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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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diesen Vorteil nicht nutzen, um dich zu töten. Auch ich lege mein Schwert nieder. Kämpfen wir ohne Waffen!
    (Sie umklammern einander und ringen. EUSEBIO gewinnt die Oberhand, lässt CURCIO aber unvermittelt los und tritt zurück.)
    EUSEBIO
    Was geschieht mir? Warum steigen mir Tränen in die Augen, aus tiefstem Herzen, trotz allem Rachedurst, trotz allen Leidens? Curcio, ich bin derart verwirrt, mir ist, als wollte ich mich selber töten, um dich zu rächen. Räche dich also an mir! … Hier ist mein Leben, Herr, ich knie nieder!
    CURCIO
    Wie groß die Kränkung auch gewesen sein mag, das Schwert eines Edelmannes besudelt sich nicht mit dem Blut des Besiegten. Wer den Glanz seines Sieges mit Blut befleckt, verspielt seinen Ruhm …
    STIMMEN (aus dem Off)
    Sie sind dort drüben!
    CURCIO
    Meine siegreichen Männer kommen, und deine feigen Leute sind geflohen. Ich will dir dein Leben lassen. Fliehe. Gegen den Zorn meiner Dörfler kann ich dich nicht verteidigen, und du allein kannst gegen sie nicht bestehen.
    EUSEBIO
    Ich habe mich vor deiner Macht gebeugt, Curcio, doch fliehen werde ich vor niemandem sonst. Ich nehme dieses Schwert wieder zur Hand, und du wirst sehen, vor dir mag mein Mut versagt haben, aber deine Männer werden nichts gegen ihn vermögen.
    ( CURCIO s Männer treten auf.)
    OCTAVIO
    Ob im Tal, ob auf den Gipfeln der Berge, keiner von ihnen ist mit dem Leben davongekommen. Nur Eusebio ist im Schutze der Dunkelheit geflohen.
    EUSEBIO
    Du lügst! … Eusebio ist nie geflohen!
    ALLE
    Da ist er … Tötet ihn!
    EUSEBIO
    Kommt nur immer, Bauernpack!
    CURCIO
    Halt, Octavio, warte!
    OCTAVIO
    Was, Herr, du müsstest uns anfeuern, und du hältst uns zurück? Du verteidigst einen Mann, der dein Blut vergossen und deine Ehre besudelt hat?
    GIL
    Wie kannst du einen Mann in Schutz nehmen, der das ganze Land mit Zerstörung überzogen und so viele der Unsrigen umgebracht hat; es gibt bald keine Melone und kein junges Mädchen mehr, die er nicht angebissen hätte.
    OCTAVIO
    Was sagst du uns, Herr? Was willst du tun?
    CURCIO
    Wartet! … Hört her … Welch trauriges Ereignis … Wäre es nicht besser, er käme als Gefangener nach Sena? … Geh ins Gefängnis, Eusebio, und ich gebe dir mein Wort als Edelmann, ich schwöre, ich werde dich verteidigen. Obwohl ich in dem Prozess Partei bin, will ich doch auch dein Anwalt sein.
    EUSEBIO
    Nein. Hoffe nicht darauf, dass ich mich dem Gesetz unterwerfe, weil ich mich dir ergeben habe. Respekt genügt, um mich Curcio auszuliefern, doch das Gesetz will gefürchtet werden, und ich fürchte nichts.
    OCTAVIO
    Tod Eusebio!
    CURCIO
    Pass auf …
    OCTAVIO
    Wie? Du nimmst ihn in Schutz, du verrätst uns?
    CURCIO
    Verraten! … Verzeih mir, Eusebio, doch wenn sie mich so angreifen, muss ich dir als Erster den Tod geben.
    EUSEBIO
    Tritt beiseite, Herr! Dein Anblick lässt mich erstarren, ich weiß nicht, warum. Wenn du vor mir stehst, dienst du deinen Leuten als Schild!
    (Die Dörfler greifen ihn an. Kämpfend gehen alle ab, außer CURCIO .)
    CURCIO
    Sie hetzen ihn … Sie treiben ihn ins Gebirge, er ist von tausend Hieben getroffen … Er weicht zurück … er stürzt und rollt zu Tal. Ah! Ich eile ihm zu Hilfe! Dies schon erkaltende Blut, das mich mit schwacher Stimme ruft, muss meinem But verwandt sein. Denn wie könnte ein anderes Blut mich rufen, und ich würde es hören?
     
    (An anderem Orte im Gebirge. EUSEBIO rollt einen Abhang hinab, bis auf die Bühne. Dort steht das Kreuz.)
    EUSEBIO
    Ich stürze von Bergeshöhen herab, mein Leben entweicht, die Erde wankt, auf die ich tot niedersinken könnte. Ich bin voll Schuld, ich erkenne meine Sünden, und meine Seele, die endlich wieder zu sich kommt, sorgt sich nicht um den Tod, sondern nur darum, wie so viele Verbrechen mit einem einzigen Leben gesühnt werden sollen. Da stürzt sich die hasserfüllte Truppe schon wieder auf mich, ich kann nicht entkommen, es heißt töten oder sterben, dabei wollte ich nur an einen Ort gelangen, an dem ich den Himmel um Vergebung bitten könnte … Oh Kreuz, gebiete meinen Schritten Einhalt, auf dass du, wenn sie mir den Tod geben und die Zukunft nehmen, mir doch das ewige Leben spenden kannst.
    Kreuzbaum du, an den der Himmel die Frucht der Wahrheit schlug, um jene Frucht zu erlösen, in die der erste Mensch einst biss! Blüte des verheißenen Paradieses! Bogen aus Licht, dessen Botschaft über den unendlichen Wassern den Frieden der Welt verkündete! Anbetungswürdiges Reis!

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