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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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beweisen, dass ich frei bin. Man ist immer auf Kosten eines anderen frei. Das ist absurd, aber normal. (Mit einem Blick zu MUCIUS ) Wendet diesen Gedanken auf die Eifersucht an, dann seht ihr es. (Versonnen) Trotzdem, wie abscheulich ist es doch, eifersüchtig zu sein! Aus Eitelkeit und in der Phantasie zu leiden! Zu sehen, wie die eigene Frau.
    ( MUCIUS ballt die Fäuste und macht den Mund auf.)
    (Sehr schnell) Essen wir, meine Herren. Wisst ihr, dass wir mit Helicon tüchtig arbeiten? Wir stellen eine kleine Abhandlung über die Hinrichtung fertig, zu der ihr mir bestimmt gratulieren werdet.
    HELICON
    Vorausgesetzt, ihr werdet nach eurer Meinung gefragt.
    CALIGULA
    Wir wollen großzügig sein, Helicon, und ihnen unsere kleinen Geheimnisse verraten. Also dann, Abschnitt III , Absatz  1 .
    HELICON (steht auf und trägt leiernd vor)
    «Die Hinrichtung erleichtert und erlöst. Sie ist universell, stärkend und gerecht in ihren Anwendungen wie in ihren Absichten. Man stirbt, weil man schuldig ist. Man ist schuldig, weil man ein Untertan Caligulas ist. Nun ist ja jeder Caligulas Untertan. Folglich ist jeder schuldig. Woraus sich ergibt, dass jeder stirbt. Es ist eine Frage der Zeit und der Geduld.»
    CALIGULA (lachend)
    Was haltet ihr davon? Geduld – das ist ein Volltreffer, was? Soll ich es euch sagen: die bewundere ich am meisten an euch. Jetzt, meine Herren, könnt ihr über euch verfügen. Cherea braucht euch nicht mehr. Caesonia soll aber bleiben! Und Lepidus und Octavius! Mereia ebenfalls. Ich möchte mit euch über die Organisation meines Bordells sprechen. Es macht mir große Sorgen.
    (Die anderen gehen langsam hinaus. CALIGULA blickt MUCIUS nach.)
    10 . Szene
    CHEREA
    Zu deinen Diensten, Gajus. Was klappt denn nicht? Ist das Personal schlecht?
    CALIGULA
    Nein, aber die Einnahmen.
    MEREIA
    Dann müssen die Preise erhöht werden.
    CALIGULA
    Mereia, du hast gerade eine Gelegenheit verpasst zu schweigen. In Anbetracht deines Alters betreffen dich diese Probleme nicht, und ich frage dich nicht nach deiner Meinung.
    MEREIA
    Warum wolltest du dann, dass ich hierbleibe?
    CALIGULA
    Weil ich gleich eine leidenschaftslose Meinung brauche.
    ( MEREIA zieht sich in den Hintergrund zurück.)
    CHEREA
    Wenn ich voll Leidenschaft darüber sprechen darf, Gajus, würde ich sagen, dass man die Preise nicht antasten soll.
    CALIGULA
    Natürlich nicht. Wir müssen uns am Umsatz schadlos halten. Ich habe Caesonia meinen Plan schon erläutert; sie wird ihn euch darlegen. Ich habe zu viel Wein getrunken und werde allmählich müde.
    (Er legt sich hin und schließt die Augen.)
    CAESONIA
    Es ist ganz einfach. Caligula stiftet einen neuen Orden.
    CHEREA
    Ich sehe da keinen Zusammenhang.
    CAESONIA
    Er ist aber da. Diese Auszeichnung wird den Rang eines Helden der Bürgerschaft ins Leben rufen. Mit ihr werden die Bürger belohnt, die Caligulas Bordell am häufigsten besucht haben.
    CHEREA
    Das ist genial.
    CAESONIA
    Allerdings. Ich vergaß zu sagen, dass die Auszeichnung jeden Monat nach Zählen der Eintrittskarten verliehen wird. Der Bürger, der nach Ablauf von zwölf Monaten noch keinen Orden bekommen hat, wird verbannt oder hingerichtet.
    DRITTER PATRIZIER
    Wieso «oder hingerichtet»?
    CAESONIA
    Weil Caligula sagt, das wäre völlig belanglos. Hauptsache, der Bürger kann wählen.
    CHEREA
    Bravo. Der Staatsschatz ist heute wieder flott.
    HELICON
    Und zwar auf hochmoralische Art, wohlgemerkt. Schließlich ist es besser, das Laster zu besteuern, als die Tugend auszubeuten, wie es in den republikanischen Gesellschaften gemacht wird.
    ( CALIGULA schlägt die Augen halb auf und beobachtet den alten MEREIA , der abseits steht, ein Fläschchen hervorzieht und einen Schluck daraus trinkt.)
    CALIGULA (immer noch liegend)
    Was trinkst du, Mereia?
    MEREIA
    Etwas gegen mein Asthma, Gajus.
    CALIGULA (geht, die anderen beiseiteschiebend, zu ihm und schnuppert an seinem Mund)
    Nein, das ist ein Gegengift.
    MEREIA
    Oh, nein, Gajus. Das ist doch nicht dein Ernst. Ich ersticke nachts und nehme schon seit langem etwas dagegen.
    CALIGULA
    Du hast also Angst, vergiftet zu werden?
    MEREIA
    Mein Asthma …
    CALIGULA
    Nein. Nennen wir die Dinge beim Namen: Du befürchtest, ich würde dich vergiften. Du traust mir nicht. Du bespitzelst mich.
    MEREIA
    Nein, nein, bei allen Göttern!
    CALIGULA
    Du verdächtigst mich. Du misstraust mir sozusagen.
    MEREIA
    Gajus!
    CALIGULA (grob)
    Antworte! (Zwingend logisch) Wenn du ein Gegengift nimmst, unterstellst du mir

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