Sämtliche Dramen
und es kommt mir nicht darauf an, einmal Euer Arzt zu sein.
Falstaff
. Ich bin so arm wie Hiob, gnädiger Herr, aber nicht so geduldig. Euer Gnaden können mir den Trank der Verhaftung anbefehlen, in Betracht meiner Armut; ob ich aber geduldig sein würde, Eure Vorschriften zu befolgen, daran kann der Weise einen Gran von einem Skrupel, ja wohl gar einen ganzen Skrupel hegen.
Oberrichter
. Ich schickte nach Euch, als Dinge wider Euch auf Leib und Leben vorgebracht wurden, um mit mir darüber zu sprechen.
Falstaff
. Wie mir damals mein in den Gesetzen des Landdienstes erfahrner Sachwalter riet, kam ich nicht.
Oberrichter
. Nun, die Wahrheit ist, Sir John, Ihr lebt in großer Schande.
Falstaff
. Wer meinen Gürtel umschnallt, kann nicht in geringerer leben.
Oberrichter
. Eure Mittel sind schmal, und Ihr lebt auf einem großen Fuß.
Falstaff
. Umgekehrt, um die Mitte bin ich breit, die Füße sind zu schwach, sie zu tragen.
Oberrichter
. Ihr habt den jungen Prinzen mißleitet.
Falstaff
. Der junge Prinz hat mich mißleitet; ich bin der Mann mit dem dicken Bauche, und er ist mein Hund.
Oberrichter
. Nun, ich will nicht gern eine neu geheilte Wunde aufreißen; Eure Dienste am Tage bei Shrewsbury haben Eure Heldentaten bei Nacht zu Gadshill ein wenig übergüldet: Ihr habt den unruhigen Zeiten zu danken, daß Ihr über diese Klage so ruhig hinüber gekommen seid.
Falstaff
. Gnädiger Herr?
Oberrichter
. Doch, da nun alles gut ist, so erhaltet es dabei; weckt den schlafenden Wolf nicht auf!
Falstaff
. Einen Wolf aufwecken ist eben so schlimm, als einen Fuchs riechen.
Oberrichter
. Ei, Ihr seid wie ein Licht, das beste Teil herunter gebrannt.
Falstaff
. Leider, gnädiger Herr, bestehe ich ganz aus Talg; ich kann mich auch mit einem Wachslicht vergleichen, weil ich immer noch in die Breite wachse.
Oberrichter
. Jedes weiße Haar auf Euerm Gesicht sollte Zeugnis ablegen für Eure Würde.
Falstaff
. Bürde, Bürde, Bürde!
Oberrichter
. Ihr geht mit dem jungen Prinzen aus und ein, wie sein böser Engel.
Falstaff
. Nicht doch, gnädiger Herr: so ein böser Engel ist allzu leicht, aber ich hoffe, wer mich ansieht, wird mich ohne Goldwaage für voll annehmen; und doch, das muß ich gestehn, auf gewisse Weise bin ich auch nicht in Umlauf zu bringen. Ich weiß nicht, aber die Tugend wird in diesen Apfelkrämer-Zeiten so wenig geachtet, daß echte Tapferkeit zum Bärenführer geworden ist; Scharfsinn ist zum Bierschenken gemacht und verschwendet seinen behenden Witz in Rechnungen; alle andern Gaben, die zum Menschen gehören, sind keine Johannisbeere wert, wie die Tücke des Zeitalters sie ummodelt. Ihr, die ihr alt seid, bedenkt nicht, was uns, die wir jung sind, möglich ist; und wir, die wir noch im Vortrab der Jugend stehen, sind freilich auch durchtriebene Schelme.
Oberrichter
. Setzt Ihr Euern Namen auf die Liste der Jugend, da Ihr mit allen Merkzeichen des Alters eingeschrieben seid? Habt Ihr nicht ein feuchtes Auge, eine trockne Hand, eine gelbe Wange, einen weißen Bart, ein abnehmendes Bein, einen zunehmenden Bauch? Ist nicht Eure Stimme schwach? Euer Atem kurz? Euer Kinn doppelt? Euer Witz einfach? Und alles um und an Euch vom Alter verderbt? Und doch wollt Ihr Euch noch jung nennen? Pfui, pfui, pfui, Sir John!
Falstaff
. Gnädiger Herr, ich wurde um drei Uhr nachmittags geboren, mit einem weißen Kopf und einem gleichsam runden Bauch. Was meine Stimme betrifft, die habe ich mit lautem Chorsingen verdorben. Meine Jugend ferner dartun, das will ich nicht; die Wahrheit ist daß ich bloß alt an Urteil und Verstande bin, und wer mit mir für tausend Mark um die Wette Kapriolen schneiden will, der mag mir das Geld leihen und sich vorsehen. Was die Ohrfeige betrifft, die Euch der Prinz gab, so gab er sie wie ein roher Prinz, und Ihr nahmt sie wie ein feinsinniger Lord. Ich habe es ihm verwiesen, und der junge Löwe tut Buße, freilich nicht im Sack und in der Asche, sondern in altem Sekt und neuer Seide.
Oberrichter
. Nun, der Himmel sende dem Prinzen einen bessern Gesellschafter!
Falstaff
. Der Himmel sende dem Gesellschafter einen bessern Prinzen! Ich kann ihn nicht los werden.
Oberrichter
. Nun, der König hat Euch und Prinz Heinrich getrennt; ich höre, Ihr zieht mit Prinz Johann von Lancaster gegen den Erzbischof und den Grafen Northumberland.
Falstaff
. Ja, das habe ich Eurem allerliebsten feinen Witze zu danken. Aber betet nur ja, ihr alle, die ihr Madame Ruhe zu Hause küßt, daß unsre Armeen
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