Sämtliche Dramen
nah.
Mariane
.
Gefällt’s Euch, mitzugehn?
Mariane und Isabella ab.
Herzog
O Größ’ und Hoheit, tausend falscher Augen
Haften auf dir! In Bänden voll Geschwätz
Rennt falsches Spähn, mit sich in Widerspruch,
Dein Handeln an; des Witzes Fehlgeburt
Macht dich zum Vater ihrer müß’gen Träume
Und zwängt dich ihren Grillen ein. – Willkommen!
Seid ihr ganz einig?
Mariane und Isabella kommen zurück.
Isabella
.
Sie will die Unternehmung wagen, Vater,
Wenn Ihr sie billigt.
Herzog
.
Nicht ermahn’ ich nur,
Ich forde, daß sie’s tut.
Isabella
.
Zu sagen habt Ihr wenig;
Nur, wenn Ihr von ihm scheidet, leis’ und schwach: –
»Gedenkt jetzt meines Bruders! –«
Mariane
.
Fürchtet nichts!
Herzog
.
Auch Ihr, geliebte Tochter, fürchtet nichts!
Er ist mit Euch vermählt durch sein Verlöbnis:
Euch so zusammenfügen ist nicht Sünde,
Weil Eures Anspruchs unbestrittnes Recht
Den Trug zur Wohltat macht. Kommt, geht hinein;
Wer ernten will, muß erst den Samen streun.
Gehn ab.
¶
Zweite Szene
Ein Zimmer im Gefängnis.
Der Schließer und Pompejus treten auf.
Schliesser
. Kommt einmal her, Bursch; könnt Ihr wohl einem Menschen den Kopf abschlagen?
Pompejus
. Wenn der Mensch ein Junggesell ist, Herr, so kann ich’s; ist’s aber ein verheirateter Mann, so ist er seines Weibes Haupt; und ich kann unmöglich einen Weiberkopf abschlagen.
Schliesser
. Hört, Freund, laßt die Narrenspossen und antwortet mir geradezu. Morgen früh sollen Claudio und Bernardino sterben; wir haben hier im Gefängnis unsern gewöhnlichen Scharfrichter, der einen Gehülfen im Dienst braucht: wenn Ihr’s übernehmen wollt, ihm beizustehn, so sollt Ihr von Euem Fußschellen loskommen; wo nicht, so habt Ihr Eure volle Zeit im Gefängnis auszuhalten, und beim Abschied noch ein unbarmherziges Auspeitschen, denn Ihr seid ein stadtkündiger Kuppler gewesen.
Pompejus
. Herr, ich bin seit undenklicher Zeit ein unzünftiger Kuppler gewesen; aber jetzt will ich mir’s gefallen lassen, ein zünftiger Henker zu werden. Es soll mir ein Vergnügen sein, einigen Unterricht von meinem Amtsbruder zu erhalten.
Schliesser
. Heda, Grauslich! Wo stecktst du, Grauslich?
Grauslich kommt.
Grauslich
. Ruft Ihr, Herr? –
Schliesser
. Seht einmal, hier ist ein Bursch, der Euch morgen bei der Hinrichtung helfen soll; wenn’s Euch recht ist, so nehmt ihn an auf ein Jahr und behaltet ihn hier bei Euch; wo nicht, so braucht ihn für diesmal und laßt ihn gehn. Ihr könnt euch wegen der Ehre nicht unter einander zanken, denn er ist ein Kuppler gewesen.
Grauslich
. Ein Kuppler? Pfui, da verunehrt er unsre Kunst.
Schliesser
. Ach, geht nur! Ihr wiegt gleich viel; eine Feder wird auf der Waage den Ausschlag geben. Ab.
Pompejus
. Wollt Ihr nicht eine Ausnahme mit mir machen? Denn bis auf Eure hängenden Augen nehmt Ihr Euch sehr gut aus. Ihr nennt also Eure Hantierung eine Kunst?
Grauslich
. Ja, Herr, eine Kunst.
Pompejus
. Das Malen, Herr, habe ich sagen hören, sei eine Kunst; und da die Huren, Herr, unter deren Regiment ich gedient habe, sich aufs Malen verstehn, so folgt, daß meine Hantierung eine Kunst sei: aber was für eine Kunst im Hängen sein sollte – und wenn Ihr mich hängen wolltet –, das kann ich nicht einsehn.
Grauslich
. Herr, es ist eine Kunst.
Pompejus
. Beweis?
Grauslich
. Jedes ehrlichen Mannes Anzug muß für einen Dieb passen.
Pompejus
. Freilich; denn sind Anzug und Halsschmuck ihm auch zu eng, der ehrliche Mann hält sie doch für weit genug; und findet Euer Dieb sie zu vollständig und derb, der ehrliche Mann hält sie für eng genug. Auf diese Weise muß jedes ehrlichen Mannes Anzug für den Dieb anpassend sein.
Der Schließer kommt zurück.
Schliesser
. Nun, seid ihr einig?
Pompejus
. Herr, ich will ihm dienen; denn ich sehe, so ein Henker hat doch ein bußfertigeres Gewerbe als so ein Kuppler; er bittet öfter um Vergebung.
Schliesser
. Ihr da, haltet Euer Beil und Euern Block auf morgen um vier Uhr in Bereitschaft!
Grauslich
. Komm mit, Kuppler, ich will dich in meiner Hantierung unterrichten; folge mir!
Pompejus
. Ich bin sehr wißbegierig, Herr, und ich hoffe, wenn Ihr einmal Gelegenheit habt, mich für Euch selbst zu brauchen, Ihr sollt mich rührig finden; und wahrhaftig, Herr, Ihr habt so viel Güte für mich, daß ich Euch wieder gefällig sein möchte.
Schliesser
.
Ruft mir jetzt Bernardin und Claudio her: –
Grauslich und Pompejus gehn ab.
Der tut mir leid, doch jener
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