Sämtliche Dramen
unser so vollkommen, Fürst, wie Euer,
Und besser ziemte wohl sich’s für Achill,
Hektorn bezwingen, als Polyxena.
Denn zürnen muß daheim der junge Pyrrhus,
Wenn durch die Inseln Famas Tuba schallt
Und unsre griech’schen Mädchen hüpfend singen:
»Des Hektor Schwester konnt’ Achill besiegen,
Doch Hektor selbst mußt’ Ajax unterliegen.«
Lebt wohl, ich sprach als Freund. Der Tor kann gleiten
Nun übers Eis, weil Ihr’s nicht bracht bei Zeiten.
Ulysses geht ab.
Patroklus
.
Wie oft ermahnt’ ich Euch zu gleichem Zweck –,
Ein Weib, das unverschämt und männlich ward,
Ist nicht so widrig als ein weib’scher Mann,
Wenn’s Taten gilt. Ich werde drum gescholten!
Man glaubt, mein schwacher Eifer für den Krieg
Und Eure Gunst zu mir lähmt Euern Arm:
Drum, Liebster, auf! Des zarten Weichlings Amor
Lieblich Umarmen streift von Euerm Nacken,
Und wie Tautropfen von des Löwen Mähne
Sei er zu luft’gem Nichts zerschüttelt.
Achilles
.
Soll
Ajax mit Hektorn kämpfen?
Patroklus
.
Ja, und vielleicht viel Her’ an ihm gewinnen.
Achilles
.
Ich seh’ es wohl, mein Ruhm steht auf dem Spiel;
Mein Ruf ist schwer verwundet.
Patroklus
.
Oh, dann wahrt Euch!
Denn selbstgeschlagne Wunden heilen schwer!
In Ohnmacht unterlassen das Notwend’ge,
Heißt eine Vollmacht zeichnen der Gefahr:
Und heimlich, faßt Gefahr uns wie ein Fieber,
Selbst wenn wir müßig in der Sonne sitzen.
Achilles
.
Geh, ruf’ mir den Thersites, holder Freund;
Den Narr’n send’ ich zum Ajax und ersuch’ ihn,
Die Troerfürsten zu mir einzuladen,
Uns friedlich nach dem Kampfe hier zu sehn.
Mich treibt ein kranker Wunsch, ein Frau’ngelüst,
Im Hauskleid hier zu sehn den großen Hektor,
Mit ihm zu reden, sein Gesicht zu schaun
Nach Herzenslust. Da sieh, ersparte Müh’! –
Thersites tritt auf.
Thersites
. Ein Wunder!
Achilles
. Was?
Thersites
. Ajax geht das Feld auf und ab und sucht nach sich selbst.
Achilles
. Wieso?
Thersites
. Morgen soll er einen Zweikampf mit Hektor bestehn und ist so prophetisch stolz auf ein heroenmäßiges Abprügeln, daß er, ohne ein Wort zu reden, rast.
Achilles
. Wie das?
Thersites
. Ei nun, er stolziert auf und ab wie ein Pfau; ein Schritt und dann ein Halt; murmelt, wie eine Wirtin, die keine Rechentafel hat als ihren Kopf, um die Zeche richtig zu machen; beißt sich in die Lippe mit einem staatsklugen Blick, als wollt’ er sagen: in diesem Haupt wäre Witz, wenn er nur heraus könnte; und es ist auch vielleicht welcher da, aber er liegt so kalt in ihm, wie Feuer im Kiesel, das nicht zum Vorschein kommt, eh’ er geschlagen wird. Der Mann ist auf ewig geliefert, denn wenn ihm Hektor nicht im Kampf den Hals bricht, so bricht er ihn sich selbst durch seinen Dünkel. Mich kennt er nicht mehr: ich sagte ihm: »Guten Morgen, Ajax!« Und er antwortete: »Großen Dank, Agamemnon!« Was meint Ihr von einem Menschen, der mich für den Feldherrn ansieht? Er ist ein wahrer Landfisch geworden, sprachlos, ein Ungeheuer. Hol’ der Henker die öffentliche Meinung! – Es kann sie einer auf beiden Seiten tragen, wie ein ledernes Wams.
Achilles
. Du sollst mein Gesandter an ihn sein, Thersites.
Thersites
. Wer, ich? Ei, er gibt niemand Antwort: Antworten sind seine Sache nicht; reden schickt sich für Bettler: er trägt die Zunge im Arm. Ich will ihn Euch vorstellen; laßt nun Patroklus Fragen an mich richten. Ihr sollt ein Schauspiel vom Ajax sehn.
Achilles
. Red’ ihn an, Patroklus. Sag ihm, ich lasse den tapfern Ajax in Demut ersuchen, er wolle den großmütigen Hektor einladen, unbewaffnet in meinem Zelt zu erscheinen, und ihm ein sichres Geleit verschaffen bei dem höchst mannhaften und durchlauchtigen, sechs- oder siebenmal preiswürdigen Feldhauptmann des Griechenheers, Agamemnon: – nun, fang’ an!
Patroklus
. Heil dem großen Ajax!
Thersites
. Hum!
Patroklus
. Ich komme von dem edeln Achilles –
Thersites
. Ha!
Patroklus
. Der Euch in aller Demut ersucht, Hektorn in sein Zelt einzuladen –
Thersites
. Hum!
Patroklus
. – und ihm sichres Geleit von Agamemnon zu verschaffen –
Thersites
. Agamemnon?
Patroklus
. Ja, mein Fürst.
Thersites
. Ha! –
Patroklus
. Was meint Ihr dazu?
Thersites
. Gott sei mit Euch! Ganz der Eurige.
Patroklus
. Eure Antwort, Herr!
Thersites
. Wenn’s morgen ein schöner Tag ist, – um elf Uhr, – da wird sich’s finden auf eine oder die andre Art; aber wie’s auch wird, er soll für mich zahlen, ehe er mich
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