Sämtliche Dramen
nicht, Herr, ich stehe mich gut bei der Kirche, denn ich stehe mich gut in meinem Hause, und mein Haus steht bei der Kirche.
Viola
. So könntest du auch sagen, der König stände sich gut bei einer Bettlerin, wenn die Bettlerin bei ihm steht, oder die Kirche stände sich gut bei der Trommel, wenn die Trommel bei der Kirche steht.
Narr
. Richtig, Herr. – Seht mir doch dies Zeitalter! Eine Redensart ist nur ein lederner Handschuh für einen witzigen Kopf: wie geschwind kann man die verkehrte Seite herauswenden!
Viola
. Ja, das ist gewiß; wer artig mit Worten tändelt, kann sie geschwind leichtfertig machen.
Narr
. Darum wollte ich, man hätte meiner Schwester keinen Namen gegeben.
Viola
. Warum, Freund?
Narr
. Ei, Herr, ihr Name ist ein Wort, und das Tändeln mit dem Wort könnte meine Schwester leicht fertig machen. Aber wahrhaftig, Worte sind rechte Hundsfötter, seit Verschreibungen sie zuschanden gemacht haben.
Viola
. Dein Grund?
Narr
. Meiner Treu, Herr, ich kann Euch keinen ohne Worte angeben, und Worte sind so falsch geworden, daß ich keine Gründe darauf bauen mag.
Viola
. Ich wette, du bist ein lustiger Bursch und kümmerst dich um nichts.
Narr
. Nicht doch, Herr, ich bekümmere mich um etwas. Aber auf Ehre, ich kümmere mich nicht um Euch; wenn das heißt, sich um nichts kümmern, so wünschte ich, es möchte Euch unsichtbar machen.
Viola
. Bist du nicht Fräulein Olivias Narr?
Narr
. Keinesweges, Herr. Fräulein Olivia hat keine Narrheit; sie wird keinen Narren halten, bis sie verheiratet ist; und Narren verhalten sich zu Ehemännern wie Sardellen zu Heringen: der Ehemann ist der größte von beiden. Ich bin eigentlich nicht ihr Narr, sondern ihr Wortverdreher.
Viola
. Ich sah dich neulich beim Grafen Orsino.
Narr
. Narrheit, Herr, geht rund um die Welt; sie scheint allenthalben. Es täte mir leid, wenn der Narr nicht so oft bei Euerm Herrn als bei meinem Fräulein wäre. Mich deucht, ich sah Eure Weisheit daselbst.
Viola
. Wenn du mich zum besten haben willst, so habe ich nichts mehr mit dir zu schaffen. Nimm, da hast du was zu deiner Ergötzlichkeit.
Narr
. Nun, möge dir Jupiter das nächste Mal, daß er Haare übrig hat, einen Bart zukommen lassen!
Viola
. Wahrhaftig, ich sage dir, ich verschmachte fast nach einem, ob ich gleich nicht wollte, daß er auf meinem Kinne wüchse. Ist dein Fräulein zu Hause?
Narr
auf das Geld zeigend. Sollte nicht ein Paar von diesen jungen?
Viola
. Ja, wenn man sie zusammenhielte und gehörig wirtschaften ließe.
Narr
. Ich wollte wohl den Herrn Pandarus von Phrygien spielen, um diesem Troilus eine Cressida zuzuführen.
Viola
. Ich verstehe Euch: Ihr bettelt gut.
Narr
. Ich denke, es ist keine große Sache, da ich nur um eine Bettlerin bettle. Cressida war eine Bettlerin. Mein Fräulein ist zu Haus, Herr. Ich will ihr bedeuten, woher Ihr kommt; wer Ihr seid, und was Ihr wollt, das liegt außer meiner Sphäre; ich könnte sagen: »Horizont«, aber das Wort ist zu abgenutzt. Ab.
Viola
.
Der Bursch ist klug genug, den Narr’n zu spielen,
Und das geschickt tun, fodert ein’gen Witz.
Die Laune derer, über die er scherzt,
Die Zeiten und Personen muß er kennen
Und wie der Falk auf jede Feder schießen,
Die ihm vors Auge kommt. Dies ist ein Handwerk,
So voll von Arbeit als des Weisen Kunst.
Denn Torheit, weislich angebracht, ist Witz;
Doch wozu ist des Weisen Torheit nütz?
Junker Tobias und Junker Christoph kommen.
Junker Tobias
. Gott grüß’ Euch, Herr!
Viola
. Euch gleichfalls, Herr!
Junker Christoph
. Dieu vous garde, Monsieur.
Viola
. Et vous aussi; votre serviteur.
Junker Christoph
. Hoffentlich seid Ihr’s, und ich bin der Eurige.
Junker Tobias
. Wollt Ihr unser Haus begrüßen? Meine Nichte wünscht, Ihr möchtet hineintreten, wenn Ihr ein Geschäft an sie habt.
Viola
. Ich bin Eurer Nichte verbunden; ich will sagen, ich bin verbunden, zu ihr zu gehn.
Junker Tobias
. So kostet Eure Beine, Herr, setzt sie in Bewegung!
Viola
. Meine Beine verstehn mich besser, Herr, als ich verstehe, was Ihr damit meint, daß ich meine Beine kosten soll.
Junker Tobias
. Ich meine, Ihr sollt gehn, hineintreten.
Viola
. Ich will Euch durch Gang und Eintritt antworten; aber man kommt uns zuvor.
Olivia und Maria kommen.
Vortreffliches, unvergleichliches Fräulein, der Himmel regne Düfte auf Euch herab!
Junker Christoph
. Der junge Mensch ist ein großer Hofmann: »Düfte regnen.« Schön!
Viola
. Mein Auftrag ist stumm, Fräulein,
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