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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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keine Rolle mehr. Vor der Angst verschwindet alles. Die Angst, nicht, Caesonia, dieses schöne Gefühl, unvermischt, rein und zweckfrei, eines der wenigen, dessen Würde aus dem Bauch kommt.
    (Er fährt sich mit der Hand über die Stirn und trinkt.)
    (In freundschaftlichem Ton) Sprechen wir jetzt über etwas anderes. Nun, Cherea, du bist ja so schweigsam.
    CHEREA
    Ich bin bereit zu sprechen, Gajus. Sobald du es gestattest.
    CALIGULA
    Ausgezeichnet. Dann sei still. Ich möchte gern unseren Freund Mucius hören.
    MUCIUS (widerwillig)
    Zu Befehl, Gajus.
    CALIGULA
    Schön, erzähl uns von deiner Frau. Und als Erstes schick sie an meine linke Seite.
    ( MUCIUS ’ FRAU geht zu CALIGULA .)
    MUCIUS (etwas hilflos)
    Meine Frau, nun, ich liebe sie.
    (Allgemeines Gelächter.)
    CALIGULA
    Natürlich, lieber Freund, natürlich. Aber das ist doch so üblich!
    (Er leckt der neben ihm sitzenden Frau zerstreut die linke Schulter.)
    (Immer ungezwungener) Als ich hereinkam, habt ihr doch konspiriert, nicht wahr? Man hat sein kleines Komplott geschmiedet, stimmt’s?
    DER ALTE PATRIZIER
    Gajus, wie kannst du nur …?
    CALIGULA
    Völlig belanglos, meine Süße. Das Alter muss sich austoben. Völlig belanglos, wirklich. Ihr seid zu einer beherzten Tat unfähig. Mir fällt gerade ein, dass ich ein paar Staatsgeschäfte zu erledigen habe. Aber vorher müssen wir ein kleines Bedürfnis erledigen.
    (Er steht auf und zieht MUCIUS ’ FRAU mit sich in ein Nebenzimmer.)
    6 . Szene
    ( MUCIUS will aufstehen.)
    CAESONIA (liebenswürdig)
    Ach, Mucius, ich hätte gern noch etwas von diesem köstlichen Wein.
    (Geschlagen schenkt MUCIUS ihr schweigend nach. Ein Moment der Verlegenheit. Die Sitze knacken. Der folgende Dialog ist etwas gezwungen.)
    Also, Cherea, wie wär’s, wenn du mir sagen würdest, warum ihr euch vorhin geschlagen habt?
    CHEREA (kühl)
    Alles kam daher, liebe Caesonia, dass wir darüber diskutierten, ob die Poesie tödlich sein soll oder nicht.
    CAESONIA
    Hochinteressant. Allerdings übersteigt das meinen Frauenverstand. Aber ich bewundere, dass eure Leidenschaft für die Kunst euch zu Handgreiflichkeiten verleitet.
    CHEREA (wie zuvor)
    Ja. Aber Caligula hat mir gesagt, es gebe keine tiefe Leidenschaft ohne ein wenig Grausamkeit.
    HELICON
    Und keine Liebe ohne ein kleines bisschen Vergewaltigung.
    CAESONIA (kauend)
    Da ist etwas Wahres daran. Was meint ihr anderen dazu?
    DER ALTE PATRIZIER
    Caligula ist ein feiner Psychologe.
    ERSTER PATRIZIER
    Er hat uns sehr beredt vom Mut gesprochen.
    ZWEITER PATRIZIER
    Er sollte alle seine Gedanken sammeln. Das wäre unschätzbar.
    CHEREA
    Ganz abgesehen davon, dass es ihn beschäftigen würde. Er braucht offensichtlich Zerstreuung.
    CAESONIA (immer noch kauend)
    Ihr werdet entzückt sein zu erfahren, dass er selbst darauf gekommen ist und zurzeit eine große Abhandlung schreibt.
    7 . Szene
    ( CALIGULA und MUCIUS ’ FRAU kommen herein.)
    CALIGULA
    Mucius, ich gebe dir deine Frau zurück. Sie wird sich wieder neben dich setzen. Aber entschuldigt mich, ich habe ein paar Anweisungen zu geben.
    (Er geht eilig hinaus. MUCIUS ist blass geworden und aufgestanden.)
    8 . Szene
    CAESONIA (zu MUCIUS , der stehen geblieben ist)
    Diese große Abhandlung wird den berühmtesten ebenbürtig sein, Mucius, daran besteht kein Zweifel.
    MUCIUS (schaut immer noch auf die Tür, durch die CALIGULA verschwunden ist)
    Und worum geht es, Caesonia?
    CAESONIA (gleichgültig)
    Oh, da komme ich nicht mit.
    CHEREA
    Man muss wohl annehmen, dass die tödliche Macht der Poesie abgehandelt wird.
    CAESONIA
    Das stimmt, glaube ich.
    DER ALTE PATRIZIER (munter)
    Nun, das wird ihn beschäftigen, wie Cherea sagte.
    CAESONIA
    Ja, meine Hübsche. Was euch aber wahrscheinlich stören wird, ist der Titel des Werkes.
    CHEREA
    Wie heißt es?
    CAESONIA
    «Das Schwert».
    9 . Szene
    ( CALIGULA kommt eilig herein.)
    CALIGULA
    Verzeiht mir, aber auch die Staatsgeschäfte sind dringend. Patricius, du wirst die staatlichen Kornkammern schließen lassen. Ich habe gerade das Dekret unterzeichnet. Du findest es nebenan.
    OBERHOFMEISTER
    Aber …
    CALIGULA
    Morgen wird Hungersnot herrschen.
    OBERHOFMEISTER
    Da wird das Volk aber murren.
    CALIGULA (lautstark und deutlich)
    Ich sage, dass es morgen eine Hungersnot gibt. Jeder weiß, was Hungersnot ist: eine Geißel. Morgen gibt es eine Geißel … und ich werde der Geißel ein Ende machen, wann es mir beliebt. (Erklärend zu den anderen) Schließlich habe ich nicht so viele Möglichkeiten, zu

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