SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
einen Marathon-Lauf hinter sich.«
Es war tatsächlich geschäftlich. Seit dem unerwarteten Erfolg meiner ersten ›BLACK CAT‹-Ausstellung und dem großen Interesse von Galerien und Medien an meiner Person, hatte ich die Notwendigkeit erkannt, einen eigenen Agenten zu engagieren. Durch Molly’s Mode-Agentur war ich an Christopher Donelly geraten, und bislang hatte der Junge seinen Job recht gut gemacht. Eigentlich war er freiberuflicher Booker, der zwischen Werbeagenturen, Kataloghäusern, Werbefilm-Unternehmen und Models vermittelte. Gelegentlich managte er allerdings auch Fotografen. Durch seine Hilfe gelang mir immerhin eine nicht unlukrative Folge-Ausstellung in Seattle, sowie der Verkauf zweier meiner Bilder an Privatsammler. Donelly überprüfte Firmenangebote und sandte mir die interessantesten mit Vermerken wie: »Würden sie einen Franzosen fahren? Egal. Renault liegt mit seinem Angebot 17% über dem Branchen-Limit!« zu.
Bis auf einige kleine Aufträge lehnte ich jedoch alles andere ab. Nach meiner Arbeit mit Natascha fühlte ich mich plötzlich leer und ausgebrannt. Ich konnte einfach nicht weiter lustig auf den Auslöser drücken und so tun, als wäre nichts geschehen. Mir war es egal, wenn ich dadurch wichtige, einflussreiche Kunden verlieren sollte. Ich musste erst mit mir selbst ins Reine kommen. Im Leben gab es schließlich wichtigere Dinge als Ruhm und Geld. Ha, ha!
Für Donelly nahm ich mir allerdings nur eine ›wohlverdiente, kreative Pause‹. Lediglich einige meiner engen Bekannten wie Molly oder Phil ahnten wohl, was tatsächlich mit mir los war.
Nataschas Tod war in den Zeitungen als ›Todestrip einer jungen Frau‹ oder einfach nur als ›Bizarrer Unfall‹ dargestellt worden. Mein Name war wie durch ein Wunder nirgendwo aufgetaucht. Niemand wusste von meinen Seelenqualen. Und das war gut so.
Doch jetzt war der Punkt gekommen, an dem ich mich entscheiden musste. Immer und immer wieder musste ich mich entscheiden. Wollte ich den Rest meines Lebens nun weiter in asketischer, alkoholumnebelter Agonie verbringen oder nutzte ich die Gunst der Stunde für einen zweiten Anlauf? Ich war bereits schon zu lange untergetaucht; wenn ich jetzt nicht aktiv wurde, sprangen auch noch die letzten Interessenten ab. Talentierte Fotografen gab es schließlich genug.
Das alles ging mir in den zwei, drei Sekunden, während ich Donellys Stimme vernahm, im Kopf herum.
»Äh … hi, Don«, räusperte ich mich. In den Pausen zwischen den einzelnen Worten schlugen meine Gedanken Saltos. »Schön Sie zu hören. Ich … ich hab’ mir gerade ein paar Bauruinen in meinem Viertel angesehen. Vernagelte Häuser, Schuttplätze, Müllberge … ich glaub’, es könnten lohnende Motive für eine Foto-Reihe sein.«
Während ich ihm diese Notlüge auftischte, glaubte ich plötzlich selbst an meine Worte. In meiner momentanen Verfassung drängte sich dieses Thema doch förmlich auf. Wer konnte diese traurigen Reste menschlicher Zivilisation wohl einfühlsamer und ausdrucksstärker ablichten, als ein trauernder, melancholischer, innerlich zerrissener, romantischer, dem Wahnsinn naher Zyniker? Ich war die Idealbesetzung.
»Als scharfen Kontrast könnte man Bilder aus dem überdrehten Jet-Set dagegensetzen«, improvisierte ich weiter. »Ein ›fin-de-siècle‹-Gemälde in hundert oder mehr Einzelaufnahmen. Dekadenz und Verfall. ›Rom 2000‹ wäre ein guter Titel. Oder ›Amerikas Schwanengesang‹, finden Sie nicht?«
»Es freut mich, Sie wieder auf dem Posten zu wissen, Thomas«, entgegnete mein Agent ohne direkt auf meine Frage einzugehen, «ich finde aber, Sie sollten sich momentan eher mit weniger inhaltsschweren Motiven beschäftigen. Kunst hat natürlich ihre Berechtigung, ohne jede Frage, aber das Geld wird leider – wie Sie wissen – woanders verdient. ›BLACK CAT‹ war und ist zwar ein Volltreffer, aber freie Arbeiten sind ein Risiko. Ein Erfolg, vor allem ein finanzieller, bleibt doch fast immer aus. Sie kennen das ja; oft ist es nur pures Glück, eine Laune des Schicksals, wenn gerade einmal die Unkosten wieder hereinkommen. Also, Trait, glauben Sie wirklich, nur auf der Kunst-Schiene fahren zu können? Ich hielte das für gefährlich, momentan jedenfalls. Noch brauchen Sie die Werbung als zweites Standbein. Kunst und Kommerz müssen sich zudem ja nicht ausschließen.«
Donelly machte eine kurze Pause, um seine Worte auf mich wirken zu lassen. Ich stimmte ihm nur teilweise zu; noch bevor ich
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