Sämtliche Dramen
Kommt jetzt! –
Lucio
. Fort, ins Hundeloch, Pompejus! Fort! –
Elbogen, Pompejus und Gerichtsdiener gehn ab.
Was gibt’s Neues vom Herzog, Pater?
Herzog
. Ich weiß nichts; könnt Ihr mir etwas mitteilen?
Lucio
. Einige sagen, er sei beim Kaiser von Rußland; andre, er sei nach Rom gereist. Wo meint Ihr, daß er sei?
Herzog
. Ich weiß es nicht, aber wo er sein mag, wünsch’ ich ihm Gutes.
Lucio
. Das war ein toller, phantastischer Einfall von ihm, sich aus dem Staat wegzustehlen und sich auf die Bettelei zu werfen, zu der er nun einmal nicht geboren ist. Lord Angelo herzogt indes recht tapfer in seiner Abwesenheit; er nimmt das galante Wesen rechtschaffen ins Gebet.
Herzog
. Daran tut er wohl.
Lucio
. Ein wenig mehr Milde für die Lüderlichkeit könnte ihm nicht schaden, Pater; etwas zu sauertöpfisch in dem Punkt, Pater.
Herzog
. Es ist ein zu allgemeines Laster, und nur Strenge kann es heilen.
Lucio
. Freilich, das Laster ist von großer Familie und vornehmer Verwandtschaft; aber es ist unmöglich, es ganz auszurotten, Pater, man müßte denn Essen und Trinken abschaffen. Man sagt, der Angelo sei gar nicht auf dem ordentlichen Wege der Natur von Mann und Weib erzeugt. Sollte das wohl wahr sein? Was meint Ihr?
Herzog
. Wie wäre er denn erzeugt?
Lucio
. Einige erzählen, eine Meernixe habe ihn gelaicht; andre, er sei von zwei Stockfischen in die Welt gesetzt: aber das ist gewiß, daß, wenn er sein Wasser abschlägt, der Urin gleich zu Eis gefriert; daran ist nicht der mindeste Zweifel. Er ist eine Marionette ohne Zeugungskraft, das kann nicht in Abrede gestellt werden.
Herzog
. Ihr scherzt, mein Herr, und führt lose Reden.
Lucio
. Zum Henker, ist denn das nicht eine unbarmherzige Manier, um eines rebellischen Hosenlatzes willen einem Mann das Leben zu nehmen? Hätte der Herzog, der jetzt abwesend ist, das wohl je getan? Ehe der einen hätte hängen lassen um hundert Bastarde, hätte er das Kostgeld für ein ganzes Tausend aus seiner Tasche bezahlt. Er war kein Kostverächter, er verstand den Dienst, und das machte ihn nachsichtig.
Herzog
. Ich habe nie gehört, daß man den abwesenden Herzog eben mit Weibern in Verdacht gehabt hätte; er hatte dazu keinen Hang.
Lucio
. O Herr, da seid Ihr im Irrtum! –
Herzog
. Unmöglich!
Lucio
. Was? Der Herzog nicht? Ja doch! Fragt nur Euer altes fünfzigjähriges Bettelweib; er pflegte ihr immer einen Dukaten in ihre Klapperbüchse zu stecken. Der Herzog hatte seine Nücken; er war auch gern betrunken: das glaubt mir auf mein Wort!
Herzog
. Ganz gewiß, Ihr tut ihm Unrecht.
Lucio
. Herr, ich war sein vertrauter Freund; ein Duckmäuser war der Herzog, und ich glaube, ich weiß, warum er davon gegangen ist.
Herzog
. Nun, sagt mir doch, warum denn?
Lucio
. Nein, um Vergebung, das ist ein Geheimnis, das man zwischen Zähnen und Lippen verschließen muß. Aber so viel kann ich Euch doch zu verstehn geben: der größte Teil seiner Untertanen hielt den Herzog für einen verständigen Mann.
Herzog
. Verständig? Nun, das war er auch ohne Frage!
Lucio
. Ein sehr oberflächlicher, unwissender, unbrauchbarer Gesell!
Herzog
. Entweder ist dies Neid, oder Narrheit von Euch, oder Irrtum; der ganze Lauf seines Lebens, die Art, wie er das Staatsruder geführt, würden, wenn es der Bürgschaft bedürfte, ein besseres Zeugnis von ihm ablegen. Laßt ihn nur nach dem beurteilt werden, wie er sich gezeigt hat, und er wird dem Neide selbst als ein Gelehrter, ein Staatsmann und ein Soldat erscheinen. Deshalb redet Ihr ohne Einsicht; oder wenn Ihr mehr Verstand habt, wird er sehr von Eurer Bosheit verfinstert.
Lucio
. Herr, ich kenne ihn und liebe ihn.
Herzog
. Liebe spricht mit beßrer Einsicht, und Einsicht mit mehr Liebe.
Lucio
. Ei was, Herr, ich weiß, was ich weiß.
Herzog
. Das kann ich kaum glauben, da Ihr nicht wißt, was Ihr sprecht. Aber wenn der Herzog je zurückkehrt (wie wir alle beten, daß es geschehn möge), so laßt mich Euch ersuchen, Euch vor ihm zu verantworten. Habt Ihr der Wahrheit gemäß gesprochen, so habt Ihr Mut, es zu vertreten.
Meine Pflicht ist; Euch dazu aufzufodern; und deshalb bitt’ ich Euch, wie ist Euer Name?
Lucio
. Herr, mein Name ist Lucio; der Herzog kennt mich.
Herzog
. Er wird Euch noch besser kennen lernen, wenn ich so lange lebe, daß ich ihm Nachricht von Euch geben kann.
Lucio
. Ich fürchte Euch nicht.
Herzog
. Oh, Ihr hofft, der Herzog werde nicht zurückkehren, oder Ihr haltet mich für einen zu
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