Sämtliche Dramen
Himmelsräume weit
Zwei Talbots, dir zum Trotz, der Sterblichkeit. –
O du, des Wunden lieblich stehn bei Toten,
Sprich mit dem Vater vor dem letzten Odem!
Beut sprechend Trotz dem Tod, wie er’s auch meint,
Acht’ ihn als einen Franken, deinen Feind.
Der arme Knab’ scheint lächelnd noch zu sagen:
Wär’ Tod ein Frank’, ich hätt’ ihn heut erschlagen.
Kommt, kommt und legt ihn in des Vaters Arm,
Mein Geist erträgt nicht länger diesen Harm.
Lebt, Krieger, wohl! Ich habe meine Habe:
Mein alter Arm wird zu John Talbots Grabe.
Stirbt.
Getümmel.
Die Soldaten ab, indem sie die beiden Leichen zurücklassen.
Hierauf kommen Karl, Alençon, Burgund, der Bastard, die Pucelle und Truppen.
Karl
.
Wär’ York und Somerset zu Hülf’ geeilt,
Dies wär’ ein blut’ger Tag für uns geworden.
Bastard
.
Wie Talbots junger Leu in wilder Wut
Sein winzig Schwert getränkt mit Frankenblut!
Pucelle
.
Ich hab’ ihn einst getroffen und gesagt:
»Du Jüngling, sei besiegt von einer Magd!«
Allein mit stolzem majetäst’schen Hohn
Erwidert’ er: »Des großen Talbots Sohn
Soll nicht die Beute frecher Dirnen sein.«
Und, stürzend in der Franken dichte Reih’n,
Verließ er mich, als keines Kampfes wert.
Burgund
.
Er hätt’ als Ritter sich gewiß bewährt:
Seht, wie er daliegt, eingesargt im Arm
Des blut’gen Pflegers von all seinem Harm!
Bastard
.
Haut sie in Stücken, reißt entzwei dies Paar,
Das Englands Stolz und Galliens Wunder war!
Karl
.
Nein, haltet ein! Was lebend Flucht gebot,
Das laßt uns nun nicht schänden, da es tot.
Sir William Lucy tritt auf mit Gefolge, ein französischer Herold geht vor ihm her.
Lucy
.
Herold,
Führ’ mich zum Zelt des Dauphin, um zu wissen,
Wer dieses Tages Preis davon getragen.
Karl
.
Mit welcher unterwürf’gen Botschaft kommst du?
Lucy
.
Was? Unterwerfung ist ein fränkisch Wort,
Die englischen Soldaten kennen’s nicht.
Ich will nur wissen, wen du nahmst gefangen,
Und dann die Zahl der Toten überschaun.
Karl
.
Gefangne willst du? Sie bewahrt die Hölle.
Doch sag mir, wen du suchst?
Lucy
.
Wo ist des Feldes mächtiger Alcides,
Der tapfre Talbot, Graf von Shrewsbury?
Ernannt für seine seltnen Waffentaten
Zum Graf von Wexford, Waterford und Valence,
Lord Talbot von Goodrig und Urchinfield,
Lord Strange von Blackmere, Lord Verdun von Alton,
Lord Cromwell von Wingfield, Lord Furnival von Sheffield,
Der höchst sieghafte Lord von Falconbridge,
Ritter vom edlen Orden Sankt Georgs,
Des Goldnen Vlieses und Sankt Michaels wert;
Heinrich des Sechsten Oberfeldhauptmann
Für alle seine Krieg’ im Frankenreich?
Pucelle
.
Das ist ein albern prächt’ger Stil, fürwahr!
Der Türk’, der zweiundfunfzig Reiche hat,
Schreibt keinen so verdrießlich langen Stil.
Er, den du ausstaffierst mit all den Titeln,
Liegt stinkend und verwesend dir zu Füßen.
Lucy
.
Ist Talbot tot, der Franken einz’ge Geißel,
Schreck eures Lands und schwarze Nemesis?
O würden meine Augen Büchsenkugeln,
Daß ich sie wütend euch ins Antlitz schösse!
O könnt’ ich nur erwecken diese Toten,
Es wär’ genug, der Franken Reich zu schrecken;
Blieb’ unter euch sein Bildnis übrig nur,
Den Stolzesten von euch würd’ es verwirren.
Gebt mir die Leichen, daß ich hinweg sie trage
Und sie bestatte, wie ihr Wert es heischt.
Pucelle
.
Der aufgeschoßne Fremdling, denk’ ich, ist
Des alten Talbots Geist; wie spräch’ er sonst
Mit so gebieterischem stolzen Sinn?
Um Gottes willen, gebt sie! Hier behalten,
Vergiften sie die Luft nur mit Gestank.
Karl
.
Geht, bringt die Leichen fort!
Lucy
.
Fort trag’ ich sie;
Allein aus ihrer Asche wird erweckt
Ein Phönix, welcher einst ganz Frankreich schreckt.
Karl
.
Sind wir nur ihrer los, macht, was Ihr wollt, damit.
Nun nach Paris, von Siegeslust getragen:
Nichts widersteht, da Talbot ist erschlagen.
Alle ab.
¶
FÜNFTER AUFZUG
Erste Szene
London. Ein Zimmer im Palast.
König Heinrich, Glaster und Exeter treten auf.
König Heinrich
.
Habt Ihr die Briefe durchgesehn vom Papst,
Vom Kaiser und dem Grafen von Armagnac?
Gloster
.
Ja, gnäd’ger Fürst, und dieses ist ihr Inhalt:
Sie bitten Eure Herrlichkeit ergebenst,
Daß zwischen England und der Franken Reich
Ein frommer Frieden mag geschlossen werden.
König Heinrich
.
Und wie bedünkt der Vorschlag Euer Gnaden?
Gloster
.
Gut, bester Herr, und als der einz’ge Weg,
Vergießung unsers Christenbluts zu hemmen
Und
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