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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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zu schaun. Es drängen sich
    Fast nie gesehne Priester durch den Schwarm
    Und stoßen, um beim Pöbel Platz zu finden;
    Verhüllte Frau’n ergeben Weiß und Rot
    Auf zartgeschonter Wang’ dem wilden Raub
    Von Phöbus’ Feuerküssen. Solch ein Wirrwarr,
    Als wenn ein fremder Gott, der mit ihm ist,
    Sich still in seine Menschenart geschlichen
    Und ihm der Anmut Zauber mitgeteilt.
    Sicinius
.
    Im Umsehn, glaub’ mir, wird er Konsul sein.
    Brutus
.
    Dann schlafe unser Amt, solang’ er herrscht!
    Sicinius
.
    Er kann nicht mäß’gen Schritts die Würden tragen
    Vom Anfang bis zum Ziel; er wird vielmehr
    Verlieren den Gewinn.
    Brutus
.
    Das ist noch Trost.
    Sicinius
.
    Oh, zweifelt nicht, das Volk, für das wir stehn,
    Vergißt, nach angeborner Bosheit, leicht
    Auf kleinsten Anlaß diesen neuen Glanz;
    Und daß er Anlaß gibt, ist so gewiß,
    Als ihn sein Hochmut spornt.
    Brutus
.
    Ich hört’ ihn schwören,
    Würb’ er ums Konsulat, so wollt’ er nicht
    Erscheinen auf dem Marktplatz, noch sich hüllen
    Ins abgetrag’ne, schlichte Kleid der Demut;
    Noch, wie die Sitt’ ist, seine Wunden zeigend
    Dem Volk, um ihren übeln Atem betteln.
    Sicinius
.
    Gut!
    Brutus
.
    So war sein Wort. Eh’ gibt er’s auf, als daß
    Er’s nimmt, wenn nicht der Adel ganz allein
    Es durchsetzt mit den Vätern.
    Sicinius
.
    Höchst erwünscht!
    Bleibt er nur bei dem Vorsatz und erfüllt ihn,
    Kommt’s zur Entscheidung.
    Brutus
.
    Glaubt’s, er wird es tun.
    Sicinius
.
    Dies, so gewiß wie unsre Lieb’ zu ihm,
    Ist dann sein sichrer Sturz.
    Brutus
.
    Der muß erfolgen,
    Sonst fallen wir. Zu diesem Endzweck denn
    Bereden wir das Volk, daß er sie stets
    Gehaßt; und, hätt’ er Macht, zu Eseln sie
    Umschafft’, verstummen hieße ihre Sprecher,
    Und ihre Freiheit bräche, sie so haltend,
    In Fähigkeit des Geists und Kraft zu handeln,
    Von nicht mehr Seel’ und Tatkraft für die Welt,
    Als das Kamel im Krieg, das nur sein Futter
    Erhält, um Last zu tragen, – herbe Schläge
    Wenn’s unter ihr erliegt.
    Sicinius
.
    Dies eingeblasen,
    Wenn seine Frechheit einst im höchsten Flug
    Das Volk erreicht (woran’s nicht fehlen wird,
    Bringt man ihn auf, und das ist leichter noch,
    Als Hund’ auf Schafe hetzen), wird zur Glut,
    Ihr dürr Gestrüpp zu zünden, dessen Dampf
    Ihn schwärzen wird auf ewig.
    Ein Bote tritt auf.
    Brutus
.
    Nun, was gibt’s?
    Bote
.
    Ihr seid aufs Kapitol geladen. Sicher
    Glaubt man, daß Marcius Konsul wird. Ich sah
    Die Stummen drängen, ihn zu sehn, die Blinden,
    Ihn zu vernehmen; Frauen warfen Handschuh’,
    Jungfrau’n und Mädchen Bänder hin und Tücher,
    Wo er vorbei ging; die Patrizier neigten
    Wie vor des Jovis Bild. Das Volk erregte
    Mit Schrei’n und Mützenwerfen Donnerschauer.
    So etwas sah ich nie.
    Brutus
.
    Zum Kapitol!
    Habt Ohr und Auge, wie’s die Zeit erheischt,
    Und Herz für die Entscheidung! –
    Sicinius
.
    Nehmt mich mit!
    Alle ab.
    ¶

Zweite Szene
    Zwei Ratsdiener, welche Polster legen.
    Erster Ratsdiener
. Komm, komm! Sie werden gleich hier sein. Wie viele werben um das Konsulat?
    Zweiter Ratsdiener
. Drei, heißt es; aber jedermann glaubt, daß Coriolanus es erhalten wird.
    Erster Ratsdiener
. Das ist ein wackrer Gesell; aber er ist verzweifelt stolz und liebt das gemeine Volk nicht.
    Zweiter Ratsdiener
. Ei! es hat viel große Männer gegeben, die dem Volk schmeichelten und es doch nicht liebten. Und es gibt manche, die das Volk geliebt hat, ohne zu wissen, warum? Also, wenn sie lieben, so wissen sie nicht, weshalb, und sie hassen aus keinem besseren Grunde; darum, weil es den Coriolanus nicht kümmert, ob sie ihn lieben oder hassen, beweist er die richtige Einsicht, die er von ihrer Gemütsart hat; und seine edle Sorglosigkeit zeigt ihnen dies deutlich.
    Erster Ratsdiener
. Wenn er sich nicht darum kümmerte, ob sie ihn lieben oder nicht, so würde er sich unparteiisch in der Mitte halten und ihnen weder Gutes noch Böses tun; aber er sucht ihren Haß mit größerm Eifer, als sie es ihm erwidern können, und unterläßt nichts, was ihn vollständig als ihren Gegner zeigt. Nun, sich die Miene geben, daß man nach dem Haß und dem Mißvergnügen des Volkes strebt, ist so schlecht wie das, was er verschmäht: ihnen, um ihrer Liebe willen, zu schmeicheln.
    Zweiter Ratsdiener
. Er hat sich um sein Vaterland sehr verdient gemacht. Und sein Aufsteigen ist nicht auf so bequemen Staffeln, wie jener, welche geschmeidig und höflich gegen das Volk, mit geschwenkten Mützen, ohne

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