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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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aber trotzdem erzählt ihr ihr immer solche Sachen …«
    »Es sind doch nur Märchen!« Steinchen hob die Schultern und breitete die Arme aus. »Was wäre ein nächtliches Lagerfeuer ohne Geschichten?«
    »Ihr begreift es einfach nicht.« Doro schüttelte den Kopf. »Ich habe den Fürsten im letzten Jahr durch die Wälder streifen gesehen. Ich habe sein Ächzen gehört. Er ist um uns herumgeschlichen, voller Hunger, und es ist pures Glück gewesen, dass er uns nicht bei sich behalten hat. Ein zweites Mal geht das nicht gut.«
    Schweigen breitete sich aus, peinlich berührte Blicke wurden ausgetauscht.
    »Kann sein, dass wir im letzten Jahr ein wenig albern waren«, brummte Steinchen. »Der Met, du verstehst. Ich kann mich dunkel erinnern, dass ich eine Nacht gemeinsam mit Warze ums Lager geschlichen bin und ›Buhu!‹ gerufen habe.« Er zog ein drollig-schuldbewusstes Gesicht. »Aber der Gerechtigkeit wurde bereits Genüge getan. Ich bin im Finstern mit dem Kopf gegen einen Baumstamm gelaufen und Warze ist in ein Loch getreten und hat sich den Knöchel verstaucht. Falls du also auch unflätiges Fluchen gehört haben solltest - hier steht einer der Schuldigen.«
    »Da siehst du's!« Dankbar zwinkerte Sandra Steinchen zu.
    »Ich kann sehr wohl ein gequältes Geisterwesen von ein paar besoffenen Idioten unterscheiden«, grollte Doro. »Aber sei es drum. Ihr werdet schon sehen. Ich weiß, was ich gespürt habe, und ich weiß, wie ich mich schützen kann.« Mit einem schnellen Griff packte sie ihre Tasche und stieg in den Zug.
    Ralf blies sich eine Haarsträhne aus dem pausbäckigen Gesicht. »Können wir dann langsam einsteigen?«
    »Sicher«, sagte Paul bedrückt, den Blick immer noch auf Doro gerichtet, die nun wie ein düsterer Schattenriss hinter einem Abteilfenster auftauchte.
    Einer nach dem anderen stieg in den Zug. Nach Ralf und Lars hievte eine rundliche kleine Frau Mitte zwanzig, die Bastian noch nicht vorgestellt worden war, ihr Gepäck in den Waggon.
    »Mach dir nichts draus«, sagte sie zu Paul gewandt. »Wir freuen uns.« Sie führte einen kurzbeinigen Terriermischling an der Leine und einen Mann an der Hand, der zu jedem ihrer Worte nickte. »Stimmt doch, Arno, oder? Dort war es toll!«
    »Ja, Alma. Toll«, bestätigte Arno. Die beiden erinnerten Bastian an Hobbits, fehlten nur die haarigen Füße.

    Bastian und Sandra teilten sich ein Abteil mit Paul, Steinchen, Ralf und Iris, die sofort einen Fensterplatz für sich in Beschlag nahm und den Vorhang halb zuzog. »Muss ja nicht jeder reinglotzen können.« Sie kuschelte sich in ihren Sitz. Kaum fuhr der Zug an, schloss sie die Augen.
    Die Anzeigetafeln, Plakatwände und Bänke auf dem Bahnsteig glitten vor dem Fenster vorbei, schneller und schneller. Dann ließ der Zug den Bahnhof hinter sich. Wie immer, wenn er mit der Bahn fuhr, fühlte Bastian sich sofort schläfrig. Er sah aus dem Fenster, ohne auf die Landschaft zu achten, und rief sich Doros Auftritt noch einmal in Erinnerung.
    Ob sie wirklich glaubte, was sie da gesagt hatte? So hatte es gewirkt. Aber vielleicht war sie auch nur wild auf Aufmerksamkeit gewesen …
    Trotzdem hatten ihre Worte ein mulmiges Gefühl in Bastians Magen hinterlassen. Nach kurzem Nachdenken wusste er, weswegen. Der Anruf. Zwei Warnungen innerhalb weniger Stunden, wenn auch die eine anonym und die andere völlig abgedreht gewesen war. Eine merkwürdige Unruhe blieb. Am liebsten hätte er Sandra doch noch von dem Telefongespräch erzählt, allerdings unter vier Augen. Dafür würde es jedoch in den nächsten Stunden kaum eine Chance geben.
    Der Geruch von Wurst lenkte ihn von seinen Überlegungen ab. Steinchen balancierte eine riesige Salami auf seiner flachen Hand. »Zeit für ein erstes Häppchen. Jemand Hunger? Ich habe auch Brot dabei.«
    Niemand meldete sich, was Steinchen keine Spur zu stören schien. Er säbelte ein paar dicke Räder von der Wurst und begann, sich eines nach dem anderen in den Mund zu stopfen.
    »Bastian, mein neuer Gefährte«, sagte er kauend. »Ich bin unendlich neugierig darauf, dich spielen zu sehen. Du hast dir sicher schon einen Charakter ausgedacht, ja? Stell ihn uns doch mal vor.«
    »Wir sind seeeeeehr gespannt«, murmelte Iris, die Augen immer noch geschlossen.
    Bastian räusperte sich. »Tja, also - ich fand es erst ziemlich schwierig«, gab er zu. »Aber Sandra hat mir Tipps gegeben, dann ging es.«
    »Hoffentlich bist du kein Wirt!«, rief Steinchen. »Es würde mich in Bedrängnis

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