Sämtliche Dramen
zu der Mutter Flehn mich nieder.
York
.
Und wider beide beug’ ich treue Glieder.
Gewährst du Gnade, so gedeih’ dir’s schlecht!
Herzogin
.
Meint er’s im Ernst? Sieh ins Gesicht ihm recht:
Sein Auge tränet nicht, sein Bitten ist nur Scherz,
Der Mund nur spricht bei ihm, bei uns das Herz.
Er bittet schwach und wünscht nichts zu gewinnen,
Wir bitten mit Gemüt und Herz und Sinnen.
Gern stünd’ er auf, die matten Knie sind wund;
Wir knie’n, bis unsre wurzeln in dem Grund.
Sein Flehn ist Heucheln und voll Trüglichkeit,
Voll Eifer unsres, biedre Redlichkeit.
Es überbitten unsre Bitten seine;
Gnad’ ist der Bitten Lohn: gewähr’ uns deine!
Bolingbroke
.
Steht auf doch, Muhme!
Herzogin
.
Nein, sag nicht: »Steht auf!«
»Verzeihung!« erst, und hintennach: »Steht auf!«
Und sollt’ ich dich als Amme lehren lallen,
»Verzeihung« wär’ das erste Wort von allen.
So sehnt’ ich mich, ein Wort zu hören, nie:
»Verzeihung« sprich; dich lehre Mitleid, wie;
Das Wort ist kurz, doch nicht so kurz als süß,
Kein Wort ziemt eines Königs Mund wie dies.
York
.
So sprich französisch; sag: pardonnez-moi!
Herzogin
.
Lehrst du Verzeihung, wie sie nicht verzeih’?
Ach, herber, hartgeherzter Gatte du!
Du setzest mit dem Wort dem Worte zu.
»Verzeihung« sprich, wie man zu Land hier spricht:
Französisch Kauderwelsch verstehn wir nicht,
Dein Auge red’t schon, laß es Zunge sein;
Dein Ohr nimm ins mitleid’ge Herz hinein,
Daß es, durchbohrt von Bitten und von Klagen,
Dich dringen mag, »Verzeihung« anzusagen.
Bolingbroke
.
Steht auf doch, Muhme!
Herzogin
.
Ich bitte nicht um Stehn,
Verzeihung ist allhier mein einzig Flehn.
Bolingbroke
.
Verzeihung ihm, wie Gott mir mag verzeihn!
Herzogin
.
O eines knie’nden Kniees schön Gedeihn!
Noch bin ich krank vor Furcht: oh, sag’s zum zweiten!
Zweimal gesagt, soll’s ja nicht mehr bedeuten,
Bekräftigt eines nur.
Bolingbroke
.
Verziehen werde
Von Herzen ihm!
Herzogin
.
Du bist ein Gott der Erde.
Bolingbroke
.
Was unsern biedern Schwager angeht und den Abt
Und all die andern der verbundnen Rotte,
Stracks sei Verderben ihnen auf der Ferse:
Schafft, guter Oheim, Truppen hin nach Oxford
Und überall, wo die Verräter stecken:
Ich schwör’s, sie sollen schleunig aus der Welt;
Weiß ich erst wo, so sind sie bald gefällt.
Oheim, lebt wohl! und Vetter, bleibt mir treu!
Wohl bat für Euch die Mutter; hegt nun Scheu!
Herzogin
.
Komm, alter Sohn, und mache Gott dich neu!
Alle ab.
¶
Dritte Szene
Exton und ein Bedienter treten auf.
Exton
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Gabst du nicht Achtung, was der König sagte?
»Hab’ ich denn keinen Freund, der mich erlöst
Von der lebend’gen Furcht?« – War es nicht so?
Bedienter
.
Das waren seine Worte.
Exton
.
»Hab’ ich denn keinen Freund?« so sagt’ er zweimal
Und wiederholt’ es dringend. Tat er’s nicht?
Bedienter
.
Er tat’s.
Exton
.
Und wie er’s sprach, sah er auf mich bedeutend,
Als wollt’ er sagen: »Wärst du doch der Mann,
Der diese Angst von meinem Herzen schiede!«
Zu Pomfret nämlich den entsetzten König.
Komm, laß uns gehn: ich bin des Königs Freund
Und will erlösen ihn von seinem Feind.
Ab.
¶
Vierte Szene
Pomfret. Das Gefängnis in der Burg.
König Richard tritt auf.
König Richard
.
Ich habe nachgedacht, wie ich der Welt
Den Kerker, wo ich lebe, mag vergleichen;
Und, sintemal die Welt so volkreich ist,
Und hier ist keine Kreatur als ich,
So kann ich’s nicht, – doch grübl’ ich es heraus.
Mein Hirn soll meines Geistes Weibchen sein,
Mein Geist der Vater; diese zwei erzeugen
Dann ein Geschlecht stets brütender Gedanken,
Und die bevölkern diese kleine Welt
Voll Launen, wie die Leute dieser Welt:
Denn keiner ist zufrieden. Die beßre Art,
Als geistliche Gedanken, sind vermengt
Mit Zweifeln, und sie setzen selbst die Schrift
Der Schrift entgegen.
Als: »Laßt die Kindlein kommen«; und dann wieder:
»In Gottes Reich zu kommen, ist so schwer,
Als ein Kamel geht durch ein Nadelöhr.«
Die, so auf Ehrgeiz zielen, sinnen aus
Unglaubliches: mit diesen schwachen Nägeln
Sich Bahn zu brechen durch die Kieselrippen
Der harten Welt hier, dieser Kerkerwände;
Und weil’s unmöglich, härmt ihr Stolz sie tot.
Die auf Gemütsruh’ zielen, schmeicheln sich,
Daß sie des Glückes erste Sklaven nicht,
Noch auch die letzten sind; wie arme Toren,
Die, in den Stock gelegt, der Schmach entgehn,
Weil vielen das geschah und
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