Sämtliche Dramen
Gebet: die Treue,
Die immer wuchs und stets noch wachsen soll,
Bis Tod sie, jener Winter, hinrafft.
König
.
Schön!
Die Antwort schildert ganz den Untertan,
Den treuen: Ehre dem, der also wandelt;
So wie das Gegenteil die Schande straft.
Nun glaub’ ich, daß, wie meine Hand Euch offen,
Liebe mein Herz, mein Thron Euch Ehren schenkte,
Euch mehr denn irgendwem: so müßten auch
Eu’r Herz und Hirn und Hand und jede Kraft,
Außer der allgemeinen Pflicht der Treue,
Noch, so zu sagen, in besondrer Liebe,
Mir mehr als andern hingegeben sein.
Wolsey
.
Auch hehl’ ich’s nicht, wie Eurer Hoheit Wohl
Mir mehr als meines stets am Herzen lag;
So bin, so halt’s ich’s, und so will ich bleiben,
Ob auch die ganze Welt den Eid Euch bräche
Und aus der Brust ihn bannt’; und ob Gefahren
Sich häuften, dichter, als sich’s denken läßt,
Und in entsetzlichern Gestalten: dennoch,
Wie Felsen in den stürm’schen Wogen, würde
Mein treues Herz dem wilden Strom ein Damm sein
Und Euer bleiben sonder Wanken –
König
.
Trefflich
Geredet; merkt, ihr Herrn, welch treues Herz!
Denn offen saht ihr’s. –
Gibt ihm Papiere.
Lest dies durch!
Und darauf dies: und dann zum Morgenimbiß
Mit so viel Eßlust Euch noch bleibt.
Der König geht ab und wirft einen zornigen Blick auf Wolsey.
Die Hofleute drängen sich ihm nach und flüstern und lächeln untereinander.
Wolsey
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Was war dies?
Welch hast’ge Laun’, und wie erweckt’ ich sie?
Er ging in Zorn von mir, als sprühte Tod
Aus seinem Blick: so schaut der grimme Löwe,
Wenn ihn der kühne Jägersmann verletzt,
Vertilgt ihn dann. Lesen muß ich das Blatt:
Die Ursach’, fürcht’ ich, seines Zorns. – So ist’s.
Dies Blatt hat mich vernichtet – ’s ist die Summe
Des unermeßnen Reichtums, den ich sparte
Zu meinem Zweck: im Grunde für das Papsttum.
Die Freund’ in Rom zu zahlen. Nachlässigkeit,
Durch die ein Narr nur stürzt! Welch böser Teufel
Schob mir dies Hauptgeheimnis ins Paket,
Das ich dem König gab? Kein Weg zur Heilung?
Kein Kunstgriff, der’s ihm aus dem Sinne schlüge?
Ich weiß, es reizt ihn heftig; doch ich finde
Noch einen Weg, der mich dem Glück zum Trotz
Herausziehn soll. – Was seh’ ich? – An den Papst ?
Der Brief, bei Gott! die ganze Unterhandlung,
Wie ich’s dem Papst vertraut. – Nun, dann ist’s aus! –
Ich stand auf meiner Größe höchster Sprosse,
Und von der Mittagslinie meines Ruhms
Eil’ ich zum Niedergang. Ich werde fallen,
Wie in der Nacht ein glänzend Dunstgebild,
Und niemand mehr mich sehn. –
Die Herzoge von Norfolk und Suffolk, der Graf von Surrey und der Lord Kämmerer treten auf.
Norfolk
.
Vernehmt des Königs
Gefallen, Kardinal; er heißt Euch, schleunig
Das große Siegel an uns abzuliefern
Zu eigner Hand und Euch zurückzuziehn
Nach Asherhouse, als Eurem Bischofssitz,
Bis Ihr ein Weitres werdet hören.
Wolsey
.
Halt!
Wo habt Ihr Vollmacht? Nimmer end’gen Worte
Solch hohes Ansehn.
Suffolk
.
Wer darf widersprechen,
Wenn sie aus Königs Mund Befehle senden?
Wolsey
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Bis ich mehr seh’ als Absicht nur und Worte
Und eure Falschheit: wißt, geschäft’ge Lords,
Daß ich’s verweigern werd’ und kann. Jetzt fühl’ ich,
Aus welchem schnöden Erz ihr seid gegossen
Aus Neid. Wie emsig meinem Fall ihr folget,
Als nährt’ er euch! Und wie so weich und glatt
Ihr alles heuchelt, bringt mir’s nur Verderben! –
Folgt eurer tück’schen Art, Männer der Bosheit!
Stützt euch auf euer christlich Recht, es wird
Zu seiner Zeit euch wohl belohnt. Das Siegel,
Das ihr so heftig fordert, gab der König
(Mein Herr und euer) mir mit eigner Hand,
Verhieß es mir, zugleich mit Würd’ und Amt,
Aufs Leben: und zu fest’gen seine Gnade,
Bestätigt’ er’s durch offnen Brief. Wer nimmt’s mir?
Surrey
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Der König, der’s Euch gab.
Wolsey
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So tu’ er’s selber!
Surrey
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Du bist ein stolzer Hochverräter, Pfaff’! –
Wolsey
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Das lügst du, stolzer Lord!
Vor vierzig Stunden hätte Surrey lieber
Die Zunge weggebrannt, als dies gesagt.
Surrey
.
Dein Ehrgeiz, du scharlachne Sünd’, entriß
Uns Weinenden den edlen Buckingham.
Die Häupter aller Kardinäl’ auf Erden,
Und dich dazu, und all dein bestes Tun,
Ersetzten noch kein Haar von ihm. Fluch Euch!
Ihr schicktet als Regenten mich nach Irland,
Vom König fern, von seiner Hülf’ und allem,
Was Gnade schuf dem falsch erfundnen Fehl,
Indes aus heil’gem Mitleid Eu’r
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