Saeculum
Falkenwarth über das Land«, begann er. »Dem Fürsten waren zwei Söhne geboren worden. Der ältere war ein Bastard, gezeugt mit einer Dienerin, der jüngere entstammte der Ehe des Fürsten und würde dessen Erbe sein. Die Frau des Fürsten war schön und herrisch zugleich - ihr gefiel es nicht, den unehelichen Sohn um sich zu haben, und sie verlangte von ihrem Mann, dass er das Kind und seine Mutter von der Burg vertreiben solle. Dem Fürsten war es gleich - er zögerte nicht lange und schickte die beiden weg, ohne Geld, ohne Besitztümer. Mit nichts als den Sachen, die sie am Leib trugen, trieb er sie fort in eine ungewisse Zukunft.
Ludolf, der legitime Sohn des Fürsten, wuchs zu einem verwöhnten jungen Mann heran, dem es an nichts fehlte. Tristram, der Bastard, schlug sich mit Betteln und Stehlen durchs Leben. Seine Mutter war gestorben, als er noch keine vierzehn Lenze zählte - hustend hatte sie ihre Seele ausgehaucht. Nur seine Geschicklichkeit als Dieb hielt Tristram am Leben, doch in ihm brannte der Wunsch nach Gerechtigkeit. Seine Mutter hatte ihm nicht verschwiegen, aus welch edlem Haus er stammte, und so hämmerte er immer wieder gegen die Tore der Burg Falkenwarth und verlangte, seinen Vater zu sehen, doch er wurde nie eingelassen.
Die Jahre vergingen und der Fürst wurde alt und krank, es sprach sich herum, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Auch Tristram hörte das und begab sich erneut zur Burg seines Vaters, diesmal, um sich mit ihm auszusöhnen. Er wollte ihm seine Hartherzigkeit vergeben und hoffte auf ein geringes Erbe, mit dem er sein Dasein bestreiten konnte. Doch wie immer scheuchten die Wachen am Tor ihn davon.
Dann starb der Fürst. Tristram, der wusste, dass man ihn jetzt erst recht nicht mehr in die Burg einlassen würde, bat einige seiner Freunde, ihn zu begleiten, weil er hoffte, dass man eine ganze Gruppe von Bittstellern weniger leicht abweisen würde als einen einzelnen. Keiner von ihnen war bewaffnet, es waren arme Leute - Bettler, Gaukler und Bauern, die meist nicht wussten, woher sie die nächste Mahlzeit nehmen sollten, geschweige denn das Geld für ein Schwert.
Wieder kreuzten die Wachen ihre Lanzen vor dem Tor, beschimpften Tristram, traten mit ihren schweren Stiefeln nach ihm und drohten, dass sie ihn und sein ganzes Pack den fürstlichen Hunden zum Fraß vorwerfen würden. Doch diesmal ließ er sich nicht so einfach vertreiben, er blieb stehen und schrie gegen die Mauern an. Er schrie, so laut er konnte, in der Hoffnung, sein Bruder würde ihn hören.
›Ich will nichts von dir, Ludolf!‹, rief er. ›Nicht deinen Titel, nicht dein Gold und auch nicht deine Ländereien, das schwöre ich! Ich will nur am Grab meines Vaters beten und meinen Frieden mit ihm machen.‹«
Paul funkelte Bastian an, als wäre er eine der störrischen Wachen. Es war heiß im Abteil und auf seiner Stirn stand ein feiner, glänzender Schweißfilm.
»Nach einer halben Stunde öffneten sich wider Erwarten die Tore der Burg, Tristram und seine Gefährten wurden eingelassen. Ludolf selbst nahm sie in Empfang und ließ ihnen Fleisch, Brot und Wein vorsetzen.
›Unser Vater ist einen friedlichen Tod gestorben‹, sagte er. ›Ich will dir ein Gebet an seinem Grab nicht versagen.‹
Sie aßen gemeinsam, und als die Nacht hereinbrach, erbot sich Ludolf, Tristram und seine Gefährten in die Familiengruft zu führen.«
In Pauls Augen glitzerte es, während er fortfuhr. »Sie stiegen in den Burgkeller hinab, begleitet von drei Dienern mit Fackeln. Als Tristram und seine Freunde den ersten Schritt in die Gruft taten, wussten sie, dass sie in eine Falle gegangen waren. Der Fackelschein traf auf das Metall von Schwertern und Rüstungen. Ludolfs Männer hatten auf seinen Befehl hin bereits in der Gruft gewartet.
›Da du so große Sehnsucht nach unserem Vater hast, wirst du froh sein, wenn ich dich nun zu ihm schicke‹, höhnte er.
Seine Soldaten stürzten sich auf Tristrams Begleiter, die sich gegen alle vernünftige Hoffnung mit ihren bloßen Händen zur Wehr setzten. Rund um die Grabstätten entbrannte ein furchtbarer Kampf. Die Soldaten stießen ihre Schwerter in die Leiber der Wehrlosen, erstachen sie mit Hellebarden, hieben ihnen die Köpfe ab. Die Wände der Gruft färbten sich rot, der Boden war glitschig vom Blut, die Schreie der Sterbenden hallten bis ins Dorf und raubten den Bewohnern den Schlaf. Innerhalb weniger Minuten waren Tristrams Männer alle tot, nur er selbst lebte noch.
In
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