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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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schösst’ ihr gegen Sturm und Wind! –
    Nun, Knabe, frisch; sowie ich winke, schießt!
    Verlaßt euch drauf, ich schrieb es mit Bedacht; –
    Da ist kein Gott, zu dem ich nicht gefleht.
    Marcus
.
    Vettern, schießt alle Pfeil’ ihm in den Burghof;
    Verwunden laßt uns dieses Kaisers Stolz!
    Titus
.
    Nun zieht die Sennen! –
    Sie schießen.
    Wohlgetroffen, Lucius! –
    Brav, Knab’! In Virgos Schoß; nun hilf Minerva!
    Marcus
.
    O Herr, weit übern Mond schoß ich hinaus,
    Eu’r Brief muß jetzt beim Jupiter schon sein.
    Titus
.
    Ha, Publius, Publius! Was hast du vollbracht?
    Sieh, eins von Taurus’ Hörnern abgeschossen!
    Marcus
.
    Titus, das war der Spaß: als Publius schoß,
    Ward Taurus wild, gab Aries solchen Stoß,
    Daß sein Gehörn herabfiel in den Hof;
    Wer, meint Ihr, fand’s, als Tamoras Gesell?
    Sie lacht’ und rief dem Mohren, augenblicks
    Dem Kaiser es zu bringen als Geschenk.
    Titus
.
    So paßt sich’s recht! Gott geb’ Eu’r Hoheit Freude!
    Ein Bauer tritt auf, der einen Korb mit zwei Tauben trägt.
    Nachricht vom Himmel, Marcus! Sieh den Boten!
    Was bringst du, Freund? Sind Briefe da für uns?
    erscheint uns Recht? Was sagt der Lenker Zeus?
    Bauer
. Holla! Was der Henker Neues sagt? Er sagt, er hat den Galgen noch nicht in Ordnung, denn der Mensch soll erst nächste Woche hängen.
    Titus
. Still! Was erwidert Zeus, ich frag’ es nochmals?
    Bauer
. Ach, Herr, Euern Zeisig kenn’ ich nicht, mit dem hab’ ich all meine Lebtage nicht getrunken.
    Titus
. Wie! Bist du sein Briefträger nicht, Gesell?
    Bauer
. Meine Tauben habe ich hergetragen, Herr, sonst nichts.
    Titus
. So kommst du nicht vom Himmel?
    Bauer
. Vom Himmel? Ach, gnädiger Herr, da bin ich nie gewesen; Gott behüte mich, daß ich so dreist sein sollte, und mich in meinen jungen Tagen in den Himmel eindrängen. Seht, ich gehe mit meinen Tauben zu dem Tribunalplebs, weil ich einen Zank zwischen meinem Vetter und einem von Seiner Kaiserlichkeit Bedienten schlichten helfen will.
    Marcus
. Seht, Bruder, das kommt uns so gelegen wie möglich, um Eure Supplik zu unterstützen; laßt Ihr dem Kaiser die Tauben in Euerm Namen bringen!
    Titus
. Sag mir, kannst du dem Kaiser eine Supplik mit einiger Grazie einreichen?
    Bauer
. Nein, bewahre Gott, Herr, mit dem Gratias habe ich all meine Tage nicht fertig werden können.
    Titus
.
    Freund, komm heran, mach’ nicht viel Wesens hier;
    Gib deine Tauben in des Kaisers Hand,
    Ich schaffe dir Gerechtigkeit von ihm;
    Wart’ noch, hier hast du Geld für deine Müh’!
    Gebt mir Papier und Feder!
    Reichst du mir die Supplik mit Grazie ein?
    Bauer
. Ja, Herr.
    Titus
. Hier also ist ein Gesuch für dich. Und wenn du vor ihm erscheinst, mußt du beim ersten Eintritt knien, dann ihm die Füße küssen, dann deine Tauben überreichen, dann deinen Lohn erwarten. Ich werde in der Nähe sein, Bursch; sieh zu, daß du deine Sache gut machst!
    Bauer
.
    Seid unbesorgt, Herr, laßt mich nur machen!
    Titus
.
    Hast du ein Messer, Bursch? Komm, zeig’ es mir!
    Hör’, Marcus, falt’ es in die Bittschrift ein;
    (Du schriebst ja wie ein armer Bittender, –)
    Und wenn du sie dem Kaiser überreicht,
    Klopf’ an mein Tor, und sag mir, was er sprach!
    Bauer
.
    Gott befohlen, Herr, ich will’s tun.
    Titus
.
    Komm, Marcus, gehn wir; folg’ mir, Publius!
    Alle ab.
    ¶

Vierte Szene
    Im Palast.
    Es treten auf der Kaiser, die Kaiserin und ihre Söhne; der Kaiser hält die von Titus abgeschossenen Pfeile in seiner Hand.
    Saturninus
.
    Wie dünkt euch solche Kränkung? Bot man je
    Roms kaiserlichem Herrscher solchen Trotz,
    Belästigt und erzürnt ihn? – Höhnt ihn so,
    Weil er das Recht erfüllt, den Spruch vollzog?
    Ihr wißt es, Herrn, gleich den allseh’nden Göttern, –
    (Was auch die Störer unsrer Ruh’ dem Volk
    Ins Ohr geraunt –), daß nichts entschieden ward
    Wider des alten Titus frechen Stamm,
    Als nach Gesetz und Recht. Und ob nun auch
    Der Kummer seine Sinne so zerstört,
    Darf seine Rachgier, Fieberhitz’ und Zorn
    Und seine Bitterkeit uns so bedrohn?
    Nun schreibt er an die Götter um Ersatz:
    Seht, hier an Jupiter, dies dem Merkur,
    Dies an Apollo, dies dem Gott des Kriegs: –
    Recht saubre Zettel für den röm’schen Markt!
    Heißt das nicht Läst’rung wider den Senat,
    Verdammung unsres ungerechten Sinns?
    Ein angenehmer Scherz, nicht wahr, ihr Herrn?
    Als wollt’ er sagen, Rom kennt kein Gesetz!
    Doch, wenn ich lebe, soll verstellter Wahnsinn
    Ihm keinen Schutz für diesen Hohn

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