Sämtliche Dramen
hingehst, nicht, woher du kommst:
Die Singevögel halt’ für Musikanten,
Das Gras für ein bestreutes Prunkgemach,
Für schöne Frau’n die Blumen, deine Tritte
Für nichts als einen angenehmen Tanz:
Denn knirschend Leid hat minder Macht, zu nagen
Den, der es höhnt und nichts danach will fragen.
Bolingbroke
.
Oh, wer kann Feu’r dadurch in Händen halten,
Daß er den frost’gen Kaukasus sich denkt?
Und wer des Hungers gier’gen Stachel dämpfen
Durch bloße Einbildung von einem Mahl?
Wer nackend im Dezemberschnee sich wälzen,
Weil er phantast’sche Sommerglut sich denkt?
O nein! die Vorstellung des Guten gibt
Nur desto stärkeres Gefühl des Schlimmern;
Nie zeugt des Leides grimmer Zahn mehr Gift,
Als wenn er nagt, doch durch und durch nicht trifft.
Gaunt
.
Komm, komm, mein Sohn, daß ich den Weg dir weise;
So jung wie du, verschöb’ ich nicht die Reise.
Bolingbroke
.
Leb wohl denn, Englands Boden! Süße Erde,
Du Mutter, Wärterin, die noch mich trägt!
Wo ich auch wandre, bleibt der Ruhm mein Lohn:
Obschon verbannt, doch Englands echter Sohn.
Alle ab.
¶
ZWEITER AUFZUG
Erste Szene
Coventry. Ein Zimmer in des Königs Schloß.
König Richard, Bagot und Green treten auf. Aumerle nach ihnen.
König Richard
.
Wir merkten’s wohl. – Vetter Aumerle, wie weit
Habt Ihr den hohen Hereford noch begleitet?
Aumerle
.
Den hohen Hereford, wenn Ihr so ihn nennt,
Bracht’ ich zur nächsten Straß’ und ließ ihn da.
König Richard
.
Und wandtet Ihr viel Abschiedstränen auf?
Aumerle
.
Ich keine, traun; wenn der Nordostwind nicht,
Der eben schneidend ins Gesicht uns blies,
Das salze Naß erregt’ und so vielleicht
Dem hohlen Abschied eine Träne schenkte.
König Richard
.
Was sagte unser Vetter, als Ihr schiedet?
Aumerle
.
»Leb wohl!« –
Doch weil mein Herz verschmähte, daß die Zunge
Dies Wort so sollt’ entweihn, so lernt’ ich schlau
Von solchem Jammer mich belastet stellen,
Daß meine Wort’ in Leid begraben schienen.
Hätt’ ihm das Wort »Leb wohl« verlängt die Stunden
Und Jahre zu dem kurzen Bann gefügt,
So hätt’ er wohl ein Buch voll haben sollen;
Doch weil’s dazu nicht half, gab ich ihm kein’s.
König Richard
.
Er ist mein Vetter, Vetter; doch wir zweifeln,
Wenn heim vom Bann die Zeit ihn rufen wird,
Ob er die Freunde dann zu sehen kommt.
Wir selbst und Bushy, Bagot hier und Green
Sahn sein Bewerben beim geringen Volk,
Wie er sich wollt’ in ihre Herzen tauchen
Mit traulicher, demüt’ger Höflichkeit;
Was für Verehrung er an Knechte wegwarf,
Handwerker mit des Lächelns Kunst gewinnend
Und ruhigem Ertragen seines Loses,
Als wollt’ er ihre Neigung mit verbannen.
Vor einem Austerweib zieht er die Mütze;
Ein Paar Karrnzieher grüßten: »Gott geleit’ Euch!«
Und ihnen ward des schmeid’gen Knies Tribut
Nebst: »Dank, Landsleute! meine güt’gen Freunde!«
Als hätt’ er Anwartschaft auf unser England
Und wär’ der Untertanen nächste Hoffnung.
Green
.
Gut, er ist fort, und mit ihm diese Plane.
Nun die Rebellen, die in Irland stehn! –
Entschloßne Führung gilt es da, mein Fürst,
Eh’ weitres Zögern weitre Mittel schafft
Zu ihrem Vorteil und Eu’r Hoheit Schaden.
König Richard
.
Wir wollen in Person zu diesem Krieg.
Und weil die Kisten, durch zu großen Hof
Und freies Spenden, etwas leicht geworden,
So sind wir unser königliches Reich
Genötigt zu verpachten; der Ertrag
Soll unser jetziges Geschäft bestreiten.
Reicht das nicht hin, so sollen die Verwalter
Zu Hause leer gelass’ne Briefe haben,
Worein sie, wen sie ausgespürt als reich,
Mit großen Summen Gold einschreiben sollen,
Für unsre Notdurft sie uns nachzusenden:
Denn unverzüglich wollen wir nach Irland.
Bushy kommt.
Bushy, was gibt’s?
Bushy
.
Der alte Gaunt liegt schwer danieder, Herr,
Plötzlich erkrankt, und sendet eiligst her,
Daß Eure Majestät ihn doch besuche.
König Richard
.
Wo liegt er?
Bushy
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In Ely-Haus.
König Richard
.
Gib, Himmel, seinem Arzt nun in den Sinn,
Ihm augenblicklich in sein Grab zu helfen!
Die Fütt’rung seiner Koffer soll zu Röcken
Der Truppen dienen im irländ’schen Krieg. –
Ihr Herren, kommt! Gehn wir, ihn zu besuchen,
Und gebe Gott, wir eilen schon zu spät!
Alle ab.
¶
Zweite Szene
London. Ein Zimmer in Ely-Haus.
Gaunt auf einem Ruh’bett; der Herzog von York und andre um ihn her stehend.
Gaunt
.
Sagt, kommt der König, daß mein letzter Hauch
Heilsamer
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