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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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muß noch diese Stunde herunter; deiner Geliebten wird Gewalt angetan; deine Kleider vor deinen Augen in Stücke gerissen, und wenn das vorbei ist, treibe ich sie mit Fußstößen zu ihrem Vater zurück, der vielleicht etwas böse über mein zu hartes Verfahren sein wird; aber meine Mutter, die seine wunderlichen Launen ganz beherrscht, wird alles zu meinem Besten kehren. Mein Pferd hab’ ich angebunden. Heraus, Schwert, zu deinem tödlichen Werk! Fortuna, gib sie in meine Hand! Dies muß gerade der Platz sein, wo sie sich treffen wollten; und der Kerl wagt wohl nicht, mich zu hintergehen. Geht ab.
    ¶

Zweite Szene
    Vor der Höhle.
    Bellarius, Guiderius, Arviragus und Imogen kommen aus der Höhle.
    Bellarius
.
    Du bist nicht wohl: drum bleib’ hier in der Höhle:
    Wir kommen zu dir nach der Jagd.
    Arviragus
.
    Bleib’, Bruder!
    Sind wir nicht Brüder?
    Imogen
.
    Das sollte Mensch dem Menschen immer sein;
    Doch gibt sich Staub vor Staub der Hoheit Schein,
    Ist beider Staub auch gleich. Ich bin recht krank.
    Guiderius
.
    Geht ihr zum Jagen, ich will bei ihm bleiben.
    Imogen
.
    Nein, so krank bin ich nicht! – und doch nicht wohl;
    Doch solch verwöhnter Städter nicht, der glaubt
    Zu sterben, eh’ er krankt: drum geht, und laßt mich;
    Folgt eurem Tagsgeschäft; Gewohnheit stören,
    Heißt alles stören. Ich bin krank; doch hilft mir
    Eu’r Bleiben nicht: Gesellschaft ist kein Trost
    Dem Ungesell’gen; ich bin nicht sehr krank,
    Ich kann noch drüber reden. Laßt das Haus
    Mich hüten! Nur mich selbst werd’ ich berauben,
    Und wenn ich sterb’, ist’s nur ein kleiner Diebstahl.
    Guiderius
.
    Ich liebe dich, ich hab’s gesagt, so innig
    Wie selbst den Vater nur.
    Bellarius
.
    Wie! Was ist das?
    Arviragus
.
    Ist’s Sünde, das zu sagen, trag’ ich auch
    Des Bruders Schuld: ich weiß es nicht, warum
    Ich diesen Jüngling lieb’; Ihr sagtet einst,
    Der Liebe Grund sei grundlos; wenn die Bahre
    Hier ständ’, und einer müßte sterben, spräch’ ich:
    »Mein Vater, nicht der Jüngling!«
    Bellarius
für sich.
    Hohes Streben!
    O Adel der Natur und großer Ursprung!
    Schlecht stammt von schlecht, niedrig von niedrig nur,
    Mehl hat und Kleie, Huld und Schmach Natur:
    Ich bin ihr Vater nicht, doch wundervoll,
    Daß mehr als mich man diesen lieben soll! –
    Es ist des Morgens neunte Stunde.
    Arviragus
.
    Bruder,
    Leb wohl!
    Imogen
.
    Euch Glück!
    Arviragus
.
    Dir Beßrung! – Woll’n wir gehn!
    Imogen
für sich.
    Wie freundliche Geschöpfe! Gott, wie lügt man!
    Der Hofmann sagt, was nicht am Hof, sei wild:
    Erfahrung, ach, du zeigst ein andres Bild!
    Das tiefe Meer zeugt Ungeheu’r, indessen
    Der Bach manch süßen Fisch uns gibt zum Essen.
    Ich bin wohl krank, recht herzensmatt – Pisanio,
    Dein Mittel kost’ ich jetzt.
    Guiderius
.
    Nichts bracht’ ich ’raus:
    Er sprach, er sei von Adel, doch im Elend;
    Unredlich zwar gekränkt, doch redlich selbst.
    Arviragus
.
    Die Antwort gab er mir; doch sagte dann,
    Einst würd’ ich mehr erfahren.
    Bellarius
.
    Fort, zum Wald: –
    Wir lassen Euch indes; ruht in der Höhle!
    Arviragus
.
    Wir bleiben lang’ nicht aus.
    Bellarius
.
    Und sei nicht krank,
    Du bist ja unsre Hausfrau.
    Imogen
.
    Wohl und übel,
    Euch stets verbunden.
    Bellarius
.
    Und das sollst du bleiben.
    Imogen geht ab.
    Wie kummervoll der Knab’ auch ist, so scheint er
    Doch edlen Bluts.
    Arviragus
.
    Wie engelgleich er singt!
    Guiderius
.
    Und seine Kochkunst –
    Arviragus
.
    Wurzeln schnitzt er zierlich,
    Und würzt die Brüh’n, als wäre Juno krank,
    Und er ihr Pfleger. Und wie lieblich paart er
    Seufzer mit Lächeln, gleich als wenn der Seufzer
    Beseufzte, daß er nicht solch Lächeln sei;
    Als spottete das Lächeln jenes Seufzers,
    Der aus so holdem Tempel flieht, um sich
    Mit Sturm zu mischen, den der Seemann schilt.
    Guiderius
.
    Ich seh’ Geduld und Kummer, so verwachsen,
    Daß sie die Wurzeln in einander schlingen.
    Arviragus
.
    O wachse du Geduld!
    Und möchte vom Holunder Gram, dem bösen,
    Des süßen Weinstocks Wurzel ab sich lösen!
    Bellarius
.
    ’s ist hoch am Tage. Fort! – Doch wer kommt da?
    Cloten tritt auf.
    Cloten
.
    Ich finde die Landstreicher nicht; gehöhnt
    Hat mich der Schuft: – nun bin ich matt.
    Bellarius
.
    Landstreicher?
    Meint er nicht uns? Kenn’ ich ihn nicht? – Es ist
    Cloten, der Kön’gin Sohn. Verrat besorg’ ich.
    Ich sah ihn manches Jahr nicht, und weiß doch,
    Er ist’s: – da vogelfrei wir sind: hinweg!
    Guiderius
.
    Es ist nur einer ;

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