Sämtliche Dramen
Grabe,
Wie jetzt dies Fleisch verbannt ist aus dem Lande:
Bekenne den Verrat, eh’ du entweichst;
Weil du so weit zu gehn hast, nimm nicht mit
Die schwere Bürde einer schuld’gen Seele!
Norfolk
.
Nein, Bolingbroke: war ich Verräter je,
So sei getilgt mein Nam’ im Buch des Lebens
Und ich verbannt vom Himmel, wie von hier!
Doch was du bist, weiß Gott und du und ich.
Und nur zu bald wird es den König reu’n.
Lebt wohl, mein Fürst! – Nicht fehlgehn kann ich jetzt:
Die weite Welt ist mir zum Ziel gesetzt.
Ab.
König Richard
.
Oheim, ich seh’ im Spiegel deiner Augen
Dein tiefbekümmert Herz; dein traur’ger Anblick
Hat vier aus seiner Zahl verbannter Jahre
Entrückt: –
Zu Bolingbroke.
sobald sechs frost’ge Winter aus,
Kehr’ du willkommen aus dem Bann nach Haus!
Bolingbroke
.
Wie lange Zeit liegt in so kleinem Wort!
Vier träge Winter und vier lust’ge Maien
Beschließt ein Wort, wenn Kön’ge Kraft ihm leihen.
Gaunt
.
Dank meinem Fürsten, daß er mir zu lieb
Vier Jahre meines Sohns Verbannung kürzt!
Allein ich ernte wenig Frucht davon.
Eh’ die sechs Jahre, die er säumen muß,
Die Monde wandeln und den Lauf vollenden,
Erlischt in ew’ger Nacht mein schwindend Licht,
Die Lampe, der vor Alter Öl gebricht;
Mit meinem Endchen Kerze ist’s geschehn,
Und blinder Tod läßt mich den Sohn nicht sehn.
König Richard
.
Ei, Oheim, du hast manches Jahr zu leben.
Gaunt
.
Nicht ’ne Minute, Herr, die du kannst geben.
Verkürzen kannst du meine Tag’ in Sorgen,
Mir Nächte rauben, leihn nicht einen Morgen;
Du kannst der Zeit wohl helfen Furchen ziehn,
Doch nicht sie hemmen in dem raschen Fliehn:
Ihr gilt dein Wort für meinen Tod sogleich,
Doch, tot, schafft keinen Odem mir dein Reich.
König Richard
.
Dein Sohn ist weisem Rat gemäß verbannt,
Wozu dein Mund ein Miturteil gegeben:
Nun scheinst du finster auf das Recht zu schaun?
Gaunt
.
Was süß schmeckt, wird oft bitter beim Verdau’n.
Ihr setztet mich als Richter zum Berater;
Oh, hießt Ihr doch mich reden wie ein Vater!
Wär’ er mir fremd gewesen, nicht mein Kind,
So war ich milder seinem Fehl gesinnt.
Parteien-Leumund sucht’ ich abzuwenden,
Und mußte so mein eignes Leben enden.
Ach! Ich schaut’ um, ob keiner spräche nun,
Ich sei zu streng, was mein, so wegzutun;
Doch der unwill’gen Zung’ habt ihr erlaubt,
Daß sie mich wider Willen so beraubt.
König Richard
.
Vetter, lebt wohl! – Und, Oheim, sorgt dafür:
Sechs Jahr’ ist er verbannt und muß von hier.
Trompetenstoß. König Richard und Gefolge ab.
Aumerle
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Vetter, lebt wohl! Was Gegenwart verwehrt
Zu sagen, melde Schrift von da, wo Ihr verkehrt.
Lord Marschall
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Kein Abschied, gnäd’ger Herr! denn ich will reiten,
So weit das Land verstattet, Euch zur Seiten.
Gaunt
.
Oh, zu was Ende sparst du deine Worte,
Daß du den Freunden keinen Gruß erwiderst?
Bolingbroke
.
Zu wen’ge hab’ ich, um von Euch zu scheiden,
Da reichlich Dienst die Zunge leisten sollte,
Des Herzens vollen Jammer auszuatmen.
Gaunt
.
Dein Gram ist nur Entfernung für ’ne Zeit.
Bolingbroke
.
Lust fern, Gram gegenwärtig für die Zeit.
Gaunt
.
Was sind sechs Winter? Sie sind bald dahin.
Bolingbroke
.
Im Glück, doch Gram macht zehn aus einer Stunde.
Gaunt
.
Nenn’s eine Reise, bloß zur Lust gemacht!
Bolingbroke
.
Mein Herz wird seufzen, wenn ich’s so mißnenne,
Und findet es gezwungne Pilgerschaft.
Gaunt
.
Den traur’gen Fortgang deiner müden Tritte
Acht’ einer Folie gleich, um drein zu setzen
Das reiche Kleinod deiner Wiederkehr!
Bolingbroke
.
Nein, eher wird mich jeder träge Schritt
Erinnern, welch ein Stück der Welt ich wandre
Von den Kleinodien meiner Liebe weg.
Muß ich nicht eine lange Lehrlingschaft
Auf fremden Bahnen dienen, und am Ende,
Bin ich nun frei, mich doch nichts weiter rühmen,
Als daß ich ein Gesell des Grames war?
Gaunt
.
Ein jeder Platz, besucht vom Aug’ des Himmels,
Ist Glückes-Hafen einem weisen Mann.
Lehr’ deine Not die Dinge so betrachten;
Es kommt der Not ja keine Tugend bei.
Denk’ nicht, daß dich der König hat verbannt,
Nein, du den König: Leid sitzt um so schwerer,
Wo es bemerkt, daß man nur schwach es trägt.
Geh, sag, daß ich dich ausgesandt nach Ehre,
Nicht, daß der Fürst dich bannte; oder glaube,
Verschlingend hänge Pest in unsrer Luft,
Und du entfliehst zu einem reinern Himmel.
Was deine Seele wert hält, stell’ dir vor
Da, wo du
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