Sämtliche Dramen
Verdienst zur Vormundschaft.
Erster Bürger
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Die hat er auch vom Vater wie der Mutter.
Dritter Bürger
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Viel besser wär’s, sie wären bloß vom Vater,
Oder es wär’ vom Vater ihrer keiner.
Denn Eifersucht, der Nächste nun zu sein,
Tritt uns gesamt zu nah, wenn’s Gott nicht wendet.
Oh, sehr gefährlich ist der Herzog Gloster,
Der Kön’gin Söhn’ und Brüder frech und stolz;
Und würden sie beherrscht und herrschten nicht,
Dies kranke Land gediehe noch wie sonst.
Erster Bürger
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Geht, geht! Wir zagen: alles wird noch gut.
Dritter Bürger
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Wann Wolken ziehn, nimmt man den Mantel um,
Wann Blätter fallen, ist der Winter nah;
Wer harrt der Nacht nicht, wann die Sonne sinkt?
Unzeit’ge Stürme künden Teu’rung an.
Noch kann es gut gehn: doch, wenn’s Gott so lenkt,
Ist’s mehr, als ich erwart’ und wir verdienen.
Zweiter Bürger
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Wahrlich, der Menschen Herzen sind voll Furcht:
Ihr könnt nicht reden fast mit einem Mann,
Der nicht bedenklich aussieht und voll Schrecken.
Dritter Bürger
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So ist es immer vor des Wechsels Tagen.
Auf höhern Antrieb mißtraun die Gemüter
Der kommenden Gefahr; so sehn wir ja
Die Wasser schwellen vor dem wüsten Sturm.
Doch lassen wir das Gotte. Wohin geht’s?
Zweiter Bürger
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Die Richter haben beid’ uns rufen lassen.
Dritter Bürger
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Mich auch; so will ich euch Gesellschaft leisten.
Alle ab.
¶
Vierte Szene
Ein Zimmer im Palast.
Der Erzbischof von York, der junge Herzog von York, Königin Elisabeth und die Herzogin von York treten auf.
Erzbischof
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Sie lagen, hör’ ich, nachts zu Northampton;
Zu Stony-Stratford soll’n sie heute sein,
Und morgen oder übermorgen hier.
Herzogin
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Von Herzen sehr verlangt mich nach dem Prinzen.
Seit ich ihn sah, ist er gewachsen, hoff’ ich.
Elisabeth
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Ich höre, nein: sie sagen, mein Sohn York
Hat fast in seinem Wuchs ihn eingeholt.
York
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Ja, Mutter; doch ich wollt’, es wär’ nicht so.
Herzogin
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Warum, mein Enkel? Wachsen ist ja gut.
York
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Großmutter, einmal speisten wir zu Nacht,
Da sprach mein Oheim Rivers, wie ich wüchse
Mehr als mein Bruder; »Ja«, sagt’ Oheim Gloster,
»Klein Kraut ist fein, groß Unkraut hat Gedeihn.«
Seitdem nun möcht’ ich nicht mit Wachsen eilen,
Weil Unkraut schießt und süße Blumen weilen.
Herzogin
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Fürwahr, fürwahr! das Sprichwort traf nicht zu
Bei ihm, der selbiges dir vorgerückt:
Er war als Kind das jämmerlichste Ding,
Er wuchs so langsam und so spät heran,
Daß, wär’ die Regel wahr, er müßte fromm sein.
Erzbischof
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Auch zweifl’ ich nicht, das ist er, gnäd’ge Frau.
Herzogin
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Ich hoff’, er ist’s; doch laßt die Mutter zweifeln.
York
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Nun, meiner Treu, hätt’ ich es recht bedacht,
So konnt’ ich auch dem gnäd’gen Ohm sticheln
Auf seinen Wachstum, mehr als er auf meinen.
Herzogin
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Wie, junger York? Ich bitte, laß mich’s hören.
York
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Ei, wie sie sagen, wuchs mein Oheim so schnell,
Daß er, zwei Stunden alt, schon Rinden nagte;
Zwei volle Jahre hatt’ ich keinen Zahn.
Großmutter, beißend wär’ der Spaß gewesen.
Herzogin
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Mein art’ger York, wer hat dir das gesagt?
York
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Großmutter, seine Amme.
Herzogin
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Ei, die war tot, eh’ du geboren warst.
York
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Wenn sie’s nicht war, so weiß ich es nicht mehr.
Elisabeth
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Ein kecker Bursch! – Geh, du bist zu durchtrieben.
Erzbischof
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Zürnt nicht mit einem Kinde, gnäd’ge Frau.
Elisabeth
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Die Krüge haben Ohren.
Ein Bote tritt auf.
Erzbischof
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Da kommt ein Bote, seht. – Was gibt es Neues?
Bote
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Mylord, was anzumelden mich betrübt.
Elisabeth
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Was macht der Prinz?
Bote
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Er ist gesund und wohl.
Herzogin
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Was bringst du sonst?
Bote
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Lord Rivers und Lord Grey sind fort nach Pomfret,
Benebst Sir Thomas Vaughan, als Gefangne.
Herzogin
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Und wer hat sie verhaftet?
Bote
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Die mächt’gen Herzoge, Gloster und Buckingham.
Elisabeth
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Für welch Vergeh’n?
Bote
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Was ich nur weiß und kann, eröffnet’ ich.
Warum, wofür die Herrn verhaftet sind,
Ist gänzlich unbenannt mir, gnäd’ge Fürstin.
Elisabeth
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Weh mir! Ich sehe meines Hauses Sturz.
Der Tiger hat das zarte Reh gepackt;
Verwegne Tyrannei beginnt zu stürmen
Auf den harmlosen, ungescheuten Thron.
Willkommen, Blut, Zerstörung, Metzelei!
Ich sehe, wie im Abriß, schon das Ende.
Herzogin
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Verfluchte Tage unruhvollen Zanks!
Wie manchen euer sah mein Auge schon!
Mein Gatte ließ sein Leben um die Krone,
Und
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