Sämtliche Dramen
überdeckt damit: darum erstreckt
Mein Gram sich jenseit meiner Todesstunde,
Mir weint das Blut vom Herzen, denk’ ich mir
In Einbildungen die verwirrten Tage,
Die faulen Zeiten, die ihr werdet sehn,
Wenn ich entschlafen bin bei meinen Ahnen,
Wenn nichts mehr die unbänd’ge Wüstheit zügelt,
Wenn Gier und heißes Blut ihm Räte sind,
Wenn Mittel sich und üpp’ge Sitten treffen:
Mit welchen Schwingen wird sein Hang dann fliegen
In trotzende Gefahr und droh’nde Fäll’!
Warwick
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Mein gnäd’ger König, Ihr verkennt ihn ganz:
Der Prinz studiert nur seine Spießgesellen
Wie eine fremde Sprache, der zu lieb
Notwendig man das unehrbarste Wort
Ansehn und lernen muß; einmal erlangt,
Weiß Eure Hoheit, braucht man es nicht weiter,
Als daß man’s kennt und haßt. So wird der Prinz
Bei reifrer Zeit wie grober Redensarten
Sich der Gefährten abtun; ihr Gedächtnis
Wird nur als Muster leben oder Maß,
Womit er andrer Leben messen kann,
Vormal’ges Übel kehrend zum Gewinn.
König Heinrich
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Nicht leicht verläßt die Biene ihren Waben
Im toten Aas. – Wer kommt da? Westmoreland?
Westmoreland tritt auf.
Westmoreland
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Heil meinem Oberherrn! Und neues Glück,
Zu dem gefügt, das ich berichten soll!
Der Prinz Johann küßt Euer Hoheit Hand:
Mowbray, der Bischof Scroop, Hastings und alle
Sind unter des Gesetzes Zucht gebracht;
Und kein Rebellen-Schwert ist mehr entblößt,
Es sproßt des Friedens Ölzweig überall.
Die Art, wie dies Geschäft vollführt ist worden,
Kann Euer Hoheit hier bei Muße lesen,
Des weitern angezeigt nach dem Verlauf.
König Heinrich
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O Westmoreland, du bist ein Sommervogel,
Der an des Winters Fersen immerdar
Des Tages Aufgang singt. Seht, noch mehr Neues.
Harcourt tritt auf.
Harcourt
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Der Himmel schütz’ Eu’r Majestät vor Feinden,
Und wer da aufsteht wider Euch, der falle
Wie die, wovon ich Euch zu melden komme!
Der Graf Northumberland und der Lord Bardolph
Mit großer Macht von Englischen und Schotten
Sind durch den Sheriff von Yorkshire besiegt.
Die Weis’ und wahre Ordnung des Gefechts
Berichtet dies Paket, wenn’s Euch beliebt.
König Heinrich
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Und muß so gute Zeitung krank mich machen?
Kommt nie das Glück mit beiden Händen voll?
Schreibt seine schönsten Wort’ in garst’gen Zügen?
Es gibt entweder Eßlust ohne Speise,
Wie oft dem Armen; oder einen Schmaus
Und nimmt die Eßlust weg: so ist der Reiche,
Der Fülle hat und ihrer nicht genießt.
Ich sollte mich der guten Zeitung freun,
Und nun vergeht mir das Gesicht und schwindelt’s.
O weh! Kommt um mich, denn mir wird so schlimm.
Er fällt in Ohnmacht.
Prinz Humphrey
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Der Himmel tröste Eure Majestät!
Clarence
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O mein königlicher Vater!
Westmoreland
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Mein hoher Herr, ermuntert Euch! Blickt auf!
Warwick
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Seid ruhig, Prinzen, solch ein Anfall ist
Bei Seiner Hoheit, wißt ihr, sehr gewöhnlich.
Entfernt euch, gebt ihm Luft; gleich wird ihm besser.
Clarence
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Nein, nein, er hält nicht lang’ die Qualen aus;
Die ew’ge Sorg’ und Arbeit des Gemüts
Hat so die Mau’r, die es umschließt, vernutzt,
Das Leben blickt schon durch und will heraus.
Prinz Humphrey
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Die Leute schrecken mich: denn sie bemerken
Verhaßte Ausgeburten der Natur
Und vaterlose Erben; es verändern
Die Zeiten ihre Sitt’, als ob das Jahr
Monate schlafend fand und übersprang.
Clarence
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Dreimal ohn’ Ebbe hat der Strom geflutet,
Und alte Leute, kind’sche Zeitregister,
Versichern, dies sei kurz zuvor geschehn,
Eh’ unser Ältervater, Eduard, krankt’ und starb.
Warwick
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Sprecht leiser, Prinzen, er erholt sich wieder.
Prinz Humphrey
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Gewiß wird dieser Schlag sein Ende sein.
König Heinrich
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Ich bitt’ euch, nehmt mich auf und tragt mich fort
In eine andre Kammer: sanft, ich bitte!
Sie tragen den König in einen innern Teil des Zimmers und legen ihn auf ein Bett.
Laßt keinen Lärm hier machen, liebe Freunde,
Wenn eine dumpfe günst’ge Hand nicht etwa
Musik will flüstern meinem müden Geist.
Warwick
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Ruft die Musik her in das andre Zimmer!
König Heinrich
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Legt mir die Krone auf mein Kissen hier!
Clarence
.
Ein Aug’ ist hohl, er hat sich sehr verwandelt.
Warwick
.
O still doch! Still!
Prinz Heinrich tritt auf.
Prinz Heinrich
.
Wer sah den Herzog Clarence?
Clarence
.
Hier bin ich, Bruder, voller Traurigkeit.
Prinz Heinrich
.
Wie nun? Im Hause regnet’s und nicht draußen?
Was macht der König?
Prinz Humphrey
.
Er
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