SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
der Tür geöffnet hatte. Graue Finsternis umfing mich, der aus dem Alkohol erwachsene Galgenhumor trübte meine Wahrnehmung jedoch beträchtlich.
Ich bemerkte nicht die kühle Luft, die mir entgegenschlug, jedenfalls nicht bewusst. Es roch entfernt nach Anis und Zimt und nach etwas Altem, Unbekannten, schimmligem Leder nicht unähnlich, und doch anders. Ohne Alkohol im Blut wäre ich wohl stutzig geworden, so aber schnupperte ich nur einmal kurz vor mich hin und schlug dann die Tür dröhnend hinter mir ins Schloss.
Im Halbdunkel der Gänge gewann ich sogar den bizarren Fratzen, die mich überall aus den Reliefs heraus anglotzten, etwas Lustiges ab. Nichts konnte mich beunruhigen; auch nicht die Tatsache, dass ich Tascha zusammengerollt auf dem Teppich ihres ehemaligen Arbeitszimmers vorfand. Seit sie um mein Schlafzimmer einen weiten Bogen machte, hatte sie sich den ›Katzen-Schrein‹ (meine Bezeichnung für den Raum mit den unzähligen Skulpturen) als Ruhestätte gewählt; den größten Teil der Nacht verbrachte Tascha allerdings – ihrer neuen (alten?) Natur entsprechend – mit ausgiebigen Wanderungen über die Dächer und durch die finsteren Straßen. Immer auf der Jagd nach Beute. Für gewöhnlich sah ich sie dann erst wieder am späten Vormittag zurückkehren und geräuschlos in ihrem neuen Domizil verschwinden, wie ein unheimlicher Untermieter.
Aber auch hier stellte ich mir erst viel später die Frage, warum Tascha gerade zwischen den Büchern die Nacht verbrachte oder warum sie überhaupt um diese Zeit im Haus war.
Schulterzuckend schlurfte ich einfach weiter ins Bad und übergab einen Teil des glucksenden Bier-Gin-Sees, der meine Gedärme umspülte, seiner Bestimmung. Nur noch unklar erinnere ich mich, wie ich daraufhin achtlos meine Kleider auf dem Boden verteilte, alle paar Zentimeter einen Schuh, einen Socken oder eine Krawatte. So, als veranstaltete ich eine frivole Art von Schnitzeljagd. Wahrscheinlich schlief ich schon, noch bevor mein kraftloser Körper auf die Matratze kippte. Tiefes, samtiges Schwarz zog mich in eine vollkommene Stille. Mein Rausch schirmte mich erfolgreich gegen die ersten Sonnenstrahlen und das Dröhnen der Lastwagen unten auf der Straße ab.
Als mich der erneute Druck meiner Blase dazu zwang, die Augen zu öffnen, war es kurz nach 13 Uhr. Ich hatte Kopfschmerzen und in meinem Mund einen Geschmack von verbrannten Autoreifen mit Terpentinsoße. Aber es war erträglich. In der vergangenen Zeit hatte ich weitaus schlimmere Kater erlebt.
Ich spitzte die Ohren. Bis auf das gelegentliche Dröhnen von Automotoren gab es keine weiteren Geräusche. Kein Kratzen, kein Miauen, kein sanftes Tapsen von Pfoten. War Tascha etwa schon wieder verschwunden?
Der Kater im Schädel vertreibt die Katze im Haus , musste ich unwillkürlich denken. Mir wollte aber kaum ein Schmunzeln gelingen; in der letzten Nacht hätte ich mich wegen eines derartigen Wortspiels sicher halb nass gemacht vor Lachen. Der Schlaf hatte mich jedoch ernüchtert. Mein Bewusstsein wurde wieder mit der sogenannten ›Wirklichkeit‹ konfrontiert. Die Gespenster und wirren Fantasien der Nacht hatten sich in Nichts aufgelöst. Nachdenklich starrte ich zur Decke. Wo war ich gewesen? Was hatte ich getan?
Schon jetzt – nur wenige Stunden danach – wollten sich kaum mehr als bruchstückhafte Erinnerungsfetzen einstellen. Der tiefe, ruhige Schlaf hatte vieles einfach vertilgt.
Mein Kopf fühlte sich an, als sei er mit Watte gefüllt. Noch deutete nichts darauf hin, was in dieser Nacht tatsächlich geschehen war; die Bücher entdeckte ich erst viel später. Nachdem die Träume begonnen hatten.
Ich gönnte mir eine lange, heiße Dusche, die ich in den letzten 30 Sekunden auf eiskalt drehte und marschierte dann, nur mit einer Unterhose bekleidet, mit 2 Aspirin und einem Glas Wasser Richtung Küche. Exzessiver Alkoholkonsum machte hungrig.
Auf meinem Weg stolperte ich beinahe über einen hellblauen Stoffhaufen, der entfernte Ähnlichkeit mit einem meiner Baumwollhemden hatte. Seufzend stieg ich darüber hinweg.
Ein weiterer trostloser Hinweis, mit dem mich die Wohnung stumm wegen ›unterlassener Hilfeleistung‹ anklagte. Seit Taschas Tod, nein, nach ihrer Verwandlung, hatte ich irgendwie nur wenig Zeit für Dinge wie Waschen, Putzen oder Staubsaugen gefunden.
Mein schlechtes Gewissen errang immerhin einen Teilerfolg. Für diesen Tag nahm ich mir fest vor, alle Pflanzen ausreichend mit Wasser zu versorgen. Der
Weitere Kostenlose Bücher