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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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seinen Speer wie einen Wanderstab und zog die Blicke der anderen Reisenden auf sich.
    Iris runzelte die Stirn. »Wir werden im Zug Probleme bekommen, wenn du das sperrige Ding so offen mit dir rumträgst.«
    »Kommt gleich in die Gepäckablage. Ruck, zuck - sieht kein Mensch.«
    Mit seinen beiden Rucksäcken drängelte Ralf sich zu Paul vor. »Schlechte Nachrichten. Tommi hat mich angerufen, er kommt nicht. Seine Katze ist krank, er glaubt, sie stirbt. Er meint, jemand hätte sie vergiftet.«
    »Seine Katze vergiftet? Wer macht denn so was?« Paul zog die Augenbrauen hoch. »Scheiße, armer Tommi. Das ist wirklich schade.« Er strich mit einer langsamen Bewegung etwas auf seiner Liste durch, räusperte sich, hob den Kopf und sah einen nach dem anderen an.
    »Nun denn! Gefährten! Es ist so weit. Wir lassen das Heute hinter uns und begeben uns zurück in die Zeit der Helden und Sagen. Das Mittelalter erwartet uns. Wo, das werde ich euch sogleich verraten!« Er holte für jeden einen Umschlag aus der Tasche, strich beinahe zärtlich mit den Fingern über das Bündel und begann mit der Verteilung. Bastian erhielt sein Kuvert als Erster. Das Papier war dick, wie handgeschöpft, und fühlte sich weich an. Er fasste hinein und zog ein Zugticket heraus.
    Wieselburg an der Erlauf hieß ihr Zielort. Sie würden über München fahren, dort eine Stunde auf ihren Anschlusszug warten und dann die Grenze nach Österreich überqueren. Ein weiteres Mal umsteigen in einem Ort namens Amstetten - um halb fünf Uhr morgens, oh Gott -, anschließend wurde die Reise offenbar mit zwei Bummelzügen fortgesetzt und um sieben Uhr würden sie dieses Wieselburg erreichen. Da war kaum Zeit, um zu schlafen, das fing ja gut -
    Ein Keuchen, als wäre jemandem in den Magen geschlagen worden. Bastian fuhr herum, da stand Doro, leicht nach vorne gekrümmt, mit weit aufgerissenen Augen.
    Eine Kolik? Sie war weiß im Gesicht und die Hand, in der sie die Fahrkarte hielt, zitterte. »Ist dir schlecht?«
    Keine Antwort. Doro starrte auf das Ticket, blinzelte, hob dann den Kopf und sah Paul an. Der nickte ihr schuldbewusst zu.
    »Ja, ich weiß, du magst den Ort nicht, aber -«
    »Wie könnt ihr das tun?«, flüsterte Doro. »Paul, du weißt doch, wie knapp wir das letzte Mal davongekommen sind. Warum wollt ihr das Schicksal noch einmal herausfordern?«
    Paul seufzte. »Hör mit dem Unsinn auf, Doro. Wir fordern nichts und niemanden heraus und vergangenes Jahr hatten wir die beste Convention, seitdem Saeculum besteht. Nur du erzählst immer irgendwas von Gespenstern. Ist ja okay, solange du nicht anfängst, wirklich daran zu glauben.«
    So ganz konnte Bastian dem Gespräch nicht folgen. »Was ist denn das Problem?«
    »Doro macht sich Sorgen, weil wir den gleichen Spielort ausgesucht haben wie beim letzten Mal. Sie denkt -« Paul unterbrach sich und breitete wie zur Entschuldigung die Arme aus. »Sie denkt, es würde dort spuken. So was Ähnliches jedenfalls. Ein Fluch soll auf der Gegend liegen, hat etwas mit einer alten Sage zu tun, die ich dummerweise mal am Lagerfeuer erzählt habe.«
    »Du glaubst nicht daran, ich weiß«, murmelte Doro. »Weil du die Schwingungen nicht so spürst wie ich. Aber die Dinge einfach zu ignorieren, das wird dich nicht schützen.«
    »Ist in Ordnung, ich passe schon auf mich auf.« Er sah betreten von einem zum anderen. »Ehrlich, ich hatte nicht damit gerechnet, dass du immer noch so denkst, Doro. Der Platz ist wirklich ideal und wir haben ihn ganz für uns allein. Niemand da, der uns stört. Ihr erinnert euch doch! Außerdem ist nichts passiert beim letzten Mal, oder?«
    »Aber nur dank meiner Schutzkreise!«, schrie Doro. Rundherum wandten sich ihnen Köpfe zu.
    »Leise!« Sandra nahm sie am Arm. »Dann schützt du uns eben wieder, hm? Wenn es schon einmal so gut geklappt hat.« Sie klang nachsichtig, als ob sie ein Kind beruhigen wollte.
    In Bastian pochten mittlerweile auch Zweifel, aber nicht an ihrem Ziel, sondern an Doros Verstand. Litt sie unter Wahnvorstellungen? War es unter diesen Umständen überhaupt vertretbar, sie auf die Convention mitzunehmen?
    »Ich kann Doro schon verstehen«, warf Lisbeth ein. »Bei Sonne ist die Gegend wunderschön, aber kaum ziehen Wolken auf, wird es sofort düster und die Nacht … ist voller gruseliger Geräusche, die Bäume stehen dicht wie Hecken, der Boden gibt manchmal nach wie Moor … ab und zu sieht man Schatten vorbeihuschen. Doro glaubt eben an Erscheinungen. Ihr wisst das,

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