Sämtliche Dramen
Zuspruch Eduard trösten?
Buckingham
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Zu Euer Gnaden Dienst.
Alle ab.
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Zweite Szene
Ebendaselbst.
Die Herzogin von York tritt auf mit des Clarence Sohn und Tochter.
Sohn
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Großmutter, sagt uns, ist der Vater tot?
Herzogin
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Nein, Kind.
Tochter
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Was weint Ihr denn so oft und schlagt die Brust?
Und ruft: »O Clarence! Unglücksel’ger Sohn!«
Sohn
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Was seht Ihr so und schüttelt Euren Kopf
Und nennt uns arme, ausgestoßne Waisen,
Wenn unser edler Vater noch am Leben?
Herzogin
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Ihr art’gen Kinder mißversteht mich ganz.
Des Königs Krankheit jammr’ ich, sein Verlust
Macht Sorge mir; nicht eures Vaters Tod:
Verloren wär’ der Gram um den Verlornen.
Sohn
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So wißt Ihr ja, Großmutter, er sei tot.
Mein Ohm, der König, ist darum zu schelten;
Gott wird es rächen: ich will in ihn dringen
Mit eifrigem Gebet um einzig dies.
Tochter
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Das will ich auch.
Herzogin
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Still, Kinder, still! Der König hat euch lieb;
Unschuldige, harmlose Kleinen ihr,
In eurer Einfalt könnt ihr nicht erraten,
Wer eures Vaters Tod verschuldet hat.
Sohn
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Großmutter, doch! Vom guten Oheim Gloster
Weiß ich, der König, von der Königin
Gereizt, sann Klagen aus, ihn zu verhaften.
Und als mein Oheim mir das sagte, weint’ er,
Bedau’rte mich und küßte meine Wange.
Hieß mich auf ihn vertraun als einen Vater,
Er wolle lieb mich haben als sein Kind.
Herzogin
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Ach, daß der Trug so holde Bildung stiehlt
Und Bosheit mit der Tugend Larve deckt!
Er ist mein Sohn, und hierin meine Schmach,
Doch sog er nicht an meiner Brust den Trug.
Sohn
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Denkt Ihr, mein Ohm verstellte sich, Großmutter?
Herzogin
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Ja, Kind.
Sohn
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Ich kann’s nicht denken. Horch, was für ein Lärm
Königin Elisabeth tritt auf, außer sich; Rivers und Dorset folgen ihr.
Elisabeth
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Wer will zu weinen mir und jammern wehren,
Mein Los zu schelten und mich selbst zu plagen?
Bestürmen mit Verzweiflung meine Seele
Und selber meine Feindin will ich sein.
Herzogin
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Wozu der Auftritt wilder Ungeduld?
Elisabeth
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Zu einem Aufzug trag’schen Ungestüms:
Der König, mein Gemahl, dein Sohn, ist tot.
Was blühn die Zweige, wenn der Stamm verging?
Was welkt das Laub nicht, dem sein Saft gebricht?
Wollt Ihr noch leben? Jammert! Sterben? Eilt!
Daß unsre Seelen seiner nach sich schwingen,
Ihm folgend wie ergebne Untertanen
Zu seinem neuen Reich der ew’gen Ruh’.
Herzogin
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Ach, so viel Teil hab’ ich an deinem Leiden,
Als Anspruch sonst an deinem edlen Gatten.
Ich weint’ um eines würd’gen Gatten Tod
Und lebt’ im Anblick seiner Ebenbilder;
Nun sind zwei Spiegel seiner hohen Züge
Zertrümmert durch den bösgesinnten Tod;
Mir bleibt zum Troste nur ein falsches Glas,
Worin ich meine Schmach mit Kummer sehe.
Zwar bist du Witwe, doch du bist auch Mutter,
Und deiner Kinder Trost ward dir gelassen:
Mir riß der Tod den Gatten aus den Armen
Und dann zwei Krücken aus den schwachen Händen,
Clarence und Eduard. O wie hab’ ich Grund,
Da deins die Hälfte meines Leids nur ist,
Dein Wehgeschrei durch meins zu übertäuben!
Sohn
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Ach, Muhm’, Ihr weintet nicht um unsern Vater:
Wie hülfen wir Euch mit verwandten Tränen?
Tochter
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Blieb unsre Waisennot doch unbeklagt;
Sei unbeweint auch Euer Witwengram!
Elisabeth
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O steht mir nicht mit Jammerklagen bei,
Ich bin nicht unfruchtbar, sie zu gebären.
In meine Augen strömen alle Quellen,
Daß ich, hinfort vom feuchten Mond regiert,
Die Welt in Tränenfülle mög’ ertränken.
Ach, weh um meinen Gatten, meinen Eduard!
Die Kinder
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Um unsern Vater, unsern teuern Clarence!
Herzogin
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Um beide, beide mein, Eduard und Clarence!
Elisabeth
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Wer war mein Halt als Eduard? Er ist hin.
Die Kinder
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Wer unser Halt als Clarence? Er ist hin.
Herzogin
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Wer war mein Halt als sie? Und sie sind hin.
Elisabeth
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Nie keine Witwe büßte so viel ein.
Die Kinder
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Nie keine Waise büßte so viel ein.
Herzogin
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Nie keine Mutter büßte so viel ein.
Weh mir! Ich bin die Mutter dieser Leiden:
Vereinzelt ist ihr Weh, meins allgemein.
Sie weint um einen Eduard, und ich auch;
Ich wein’ um einen Clarence, und sie nicht;
Die Kinder weinen Clarence, und ich auch:
Ich wein’ um einen Eduard, und sie nicht.
Ach, gießt ihr drei auf mich dreifach Geschlagne
All eure Tränen: Wärterin des Grams,
Will ich mit Jammern reichlich ihn ernähren.
Dorset
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Mut, liebe Mutter! Gott ist ungehalten,
Daß Ihr sein Tun mit Undank so empfangt.
In
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