Sämtliche Dramen
mich denselben Zauber übte,
Wär’ kind’sche Liebe nicht ein blinder Gott?
So nimm denn, Schatten, diesen Schatten mit,
Er ist dein Nebenbuhler. Leblos Bild!
Du wirst verehrt, geküßt und angebetet;
Und fühltest du bei seinem Götzendienst,
Mein Wesen möchte Bild statt deiner sein.
Ich will dir freundlich sein der Herrin wegen,
So war sie mir; sonst, bei dem Jupiter,
Kratzt’ ich dir die gemalten Augen aus,
Daß nicht mein Herr sich mehr in sie vergafft.
Geht ab.
¶
FÜNFTER AUFZUG
Erste Szene
Platz.
Eglamour tritt auf.
Eglamour
.
Die Sonne rötet schon den Abendhimmel;
Die Stund’ ist da, die Silvia mir bestimmte,
Hier bei Patricius’ Zell’ auf sie zu warten.
Sie bleibt nicht aus, denn Liebende verfehlen
Die Stunde nur, um vor der Zeit zu kommen.
Weil sie die Eile selbst noch spornen möchten.
Silvia tritt auf.
Hier kommt sie schon; glücksel’gen Abend, Fräulein!
Silvia
.
Geb’s Gott! Geh weiter, guter Eglamour!
Hinaus zum Pförtchen an der Klostermauer;
Ich bin besorgt, daß Laurer auf mich achten.
Eglamour
.
Sorgt nicht; der Wald ist kaum drei Meilen weit:
Ist der erreicht, sind wir in Sicherheit.
Sie gehn ab.
¶
Zweite Szene
Palast.
Thurio, Proteus und Julia treten auf.
Thurio
.
Was sagt zu meinem Werben Silvia?
Proteus
.
Oh, Herr, ich fand sie milder als bisher;
Doch hat sie viel an Euch noch auszustellen.
Thurio
.
Was, daß mein Bein zu lang ist?
Proteus
.
Nein; zu dünn.
Thurio
.
So trag’ ich Stiefeln, daß es runder wird.
Proteus
.
Was Liebe scheut, wer kann sie dazu spornen?
Thurio
.
Und mein Gesicht?
Proteus
.
Sie sagt, es sei zu weiß.
Thurio
.
Da lügt der Schalk; denn mein Gesicht ist schwarz.
Proteus
.
Doch weiß sind Perlen; und das Sprichwort sagt:
Ein schwarzer Mann ist Perl’ in Damenaugen.
Julia
beiseit.
Ja, Perlen, die der Damen Augen kränken;
Denn lieber wegsehn, als auf sie zu blicken.
Thurio
.
Gefällt ihr mein Gespräch?
Proteus
.
Schlecht, redet Ihr von Krieg.
Thurio
.
Doch gut, wenn ich von Lieb’ und Frieden redet?
Julia
beiseit.
Am besten, sicher, wenn Ihr friedlich schweigt.
Thurio
.
Was aber sagte sie von meinem Mut?
Proteus
.
Oh, Herr, darüber hat sie keinen Zweifel.
Julia
beiseit.
Nicht nötig, weil sie seine Feigheit kennt.
Thurio
.
Doch was von meiner Abkunft?
Proteus
.
Daß Ihr sehr hoch herab gekommen seid.
Julia
beiseit.
Gewiß; vom Edelmann zum Narr’n herab.
Thurio
.
Erwägt sie auch mein großes Gut?
Proteus
.
Ja, mit Bedauern.
Thurio
.
Weshalb?
Julia
beiseit.
Weil einem Esel es gehört.
Proteus
.
Weil Ihr’s nicht selbst verwaltet.
Julia
.
Hier kommt der Herzog.
Der Herzog tritt auf.
Herzog
.
Wie steht’s, Herr Proteus? Thurio, wie steht’s?
Wer von euch sah den Eglamour seit kurzem?
Thurio
.
Ich nicht.
Proteus
.
Ich auch nicht.
Herzog
.
Saht ihr Silvia?
Proteus
.
Nein.
Herzog
.
So floh sie hin zu Valentin, dem Knecht;
Und Eglamour ist es, der sie begleitet.
Gewiß; denn Bruder Lorenz traf sie beide,
Als im Gebet er durch die Waldung ging;
Ihn kannt’ er wohl und glaubt’ auch, sie zu kennen;
Doch macht’ ihn ihre Maske ungewiß;
Auch gab sie vor, sie woll’ am Abend beichten
In des Patricius Zell’, und war nicht dort;
Durch diese Zeichen wird die Flucht bestätigt.
Deswegen, bitt’ ich, weilt nicht lang beratend,
Nein, gleich zu Pferd; und trefft mich beide dort
Am Fuße des Gebirges, auf dem Hügel,
Der sich nach Mantua zieht: da flohn sie hin;
Beeilt euch, teure Herrn, und folgt mir nach!
Geht ab.
Thurio
.
Nun ja, da haben wir das kind’sche Ding.
Die ihrem Glück entflieht, wenn es ihr folgt.
Nach! mehr, um mich an Eglamour zu rächen,
Als, weil ich Silvia noch, die Törin, liebe.
Geht ab.
Proteus
.
Ich folge, mehr, weil Silvia meine Liebe,
Als Eglamour, der mit ihr geht, mein Haß!
Geht ab.
Julia
.
Ich folge, mehr, zu kreuzen diese Liebe,
Als Silvia hassend, die geflohn aus Liebe.
Geht ab.
¶
Dritte Szene
Wald.
Silvia und die Räuber kommen.
Räuber
.
Kommt, kommt!
Geduld, wir bringen Euch zu unserm Hauptmann.
Silvia
.
Durch tausend große Unglücksfälle lernt’ ich
Den heutigen ertragen mit Geduld.
Zweiter Räuber
.
Kommt, führt sie weg!
Erster Räuber
.
Wo ist der Edelmann, der bei ihr war?
Dritter Räuber
.
Geschwind von Füßen, ist er uns entlaufen,
Doch Moses und Valerius folgen ihm.
Geh mit ihr nach des Waldes Abendseite,
Dort ist der Hauptmann; wir dem Flücht’gen nach;
Das
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