Sämtliche Dramen
Heil’ger, wo ich Teufel bin.
Zwei Mörder kommen.
Doch still! Da kommen meine Henkersknechte. –
Nun, meine wackern, tüchtigen Gesellen,
Geht ihr anjetzt, den Handel abzutun?
Erster Mörder
.
Ja, gnäd’ger Herr, und kommen um die Vollmacht,
Damit man uns einlasse, wo er ist.
Gloster
.
Ganz wohl bedacht! Ich habe hier sie bei mir;
gibt ihnen die Vollmacht
Wann ihr’s vollbracht habt, kommt nach Crosby-Hof.
Doch seid mir schleunig bei der Ausführung,
Zugleich verhärtet euch, hört ihn nicht an;
Denn Clarence ist beredt und kann vielleicht
Das Herz euch rühren, wenn ihr auf ihn achtet.
Erster Mörder
.
Pah, gnäd’ger Herr! Wir schwatzen nicht erst lang’;
Wer Worte macht, tut wenig: seid versichert,
Die Hände brauchen wir und nicht die Zungen.
Gloster
.
Ihr weint Mühlsteine, wie die Narren Tränen;
Ich hab’ euch gerne, Burschen: frisch ans Werk!
Geht! Geht! Macht zu!
Erster Mörder
.
Wir wollen’s, edler Herr.
Alle ab.
¶
Vierte Szene
Ein Zimmer im Turm.
Clarence und Brakenbury treten auf.
Brakenbury
.
Wie sieht Eu’r Gnaden heut so traurig aus?
Clarence
.
Oh, ich hatt’ eine jämmerliche Nacht,
Voll banger Träume, scheußlicher Gesichte!
So wahr als ich ein frommer, gläub’ger Christ,
Ich brächte nicht noch eine Nacht so zu,
Gölt’ es auch eine Welt beglückter Tage:
So voll von grausem Schrecken war die Zeit.
Brakenbury
.
Was war Eu’r Traum, Mylord? Ich bitt’ Euch, sagt mir.
Clarence
.
Mir deucht’, ich war entsprungen aus dem Turm
Und eingeschifft, hinüber nach Burgund,
Und mich begleitete mein Bruder Gloster.
Der lockt’ aus der Kajüte mich, zu gehn
Auf dem Verdeck; von da sahn wir nach England
Und führten tausend schlimme Zeiten an
Vom Kriege zwischen York und Lancaster,
Die uns betroffen. Wie wir schritten so
Auf des Verdeckes schwindlichtem Getäfel,
Schien mir’s, daß Gloster strauchelt’ und im Fallen
Mich, der ihn halten wollte, über Bord
In das Gewühl der Meereswogen riß.
O Gott! Wie qualvoll schien mir’s, zu ertrinken!
Welch grauser Lärm des Wassers mir im Ohr!
Welch scheußlich Todesschauspiel vor den Augen!
Mir deucht’, ich säh’ den Graus von tausend Wracken,
Säh’ tausend Menschen, angenagt von Fischen;
Goldklumpen, große Anker, Perlenhaufen,
Stein’ ohne Preis, unschätzbare Juwelen,
Zerstreuet alles auf dem Grund der See.
In Schädeln lagen ein’ge; in den Höhlen,
Wo Augen sonst gewohnt, war eingenistet,
Als wie zum Spotte, blinkendes Gestein,
Das buhlte mit der Tiefe schlamm’gem Grund
Und höhnte die Gerippe rings umher.
Brakenbury
.
Ihr hattet Muß’ im Augenblick des Todes,
Der Tiefe Heimlichkeiten auszuspähn?
Clarence
.
Mir deuchte so, und oft strebt’ ich, den Geist
Schon aufzugeben: doch die neid’sche Flut
Hielt meine Seel’ und ließ sie nicht heraus,
Die weite, leere, freie Luft zu suchen;
Sie würgte mir sie im beklommnen Leib,
Der fast zerbarst, sie in die See zu spein.
Brakenbury
.
Erwachtet Ihr nicht von der Todesangst?
Clarence
.
O nein, mein Traum fuhr nach dem Leben fort:
Oh, da begann erst meiner Seele Sturm!
Mich setzte über die betrübte Flut
Der grimme Fährmann, den die Dichter singen,
In jenes Königreich der ew’gen Nacht.
Zum ersten grüßte da die fremde Seele
Mein Schwiegervater, der berühmte Warwick.
Laut schrie er: »Welche Geißel für Verrat
Verhängt dies düstre Reich dem falschen Clarence?«
Und so verschwand er. Dann vorüber schritt
Ein Schatte wie ein Engel, helles Haar
Mit Blut besudelt, und er schrie laut auf:
»Clarence ist da, der eidvergeßne Clarence,
Der mich im Feld bei Tewksbury erstach!
Ergreift ihn, Furien! Nehmt ihn auf die Folter!«
Somit umfing mich eine Legion
Der argen Feind’ und heulte mir ins Ohr
So gräßliches Geschrei, daß von dem Lärm
Ich bebend aufwacht’ und noch längst nachher
Nicht anders glaubt’, als ich sei in der Hölle:
So schrecklich eingeprägt war mir der Traum.
Brakenbury
.
Kein Wunder, Herr, daß Ihr Euch drob entsetzt;
Mir bangt schon, da ich’s Euch erzählen höre.
Clarence
.
O Brakenbury, ich tat alles dies,
Was jetzo wider meine Seele zeugt,
Um Eduards halb: – und sieh, wie lohnt er’s mir!
O Gott, kann dich mein innig Flehn nicht rühren,
Und willst du rächen meine Missetaten,
So übe deinen Grimm an mir allein!
O schon’ mein schuldlos Weib, die armen Kinder! –
Ich bitt’ dich, lieber Wärter, bleib’ bei mir:
Mein Sinn ist trüb’,
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