten im März 2011 plötzlich keine Rolle mehr.
    A : Wegen eines externen Ereignisses ...
    K : ... das sich dann noch auf der anderen Seite der Erdkugel abgespielt hat! Für mich ist der Kurswechsel der Bundesregierung in Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima ein schlagendes Beispiel dafür, wie Protestbewegungen in ihrer Ausstrahlung auf das parlamentarische System letzten Endes ein im eigentlichen Sinne revolutionäres, also umwälzendes Ergebnis erzielen können. Ohne die jahrelangen Aktivitäten der Anti-AKW-Bewegung hätte es kaum einen so eindeutigen Bewusstseins- und Einstellungswandel in der Bevölkerung geben können, die Angela Merkel und der Bundesregierung signalisiert haben, dass nun die Zeit für einen endgültigen Ausstieg gekommen sei. Wo sind die ganzen Lobbyisten der Energiekonzerne in dieser Situation eigentlich geblieben? Haben die sich weggeduckt, weil sie ohnehin keine Chance mehr für ihr Energiemodell sahen?
    Noch einmal zur Occupy-Bewegung. Ich halte wirklich nichts davon, Banken oder Börsen zu besetzen. Das Problem sind weder die Börsen noch die Banken – sondern deren politische Kontrolle. Der Verzicht auf Gewalt ist ein hohes Gut, in der Politik wie in den Protestbewegungen. Es gibt zivilisatorische Errungenschaften, die einfach nicht zur Disposition gestellt werden sollten. Es kommt darauf an, die legitimen Protestpotentiale politisch zur

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