Sämtliche Dramen
Treue;
Nun schickt man mich (o unglücksel’ger Bote!)
Zu fodern, was ich nicht gewinnen möchte;
Zu bringen, was ich abgeschlagen wünschte;
Den treu zu loben, den ich untreu schelte.
Ich bin die wahr’ Verlobte meines Herrn;
Doch kann ich nicht sein wahrer Diener sein,
Wenn ich nicht an mir selbst Verräter werde.
Zwar will ich für ihn werben, doch so kalt,
Wie ich, beim Himmel! die Erwid’rung wünschte.
Silvia tritt auf mit Begleitung.
Gegrüßt seid, Kammerfrau! Ich bitt’ Euch, macht,
Daß ich mit Fräulein Silvia sprechen kann.
Silvia
.
Was wolltet Ihr von ihr, wenn ich es wäre?
Julia
.
Wenn Ihr es seid, so bitt’ ich, mit Geduld
Die Botschaft anzuhören, die ich bringe.
Silvia
. Von wem?
Julia
. Von Signor Proteus, meinem Herrn.
Silvia
. Ach! – Wegen eines Bildes schickt er Euch?
Julia
. Ja, Fräulein.
Silvia
.
So bring’ denn, Ursula, mein Bildnis her!
Das Bild wird gebracht.
Geht, gebt das Eurem Herrn; sagt ihm von mir:
Die Julia, die sein falsches Herz vergaß,
Ziemt besser, als der Schatten, seinem Zimmer.
Julia
.
Fräulein, gefällt’s Euch, diesen Brief zu lesen? –
Verzeiht, mein Fräulein, ich gab unvorsichtig
Euch ein Papier, das nicht für Euch bestimmt;
Dies ist der rechte Brief an Euer Gnaden.
Silvia
.
Ich bitte, laß mich das noch einmal sehn!
Julia
.
Es kann nicht sein; mein Fräulein, Ihr verzeiht!
Silvia
.
Hier, nimm!
Ich will die Zeilen deines Herrn nicht lesen.
Ich weiß, sie sind mit Schwüren angefüllt
Und neu erfundnen Eiden, die er bricht,
So leicht, als ich jetzt dieses Blatt zerreiße.
Julia
.
Fräulein, er schickt Eu’r Gnaden diesen Ring.
Silvia
.
Ihm Schmach so mehr, mir diesen Ring zu schicken;
Denn tausendmal hab’ ich ihn sagen hören,
Wie seine Julia ihn beim Abschied gab.
Hat auch sein falscher Finger ihn entweiht,
Soll meiner Julien nicht solch Unrecht tun.
Julia
.
Sie dankt Euch.
Silvia
.
Was sagst du?
Julia
.
Ich dank’ Euch, Fräulein, für dies Zartgefühl.
Das arme Kind! Herr Proteus kränkt sie sehr.
Silvia
.
Kennst du sie?
Julia
.
Beinah’ so gut, als ich mich selber kenne;
Gedenk’ ich ihres Wehs, bei meiner Seele!
Schon hundertmal hab’ ich um sie geweint.
Silvia
.
So glaubt sie wohl, daß Proteus sie verlassen?
Julia
.
Ich glaub’ es selbst, und das ist auch ihr Gram.
Silvia
.
Ist sie sehr schön?
Julia
.
Sie war einst schöner, Fräulein, als sie ist;
Da sie noch glaubte, daß mein Herr sie liebe.
War sie, wie mich bedünkt, so schön als Ihr;
Doch, seit sie ihren Spiegel hat vergessen,
Die Maske wegwarf, die vor Sonne schützte,
Sind von der Luft gebleicht der Wangen Rosen
Und ihrer Stirne Lilienglanz gedunkelt,
Daß sie so schwarz geworden ist wie ich.
Silvia
.
Wie groß war sie?
Julia
.
Sie ist von meinem Wuchse; denn zu Pfingsten,
Als man sich heitrer Mummerei erfreute,
Gab mir das junge Volk die Frauenrolle
Und putzte mich mit Juliens Kleidern aus;
Die paßten mir so gut, wie alle sagten,
Als wäre das Gewand für mich geschnitten;
Davon weiß ich, sie ist so hoch wie ich.
Und zu der Zeit macht’ ich sie recht zu weinen,
Denn traurig war die Rolle, die ich spielte;
Ariadne, Fräulein, war’s, wie sie beklagt
Des Theseus Falschheit und geheime Flucht;
Das spielten meine Tränen so lebendig,
Daß meine arme Herrin, tief gerührt,
Recht herzlich weint’; und sterben will ich gleich,
Wenn ich im Geist nicht ihren Kummer fühlte!
Silvia
.
Sie ist dir sehr verpflichtet, lieber Knabe! –
Ach, armes Mädchen! trostlos und verlassen! –
Ich weine selbst, denk’ ich an deine Worte.
Hier, Knab’, ist meine Börse; nimm die Gabe
Um deiner Herrin willen, die du liebst.
Leb wohl!
Silvia geht ab.
Julia
.
Sie wird Euch danken, lernt Ihr je sie kennen. –
Ein edles Fräulein, sanft und voller Huld.
Mein Herr wird hoffentlich kalt aufgenommen,
Da sie so warm für meine Herrin eifert.
Wie hintergeht sich Liebe selbst im Spiel!
Hier ist ihr Bildnis. Laßt mich sehn: ich denke,
Hätt’ ich nur solchen Anzug, mein Gesicht,
Es wäre ganz so lieblich wie das ihre;
Doch hat der Maler etwas ihr geschmeichelt,
Wenn ich nicht allzu viel mir selber schmeichle.
Ihr Haar ist bräunlich, meins vollkommen blond;
Wenn das den Ausschlag gibt in seiner Liebe,
So trag’ ich falsches Haar von dieser Farbe.
Ihr Aug’ ist klares Blau, und so das meine;
Doch ihre Stirn ist klein und meine groß.
Was ist es, das ihn hier bezaubern kann,
Das nicht durch
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