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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Mörder nicht,
    Und wär’s mein Sohn, verfiel er dem Gericht.
    Claudio tritt auf.
    Hier ist dein Todesurteil, Claudio, lies!
    Jetzt ist es Mitternacht; um acht Uhr früh
    Gehst du zur Ewigkeit. – Wo ist Bernardin?
    Claudio
.
    So fest im Schlafe wie schuldlose Arbeit,
    Wenn sie des Wandrers Glieder schwer belastet;
    Er wird nicht wach.
    Schliesser
.
    Ihm kann auch keiner helfen.
    Nun geht, bereitet Euch! – Horcht, welch Geräusch?
    Man hört klopfen. Claudio geht ab.
    Gott woll’ Euch Trost verleihn! Schon gut, ich komme! –
    Ich hoff’, es ist Begnad’gung oder Aufschub
    Für unsern guten Claudio. – Willkommen, Vater! –
    Der Herzog tritt auf.
    Herzog
.
    Der Nacht heilsamste, beste Geisterschar
    Umgeb’ Euch, guter Schließer! War hier niemand?
    Schliesser
.
    Seitdem die Abendglock’ ertönte, niemand.
    Herzog
.
    Nicht Isabella?
    Schliesser
.
    Nein.
    Herzog
.
    Dann kommen sie.
    Schliesser
.
    Ist Trost für Claudio?
    Herzog
.
    Ein’ge Hoffnung bleibt.
    Schliesser
.
    Das ist ein harter Richter! –
    Herzog
.
    Das nicht! Das nicht! Sein Leben folgt genau
    Der strengen Richtschnur seines ernsten Rechts.
    In heiliger Enthaltsamkeit bezwingt er
    An sich, was seine Herrschermacht mit Nachdruck
    In andern strebt zu dämpfen. Schwärzt’ ihn selbst,
    Was er bestraft, dann wär’ er ein Tyrann;
    Doch so ist er gerecht. – Jetzt sind sie da. –
    Es wird geklopft. Schließer ab.
    Der Mann ist mild! Und selten, daß geneigt
    Der harte Schließer sich dem Menschen zeigt!
    Was gibt’s? Wer pocht? Das ist ein hast’ger Geist,
    Der so mit Klopfen schlägt ans stille Tor! –
    Der Schließer kommt zurück und spricht zu einem draußen.
    Schliesser
.
    Laßt ihn noch warten, bis der Pförtner kommt
    Ihn einzulassen; er ist unterwegs.
    Herzog
.
    Ward der Befehl noch nicht zurückgenommen?
    Muß Claudio morgen sterben?
    Schliesser
.
    Keine Änd’rung!
    Herzog
.
    Wie nah die Dämm’rung, Schließer, dennoch hoff’ ich,
    Vor Tagesanbruch hört Ihr mehr.
    Schliesser
.
    Vielleicht
    Wißt Ihr etwas. Doch fürcht’ ich sehr, ihm wird
    Begnad’gung nicht. Nie ward solch Beispiel kund;
    Und überdies hat selbst vom Richterstuhl
    Lord Angelo dem Ohr des ganzen Volks
    Das Gegenteil erklärt.
    Ein Bote kommt.
    Herzog
. Ein Diener des Regenten!
    Schliesser
. Der bringt für Claudio die Begnadigung.
    Bote
. Mein Herr sendet Euch diese Zeilen, und durch mich den mündlichen Auftrag, daß Ihr nicht von dem kleinsten Punkt derselben abweichen sollt, weder in Zeit, Inhalt, noch sonst einem Umstand. – Guten Morgen, denn ich denke, der Tag bricht schon an. Bote geht ab.
    Schliesser
. Ich werde gehorchen.
    Herzog
.
    Sein Gnadenbrief! Erkauft durch solche Sünden,
    Die den Begnad’ger selbst als Frevler künden!
    Da blüht den Lastern schnell und leicht Gedeihn,
    Wo Macht und Hoheit ihnen Schutz verleihn.
    Wirkt Sünde Huld, wird zu viel Huld geübt,
    Weil sie des Frevels halb den Frevel liebt. –
    Nun, Herr? Was schreibt er Euch?
    Schliesser
. Wie gesagt, Lord Angelo, der mich vermutlich nachlässig im Dienst glaubt, ermuntert mich durch dies ungewöhnliche Treiben. Mir scheint dies seltsam, denn es war früher nie seine Gewohnheit.
    Herzog
. Ich bitt’ Euch, laßt doch hören!
    Schliesser
liest. »Was Ihr auch immer vom Gegenteil hören mögt, laßt Claudio um vier Uhr hinrichten, und nachmittags den Bernardin. Zu besserer Versicherung schickt mir Claudios Kopf um fünf. Laßt dies genau vollzogen werden, und seid eingedenk, daß mehr hieran liegt, als wir Euch für jetzt mitteilen dürfen. Verfehlt daher nicht, Eure Pflicht zu tun, indem Ihr auf eigne Gefahr dafür stehen müßt.« – Was sagt Ihr dazu, Herr? –
    Herzog
. Wer ist der Bernardin, der diesen Nachmittag enthauptet werden soll?
    Schliesser
. Ein Zigeuner von Geburt, doch hier im Lande erzogen und groß geworden; er sitzt schon seit neun Jahren gefangen. –
    Herzog
. Wie kommt es, daß ihn der abwesende Herzog nicht entweder in Freiheit setzte oder hinrichten ließ? Wie ich höre, pflegte er immer so zu verfahren.
    Schliesser
. Seine Freunde wirkten beständig Aufschub für ihn aus, und in der Tat ward sein Verbrechen erst unter Lord Angelos Regierung unzweifelhaft erwiesen.
    Herzog
. Ist es jetzt dargetan? –
    Schliesser
. Ganz offenbar, und von ihm selbst eingestanden.
    Herzog
. Hat er Reue im Gefängnis an den Tag gelegt? Scheint er gerührt zu sein?
    Schliesser
. Ein Mensch, dem der Tod nicht fürchterlicher vorkommt als ein Weinrausch; sorglos,

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