SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
Rest musste warten, auf einen Tag mehr oder weniger kam es nun auch wieder nicht an.
Tascha war tatsächlich nirgends zu finden. Ihr Fressnapf neben dem Küchentisch war kaum angerührt worden. Hatte sie etwa eine fette Maus vorgezogen oder machte sie gerade eine Diät?
Während der Kaffee durchlief und der Toast brutzelte, schob ich die Jalousien des kleinen, schmalen Fensters ein wenig zur Seite und sah hinaus. Hinter dem Haus erstreckte sich ein weites Brachgelände. Obwohl die Gegend schon seit etlichen Jahren sich selbst überlassen war, entdeckte ich nur wenige Spuren von wieder aufkeimender Natur. Nur ganz selten zwängten sich blasse, staubige Grasbüschel durch den graubraunen Boden ans Tageslicht. Wie die spärlichen Haare eines krebskranken Mannes nach dauerhafter Chemo-Therapie welkten sie träge im Wind. Dazwischen beherrschten vor allem braunrote Backsteinruinen die Szene; während einige noch ihre meist quadratische Adobe-Form erahnen ließen, konnte man bei vielen nicht einmal mehr den genauen Umriss ausmachen. Überall lagen klumpige Mauerreste verstreut und jede Menge Müll.
Obwohl in diesem Viertel überraschend regelmäßig eine Müllabfuhr kam, hatten es viele der ehemaligen Anwohner offensichtlich vorgezogen, ihren Unrat hinter dem Haus zu deponieren. Verrostete Badewannen, Kühlschränke und Waschmaschinen fanden sich dort ebenso wie Bootsmotoren und Autowracks. In einer Bodensenke sah man sogar den hinteren, durchgeschweißten Teil eines Busses. (Ich habe mich immer gefragt, was wohl mit der anderen Hälfte geschehen war.) Das Ganze machte eher den Eindruck eines Erdbebengebietes oder eines Schlachtfeldes als den einer wilden Müllkippe. Ein Disneyland für Ratten. Schnell verdrängte ich diesen verrückten Gedanken.
Trotz des sonnigen, klaren Tages lag etwas Düsteres über dem Gelände. Meine Kehle wurde plötzlich trocken. Durch das geschlossene Fenster hindurch meinte ich Tod und Verwesung riechen zu können.
Der Anblick ließ mich so nüchtern werden, als hätte ich ein ganzes Röhrchen ›Uppers‹ mit vier Kannen Kaffee geschluckt. Das Hochgefühl blieb allerdings aus. Ich dachte einfach nur klarer, abgeklärter.
Ich ließ die Jalousie fallen, als hätte sie sich in eine glühende Stahlplatte verwandelt. Warum musst du eigentlich über alles deine blöden Späße machen? , fragte ich mich mit einem Mal, auch wenn sie noch so sarkastisch sind. Glaubst du etwa, dein Galgenhumor könnte die Probleme lösen? Das Leben ist nun einmal alles andere als spaßig. Und deine Beziehung zu Natascha erst recht. Sieh’ den Dingen doch endlich ins Auge, Mann! Als was betrachtest du sie eigentlich? Als Frau? Als Geliebte? Oder doch nur als eine gewöhnliche Katze, ein schnurrendes Etwas, das du fütterst und dem du ab und zu das Fell kraulst? Bezieh’ endlich Stellung! Sag’ ja oder nein, aber verschone Natascha und dich mit deinem Selbstmitleid und deinem fragwürdigen Humor. Das hat sie einfach nicht verdient.
Diese Stimme hatte recht. Sie hatte ja so verdammt recht, aber dennoch konnte ich keine endgültige Entscheidung fällen. Das, was zwischen Natascha und mir gewesen war und noch immer war, ließ sich nicht einfach bejahen oder verneinen. Zwischen uns war mehr als nur ein Gefühl von Lust oder Liebe. Es war eine Macht, die uns mit sich gerissen hatte, ob wir es wollten oder nicht.
Ich war kaum mehr als ein Spielball, ein winziger Holzspan in einem reißenden Strom. Was konnte ich schon ausrichten, was konnte ich ändern? Ich schien ein aussichtsloses Spiel zu spielen, denn der Name der Macht war: MAGIE.
Sicher hätte ich vor Wut und Verzweiflung einige Teller an der Wand zerschmettert, wenn mir nicht in diesem Moment das Klingeln des Telefons zur Hilfe gekommen wäre. Nie hatte es einen süßeren Klang gegeben. Mein Dilemma würde für einen Augenblick ruhen müssen, nun rief das Geschäft. (Ich hatte es in der vergangenen Zeit zudem stark vernachlässigt.)
Erleichtert hastete ich los und versuchte mich daran zu erinnern, in welchem Raum ich zuletzt den Apparat angeschlossen hatte. Außer im Bad gab es keine Stelle, an der Natascha nicht eine Telefondose hatte anbringen lassen. Glücklicherweise hatte mein Anrufer Geduld. Beim siebten Klingeln riss ich prustend den Hörer von der Gabel.
»Hallo?«, keuchte ich kaum hörbar.
»Hi, Thomas, Donelly hier. Ich hab’ schon den ganzen Morgen versucht, Sie zu erreichen. Wo waren Sie? Sie hören sich an, als hätten Sie gerade
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