Sämtliche Dramen
rein.
John
.
Erschlagen, könnt Ihr nicht mein Zeuge sein;
Fliehn beide wir, wenn Tod so sicher droht!
Talbot
.
Und lassen hier mein Volk zu Kampf und Tod?
Nie konnte Schmach mein Alter so beflecken.
John
.
Und meine Jugend soll in Schuld sich stecken?
Ich kann nicht mehr von Eurer Seite scheiden,
Als Ihr in Euch Zerteilung könnt erleiden.
Bleibt, geht, tut, was Ihr wollt, ich tu’ es eben;
Denn, wenn mein Vater stirbt, will ich nicht leben.
Talbot
.
So nehm’ ich hier denn Abschied, holder Sohn,
Geboren, diesen Tag zu sterben schon.
Komm! Miteinander laß uns stehn und fallen,
Und Seel’ mit Seele soll gen Himmel wallen.
Beide ab.
¶
Sechste Szene
Ein Schlachtfeld.
Getümmel. Angriffe, worin Talbots Sohn umzingelt und von Talbot gerettet wird.
Talbot
.
Sankt George und Sieg! Kämpft, ihr Soldaten, kämpft!
Es brach dem Talbot der Regent sein Wort,
Uns liefernd an des Frankenschwertes Mord.
Wo ist John Talbot? Ruh’ und schöpfe Odem!
Ich gab dir Leben, riß dich von den Toten.
John
.
Zweimal mein Vater! Zweimal ich dein Sohn!
Das erst verlieh’ne Leben war entflohn,
Als, dem Geschick zum Trotz, dein tapfres Schwert
Ein neues Zeitmaß meiner Bahn gewährt.
Talbot
.
Als du vom Helm des Dauphin Feu’r geschlagen,
Ward deines Vaters Herz emporgetragen
Von stolzer Siegsbegier. Mein träges Blut
Belebte Jugendhitz’ und Kämpferwut;
Alençon, Orleans, Burgund schlug ich
Und rettete von Galliens Stolze dich.
Den grimm’gen Bastard Orleans, der dir
Blut abließ und die jüngferliche Zier
Gewann von deinen Waffen, traf ich bald,
Und, Streiche wechselnd, ich es ihm vergalt
An seinem Bastard-Blut; und solche Rede
Gab ich ihm höhnend: »Dies verworfne, schnöde
Und mißerzeugte Blut sei hier vergossen,
Für mein so reines Blut, das erst geflossen,
Das meinem wackern Jungen du geraubt.«
Hier, als ich zu vernichten ihn geglaubt,
Kam Rettung an. Des Vaters Sorge! Sprich!
Bist du nicht müde, John? Wie fühlst du dich?
Kind, willst du noch dem Treffen nicht entweichen,
Besiegelt nun mit ritterlichen Zeichen?
Flieh’, meinen Tod zu rächen, wann ich tot:
Jetzt tut mir eines Hülfe wenig not.
O allzu töricht ist es, muß ich sagen,
Uns all’ in einen kleinen Kahn zu wagen!
Wenn ich mich heut vor Frankenwut bewahre,
So töten morgen mich die hohen Jahre.
An mir gewinnt der Feind nicht; bleib’ ich hier,
Das kürzt nur einen Tag mein Leben mir.
In dir stirbt deine Mutter, unser Same,
Die Rache, deine Jugend, Englands Name.
All dies und mehr gefährdet dein Verweilen;
Dies rettest du, willst du von hinnen eilen.
John
.
Das Schwert des Orleans machte nicht mir Schmerz,
Von Euren Worten blutet mir das Herz.
Um den Gewinn, erkauft um solch Erröten,
Den Leib zu retten und den Ruhm zu töten,
Eh’ Talbots Sohn entflieht von Talbots Seite,
Eh’ fall’ das feige Roß, auf dem ich reite,
Und wie ein Bauer Frankreichs mög’ ich liegen,
Der Schande Ziel, des Mißgeschicks Vergnügen!
Gewiß, bei allem Preis, den Ihr gewonnen,
Ich bin nicht Talbots Sohn, wenn ich entronnen.
Drum sagt von Flucht nicht: wozu soll es taugen?
Wenn Talbots Sohn, sterb’ ich vor Talbots Augen.
Talbot
.
So folg’ dem Vater, den verzweifelt Streben
Aus Kreta trieb, mein Ikarus, mein Leben!
Wenn du willst fechten, ficht an Vaters Seite,
Und dich mit mir zu stolzem Tod bereite!
Beide ab.
¶
Siebente Szene
Ein andrer Teil des Schlachtfeldes.
Getümmel, Angriffe. Talbot wird, verwundet, von einem Diener geführt.
Talbot
.
Wo ist mein andres Leben? Meines floh. –
Oh, wo ist John, mein tapfrer Talbot, wo?
Dich, Tod, stolzierend mit Gefangenschaft,
Mußt’ ich belächeln bei des Sohnes Kraft.
Als er mich sah, wie knieend ich erlegen,
Schwang über mir er seinen blut’gen Degen,
Und, wie ein Löw’ im Hunger, hub er an,
Was wilde Wut und Ingrimm je getan.
Doch als allein mein zorn’ger Wächter stand
Und niemand nahte, der ihn angerannt,
Riß hoher Grimm und augenroll’nde Wut
Von meiner Seit’ ihn plötzlich in die Flut
Gedrängter Franken, wo er sich versenkte,
Wo in dem See von Blut mein Sohn ertränkte
Den allzukühn geflognen Geist und starb,
Mein Ikarus, so blühend rosenfarb.
Soldaten kommen mit der Leiche John Talbots.
Diener
.
O bester Herr, da bringt man Euren Sohn!
Talbot
.
Du Schalksnarr, Tod, belachst uns hier zum Hohn;
Doch bald, vereint in ew’gen Banden, frei
Von deiner übermüt’gen Tyrannei,
Entschwingen sich durch
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