Sämtliche Dramen
Stadt,
Auf eignem Grund mit hak’gen Spitzen blutig
Die runden Hüften reißen.
Erster Edelmann
.
Ja, mein Fürst,
Den melanchol’schen Jaques kränkt dies sehr,
Er schwört, daß Ihr auf diesem Weg mehr Unrecht
Als Euer Bruder übt, der Euch verbannt.
Heut schlüpften ich und Amiens hinter ihn,
Als er sich hingestreckt an einer Eiche,
Wovon die alte Wurzel in den Bach
Hineinragt, der da braust den Wald entlang.
Es kam dahin ein arm verschüchtert Wild,
Das von des Jägers Pfeil beschädigt war,
Um auszuschmachten; und gewiß, mein Fürst,
Das arme Tier stieß solche Seufzer aus,
Daß jedesmal sein ledern Kleid sich dehnte
Zum Bersten fast: und dicke runde Tränen
Längs der unschuld’gen Nase liefen kläglich
Einander nach; und der behaarte Narr,
Genau bemerkt vom melanchol’schen Jaques,
Stand so am letzten Rand des schnellen Bachs,
Mit Tränen ihn vermehrend.
Herzog
.
Nun, und Jaques?
Macht’ er dies Schauspiel nicht zur Sittenpredigt?
Erster Edelmann
.
O ja, in tausend Gleichnissen. Zuerst
Das Weinen in den unbedürft’gen Strom:
»Ach, armer Hirsch!« so sagt’ er, »wie der Weltling
Machst du dein Testament, gibst dem den Zuschuß,
Der schon zu viel hat.« – Dann, weil er allein
Und von den samtnen Freunden war verlassen:
»Recht!« sagt’ er, »so verteilt das Elend stets
Des Umgangs Flut.« – Alsbald ein Rudel Hirsche,
Der Weide voll, sprang sorglos an ihm hin,
Und keiner stand zum Gruße. »Ja«, rief Jaques,
»Streift hin, ihr fetten, wohlgenährten Städter!
So ist die Sitte eben: warum schaut ihr
Nach dem bankrotten armen Schelme da?«
Auf diese Art durchbohrt er schmähungsvoll
Den Kern vom Lande, Stadt und Hof, ja selbst
Von diesem unsern Leben; schwört, daß wir
Nichts als Tyrannen, Räuber, Schlimmres noch,
Weil wir die Tiere schrecken, ja sie töten,
In ihrem eignen heimatlichen Sitz.
Herzog
.
Und ließet ihr in der Betrachtung ihn?
Erster Edelmann
.
Ja, gnäd’ger Herr, beweinend und besprechend
Das schluchzende Geschöpf.
Herzog
.
Zeigt mir den Ort,
Ich lasse gern in diesen düstern Launen
Mich mit ihm ein: er ist dann voller Sinn.
Erster Edelmann
.
Ich will Euch zu ihm bringen.
Ab.
¶
Zweite Szene
Ein Zimmer im Palaste.
Herzog Friedrich, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf.
Herzog Friedrich
.
Ist es denn möglich, daß sie niemand sah?
Es kann nicht sein: nein, Schurken hier am Hof
Sind im Verständnis mit, und gaben’s zu.
Erster Edelmann
.
Ich kann von niemand hören, der sie sah.
Die Frau’n im Dienste ihrer Kammer brachten
Sie in ihr Bett, und fanden morgens früh
Das Bett von ihrem Fräulein ausgeleert.
Zweiter Edelmann
.
Mein Herzog, der Hanswurst, den Euer Hoheit
Oft zu belachen pflegt, wird auch vermißt.
Hesperia, der Prinzessin Kammerfräulein,
Bekennt, sie habe insgeheim belauscht,
Wie Eure Nicht’ und Tochter überaus
Geschick und Anstand jenes Ringers lobten,
Der jüngst den nerv’gen Charles niederwarf;
Sie glaubt, wohin sie auch gegangen sind,
Der Jüngling sei gewißlich ihr Begleiter.
Herzog Friedrich
.
Schickt hin zum Bruder, holt den Braven her;
Ist er nicht da, so bringt mir seinen Bruder:
Der soll ihn mir schon finden. Tut dies schnell,
Laßt Nachsuchung und Forschen nicht ermatten,
Die törichten Verlaufnen heim zu bringen.
Ab.
¶
Dritte Szene
Vor Olivers Hause.
Orlando und Adam begegnen sich.
Orlando
.
Wer ist da?
Adam
.
Was? Ihr, mein junger Herr? – O edler Herr!
O mein geliebter Herr! O Ihr, Gedächtnis
Des alten Roland! Sagt, was macht Ihr hier?
Weswegen übt Ihr Tugend? schafft Euch Liebe?
Und warum seid Ihr edel, stark und tapfer?
Was wart Ihr so erpicht, den stämm’gen Kämpfer
Des launenhaften Herzogs zu bezwingen?
Eu’r Ruhm kam allzu schnell vor Euch nach Haus.
Wißt Ihr nicht, Junker, daß gewissen Leuten
All ihre Gaben nur als Feinde dienen?
So, bester Herr, sind Eure Tugenden
An Euch geweihte, heilige Verräter.
Oh, welche Welt ist dies, wenn das, was herrlich,
Den, der es hat, vergiftet!
Orlando
.
Nun denn, was gibt’s?
Adam
.
O unglücksel’ger Jüngling!
Geht durch dies Tor nicht: unter diesem Dach
Lebt aller Eurer Trefflichkeiten Feind.
Eu’r Bruder – nein, kein Bruder, doch der Sohn –
Nein, nicht der Sohn; ich will nicht Sohn ihn nennen
Des, den ich seinen Vater heißen wollte, –
Hat Euer Lob gehört, und denkt zu Nacht
Die Wohnung zu verbrennen, wo Ihr liegt,
Und Euch darinnen. Schlägt ihm dieses
Weitere Kostenlose Bücher