Sämtliche Dramen
dafür. Kommt, singt, und wer nicht mag, halte sein Maul!
Amiens
. Gut, ich will das Lied zu Ende bringen. – Ihr Herren, deckt indes die Tafel: der Herzog will unter diesem Baum trinken, – er ist den ganzen Tag nach Euch aus gewesen.
Jaques
. Und ich bin ihm den ganzen Tag aus dem Wege gegangen. Er ist ein zu großer Disputierer für mich. Es gehn mir so viele Gedanken durch den Kopf als ihm, aber ich danke dem Himmel, und mache kein Wesens davon. Kommt, trillert eins her!
Lied
Alle zusammen
.
Wer Ehrgeiz sich hält fern,
Lebt in der Sonne gern,
Selbst sucht, was ihn ernährt,
Und was er kriegt, verzehrt:
Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!
Hier nagt und sticht
Kein Feind ihn nicht,
Als Wetter, Regen und Winde.
Jaques
. Ich will Euch einen Vers zu dieser Weise sagen, den ich gestern meiner Dichtungsgabe zum Trotz gemacht habe.
Amiens
. Und ich will ihn singen.
Jaques
. So lautet er:
Besteht ein dummer Tropf
Auf seinem Eselskopf,
Läßt seine Füll’ und Ruh’,
Und läuft der Wildnis zu:
Duc ad me! duc ad me! duc ad me!
Hier sieht er mehr
So Narr’n wie er,
Wenn er zu mir will kommen her.
Amiens
. Was heißt das: duc ad me?
Jaques
. Es ist eine griechische Beschwörung, um Narren in einen Kreis zu bannen. Ich will gehn und schlafen, wenn ich kann; kann ich nicht, so will ich auf alle Erstgeburt in Ägypten lästern.
Amiens
. Und ich will den Herzog aufsuchen: sein Mahl ist bereitet.
Von verschiednen Seiten ab.
¶
Sechste Szene
Ein andrer Teil des Waldes.
Orlando und Adam treten auf.
Adam
. Liebster Herr, ich kann nicht weiter gehn; ach, ich sterbe vor Hunger! Hier werfe ich mich hin und messe mir mein Grab. Lebt wohl, bester Herr!
Orlando
. Ei was, Adam! Hast du nicht mehr Herz? Lebe noch ein wenig, stärke dich ein wenig, ermuntre dich ein wenig! Wenn dieser rauhe Wald irgendein Gewild hegt, so will ich ihm entweder zur Speise dienen, oder es dir zur Speise bringen. Deine Einbildung ist dem Tode näher als deine Kräfte. Mir zu Liebe sei getrost! Halt’ dir den Tod noch eine Weile vom Leibe: Ich will gleich wieder bei dir sein, und wenn ich dir nicht etwas zu essen bringe, so erlaube ich dir zu sterben; aber wenn du stirbst, ehe ich komme, so hast du mich mit meiner Mühe zum besten. – Gut! gut! du siehst munter aus, und ich bin gleich wieder bei dir. Aber du liegst in der scharfen Luft: komm, ich will dich hintragen, wo Überwind ist, und du sollst nicht aus Mangel an einer Mahlzeit sterben, wenn es irgend was Lebendiges in dieser Einöde gibt. Mut, gefaßt, guter Adam!
Beide ab.
¶
Siebente Szene
Ein andrer Teil des Waldes.
Ein gedeckter Tisch.
Der Herzog, Amiens, Edelleute und Gefolge treten auf.
Herzog
.
Ich glaub’, er ist verwandelt in ein Tier,
Denn nirgends find’ ich ihn in Mannsgestalt.
Erster Edelmann
.
Mein Fürst, er ging soeben von hier weg,
Und war vergnügt, weil wir ein Lied ihm sangen.
Herzog
.
Wenn er, ganz Mißlaut, musikalisch wird,
So gibt’s bald Dissonanzen in den Sphären. –
Geht, sucht ihn, sagt, daß ich ihn sprechen will!
Jaques tritt auf.
Erster Edelmann
.
Er spart die Mühe mir durch seine Ankunft.
Herzog
.
Wie nun, mein Herr? Was ist denn das für Art,
Daß Eure Freunde um Euch werben müssen?
Was? Ihr seht lustig aus?
Jaques
.
Ein Narr! ein Narr! – Ich traf ’nen Narr’n im Walde,
’nen scheck’gen Narr’n, – o jämmerliche Welt! –
So wahr mich Speise nährt, ich traf ’nen Narr’n,
Der streckte sich dahin und sonnte sich,
Und schimpfte Frau Fortuna ganz beredt
Und ordentlich, – und doch ein scheck’ger Narr!
»Guten Morgen, Narr!« sagt’ ich; »Mein Herr«, sagt’ er,
»Nennt mich nicht Narr, bis mich das Glück gesegnet.«
Dann zog er eine Sonnenuhr hervor,
Und wie er sie besah mit blödem Auge,
Sagt’ er sehr weislich: »Zehn ist’s an der Uhr.
Da sehn wir nun«, sagt’ er, »wie die Welt läuft:
’s ist nur ’ne Stunde her, da war es neun,
Und nach ’ner Stunde noch wird’s elfe sein;
Und so von Stund’ zu Stunde reifen wir,
Und so von Stund’ zu Stunde faulen wir,
Und daran hängt ein Märlein.« Da ich hörte
So pred’gen von der Zeit den scheck’gen Narr’n,
Fing meine Lung’ an, wie ein Hahn zu krähn,
Daß Narr’n so tiefbedächtig sollten sein;
Und eine Stunde lacht’ ich ohne Rast
Nach seiner Sonnenuhr. – O wackrer Narr!
Ein würd’ger Narr! Die Jacke lob’ ich mir!
Herzog
.
Was ist das für ein Narr?
Jaques
.
Ein würd’ger Narr! Er
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