Sämtliche Dramen
Bruder Montague soll schnell nach London:
Den edlen Warwick, Cobham und die andern,
Die wir dem König als Protektors ließen,
Laßt sich mit mächt’ger Politik verstärken
Und nicht des schwachen Heinrichs Eiden traun.
Montague
.
Bruder, ich geh’, ich will sie schon gewinnen
Und nehme so dienstwillig meinen Abschied.
Ab.
Sir John und Sir Hugh Mortimer treten auf.
York
.
Sir John und Sir Hugh Mortimer, Oheime!
Ihr kommt nach Sandal zu gelegner Zeit:
Das Heer der Königin will uns belagern.
Sir John
.
Sie braucht es nicht, wir treffen sie im Feld.
York
.
Was? Mit fünftausend Mann?
Richard
.
Ja mit fünfhundert, Vater, wenn es gilt.
Ein Weib ist Feldherr: was ist da zu fürchten?
Ein Marsch in der Ferne.
Eduard
.
Ich hör’ die Trommeln; ordnen wir die Mannschaft
Und ziehn hinaus und bieten gleich die Schlacht.
York
.
Fünf gegen zwanzig! Große Übermacht;
Doch zweifl’ ich, Oheim, nicht an unserm Sieg.
Ich hab’ in Frankreich manche Schlacht gewonnen,
Wo zehn die Feinde waren gegen eins:
Weswegen sollt’ es minder jetzt gelingen?
Getümmel. Alle ab.
¶
Dritte Szene
Ebne bei der Burg Sandal.
Getümmel, Angriffe. Hierauf kommen Rutland und sein Lehrmeister.
Rutland
.
Ach, wohin soll ich fliehn vor ihren Händen?
Ach, Meister, sieh! Da kommt der blut’ge Clifford.
Clifford tritt auf mit Soldaten.
Clifford
.
Kaplan, hinweg! Dich schirmt dein Priestertum,
Allein die Brut von dem verfluchten Herzog,
Des Vater meinen Vater schlug, – die stirbt.
Lehrmeister
.
Und ich, Mylord, will ihm Gesellschaft leisten.
Clifford
.
Soldaten, fort mit ihm!
Lehrmeister
.
Ach, Clifford, morde nicht ein schuldlos Kind,
Daß du verhaßt nicht wirst bei Gott und Menschen!
Er wird von den Soldaten mit Gewalt abgeführt.
Clifford
.
Nun, ist er tot schon? Oder ist es Furcht,
Was ihm die Augen schließt? – Ich will sie öffnen.
Rutland
.
So blickt der eingesperrte Löw’ ein Opfer,
Das unter seinen Tatzen zittert, an;
So schreitet er, verhöhnend seinen Raub,
Und kommt so, seine Glieder zu zerreißen.
Ach, lieber Clifford, laß dein Schwert mich töten
Und nicht solch einen grausam droh’nden Blick!
Hör’, bester Clifford, eh’ ich sterbe, mich:
Ich bin viel zu gering für deinen Grimm,
An Männern räche dich, und laß mich leben!
Clifford
.
Vergeblich, armer Junge! Deinen Worten
Stopft meines Vaters Blut den Eingang zu.
Rutland
.
Laß meines Vaters Blut ihn wieder öffnen;
Er ist ein Mann: miß, Clifford, dich mit ihm.
Clifford
.
Hätt’ ich auch deine Brüder hier, ihr Leben
Und deines wär’ nicht Rache mir genug.
Ja, grüb’ ich deiner Ahnen Gräber auf
Und hängt’ in Ketten auf die faulen Särge,
Mir gäb’s nicht Ruh’ noch Lind’rung meiner Wut.
Der Anblick irgendwes vom Hause York
Befällt wie eine Furie mein Gemüt,
Und bis ich den verfluchten Stamm vertilge,
Daß keiner nachbleibt, leb’ ich in der Hölle.
Darum –
Er hebt den Arm auf.
Rutland
.
O laß mich beten, eh’ der Tod mich trifft!
Zu dir bet’ ich: Erbarmen, lieber Clifford!
Clifford
.
Erbarmen, wie die Degenspitz’ es beut.
Rutland
.
Nie tat ich Leides dir: warum mich morden?
Clifford
.
Dein Vater tat’s.
Rutland
.
Eh’ ich geboren war.
Erbarm’ dich, deines einen Sohnes willen,
Daß nicht zur Rache (denn gerecht ist Gott)
Er kläglich werd’ erschlagen so wie ich.
Ach, laß mich lebenslang gefangen sein
Und, geb’ ich Anlaß dir zum Ärgernis,
So bring’ mich um: jetzt hast du keinen Grund.
Clifford
.
Keinen Grund?
Dein Vater schlug mir meinen, also stirb.
Ersticht ihn.
Rutland
.
Di faciant, laudis summa sit ista tuae.
Stirbt.
Clifford
.
Plantagenet! Ich komm’, Plantagenet!
Dies deines Sohns Blut, mir am Degen klebend,
Soll rosten dran, bis deins, in eins geronnen
Mit seinem, beides weg mich wischen läßt.
Ab.
¶
Vierte Szene
Ebendaselbst.
Getümmel. York tritt auf.
York
.
Das Heer der Königin gewinnt das Feld;
Mich rettend fielen meine beiden Onkel,
Und all mein Volk weicht dem erhitzten Feind
Und flieht wie Schiffe vor dem Wind, wie Lämmer,
Verfolgt von ausgehungert gier’gen Wölfen.
Gott weiß, was meine Söhne hat betroffen;
Doch weiß ich dies: sie hielten sich wie Männer,
Zum Ruhm geboren, lebend oder tot.
Dreimal drang Richard bis zu mir hindurch,
Rief dreimal: »Mutig, Vater! Ficht es aus!«
So oft kam Eduard auch an meine Seite,
Mit purpurnem Gewehr, bis an den Griff
Gefärbt in derer Blut, die
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