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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Szene
    Ebendaselbst.
    Auf den Mauern erscheinen die Pucelle, Karl, Reignier, Alençon und Soldaten.
    Pucelle
.
    Pflanzt unsre weh’nden Fahnen auf die Mauern:
    Den Englischen ist Orleans entrissen,
    So hielt euch Jeanne la Pucelle Wort.
    Karl
.
    Du göttlichstes Geschöpf! Asträas Tochter!
    Wie soll ich ehren dich für den Erfolg?
    Adonis’ Gärten gleichet dein Verheißen,
    Die heute blühn und morgen Früchte tragen.
    Siegprang’ in deiner herrlichen Prophetin,
    O Frankreich! Orleans ist wieder dein:
    Nie widerfuhr dem Lande größres Heil.
    Reignier
.
    Warum durchtönt nicht Glockenklang die Stadt?
    Dauphin, laß Freudenfeu’r die Bürger machen
    Und jubeln, schmausen in den offnen Straßen,
    Das Glück zu feiern, das uns Gott verilehn.
    Alençon
.
    Ganz Frankreich wird erfüllt mit Freud’ und Lust,
    Wenn sie erfahren, wie wir uns gehalten.
    Karl
.
    Nicht wir, ’s ist Jeanne, die den Tag gewann,
    Wofür ich mit ihr teilen will die Krone,
    Und alle Mönch’ und Priester meines Reichs
    In Prozession ihr stets lobsingen sollen.
    Ich bau’ ihr eine stolzre Pyramide
    Als die zu Memphis oder Rhodopes;
    Und wenn sie tot ist, soll, ihr zum Gedächtnis,
    Die Asch’ in einer köstlicheren Urne
    Als das Kleinoden-Kästchen des Darius
    Bei hohen Festen umgetragen werden,
    Vor Frankreichs Königen und Königinnen.
    Nicht länger rufen wir Sankt Dionys,
    Patronin ist nun Jeanne la Pucelle.
    Kommt, halten wir ein königlich Gelag
    Auf diesen siegesreichen goldnenTag!
    Trompetenstoß. Alle ab.
    ¶

ZWEITER AUFZUG
Erste Szene
    Ebendaselbst.
    Ein französischer Sergeant und zwei Schildwachen kommen durch das Tor.
    Sergeant
.
    Nehmt eure Plätze und seid wachsam, Leute;
    Bemerkt ihr Lärm, und daß Soldaten nah
    Den Mauern sind, an irgendeinem Zeichen,
    So gebt im Wachthaus Nachricht uns davon.
    Erste Schildwache
.
    Schon gut, Sergeant.
    Sergeant ab.
    So müssen arme Diener,
    Wenn andre schlafen auf bequemem Bett,
    In Finsternis, in Kält’ und Regen wachen.
    Talbot, Bedford, Burgund und ihre Truppen mit Sturmleitern, die Trommeln schlagen einen Totenmarsch.
    Talbot
.
    Mein Herr Regent, und mächtiger Burgund,
    Durch deren Ankunft das Gebiet von Artois,
    Wallon und Pikardie uns sind befreundet:
    In dieser Glücksnacht sind die Franken sorglos,
    Da sie den ganzen Tag geschmaust, gezecht.
    Ergreifen wir denn die Gelegenheit,
    Sie schickt sich zur Vergeltung ihres Trugs,
    Den Kunst ersann und arge Zauberei.
    Bedford
.
    Memme von Frankreich! Wie er sich entehrt,
    An seines Armes Tapferkeit verzweifelnd,
    Mit Hexen und der Höll’ in Bund zu treten!
    Burgund
.
    Verräter sind in der Gesellschaft stets.
    Doch die Pucelle, für so rein gepriesen,
    Wer ist sie?
    Talbot
.
    Ein Mädchen, sagt man.
    Bedford
.
    Ein Mädchen, und so kriegerisch!
    Burgund
.
    Geb’ Gott, daß sie nicht männlich bald erscheint.
    Wenn unter dem Panier der Franken sie
    Die Rüstung führt, wie sie begonnen hat.
    Talbot
.
    Wohl, laßt sie klügeln und mit Geistern handeln.
    Gott unsre Burg! In seinem Siegernamen
    Laßt uns ihr Felsen-Bollwerk kühn erklimmen.
    Bedford
.
    Stürm’, braver Talbot, und wir folgen dir.
    Talbot
.
    Nicht alle hier mit eins: weit besser dünkt mir’s,
    Hineinzudringen auf verschiednen Wegen,
    Daß, wenn es einem unter uns mißlingt,
    Der andre wider ihre Macht kann stehn.
    Bedford
.
    So sei’s; ich will zu jener Ecke hin.
    Burgund
.
    Und ich zu dieser.
    Talbot
.
    Und hier stürmt Talbot oder schafft sein Grab.
    Nun, Salisbury, für dich und für das Recht
    Heinrichs von England soll die Nacht sich zeigen,
    Wie meine Pflicht euch beiden ist geweiht.
    Die Englischen ersteigen die Mauern mit Sturmleitern, indem sie: »Sankt Georg!« und: »Talbot hoch!« rufen, und dringen alle in die Stadt.
    Schildwache
drinnen.
    Auf, zu den Waffen, auf! Die Feinde stürmen!
    Die Franzosen springen im Hemde über die Mauern. Hierauf kommen von verschiednen Seiten der Bastard, Alençon, Reignier, halb angekleidet, halb nicht.
    Alençon
.
    Wie nun, ihr Herrn? Was? So unangekleidet?
    Bastard
.
    Unangekleidet? Ja und froh dazu,
    Daß wir so gut davongekommen sind.
    Reignier
.
    Traun, es war Zeit, sich aus dem Bett zu machen,
    Der Lärm war schon an unsrer Kammertür.
    Alençon
.
    Seit ich die Waffen übte, hört’ ich nie
    Von einem kriegerischen Unternehmen,
    Das tollkühn und verzweifelt war wie dies.
    Bastard
.
    Der Talbot, denk’ ich, ist ein Geist der Hölle.
    Reignier
.
    Wo nicht die Höll’, ist ihm der Himmel

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