Sämtliche Dramen
gab sie weg auf immer. Wer zurück nimmt,
Kann nicht mit Recht behaupten, daß er gibt:
Wenn so der Große tut, nicht ziemt uns, nachzuspielen,
Weil an den Reichen stets die Fehler selbst gefielen.
Sie stehn alle mit Ehrfurcht um Timon her.
Ventidius
.
Welch edler Geist!
Timon
.
Nein, Lords, die Zeremonie
Ward nur erfunden, einen Glanz zu leihn
Verstellter Freundlichkeit und hohlem Gruß,
Guttun vernichtend, um nicht zu gewähren;
Doch wahre Freundschaft kann sie ganz entbehren.
Setzt euch; ihr seid willkommner meinem Glück,
Als mir mein Reichtum ist.
Sie setzen sich.
Erster Lord
.
Mylord, das war stets unser Eingeständnis.
Apemantus
.
Ho! Eingeständnis? Folgt nicht Hängen drauf?
Timon
.
Oh, Apemantus! – Sei willkommen!
Apemantus
.
Nein,
Ich will nicht, daß du mich willkommen heißest:
Ich kam, damit du aus der Tür mich werfest.
Timon
.
Pfui, du bist rauh, und einer Laune eigen,
Dem Menschen ungeziemend, tadelnswürdig;
Sonst sagt man: ira furor brevis est,
Doch jener Mann ist immerfort ergrimmt.
Du da, bereit’ ihm seinen eignen Tisch,
Denn er sucht weder die Gesellschaft auf,
Noch paßt er für sie irgend.
Apemantus
.
Auf dein’ Gefahr bleib’ ich denn, Timon, hier:
Ich kam, um aufzumerken; sei gewarnt!
Timon
. Das kümmert mich nicht; du bist ein Athener und mir deshalb willkommen; ich möchte hier nichts zu befehlen haben: bitte, laß mein Mahl dich zum Schweigen bringen!
Apemantus
.
Dein Mahl verschmäh’ ich; es erwürgt mich, denn
Nie würd’ ich schmeicheln. – Götter! welche Schar
Verzehrt den Timon, und er sieht sie nicht!
Mich quält es, daß so viel’ ihr Brot eintauchen
In eines Mannes Blut; und größre Tollheit,
Er muntert sie noch auf.
Mich wundert, wie doch Mensch dem Menschen traut:
Sie sollten nur sich laden ohne Messer;
Gut für das Mahl, und für das Leben besser:
Das zeigt sich oft; der Bursche ihm zunächst,
Der mit ihm Brot bricht, ihm Gesundheit bringt,
Mit seinem Atem im geteilten Trunk,
Er ist der nächst’, ihn zu ermorden. So
Geschah’s schon oft; wär’ ich ein großer Herr,
Ich wagte bei der Mahlzeit nicht zu trinken,
Sonst könnte man erspähn der Kehle Schwächen;
Nur halsgepanzert sollten Große zechen.
Timon
.
Von Herzen, Herr; und rundum geh’ es weiter!
Zweiter Lord
.
Laß ihn von dieser Seite wandeln, edler Lord!
Apemantus
.
Von dieser Seite!
Ein herz’ger Mensch! – Das Wandeln ist sein Handwerk.
O Timon! du und dein Besitz
Wird krank von dem Gesundheitstrinken noch.
Hier hab’ ich, was zu schwach ist, um zu sünd’gen,
Ehrliches Wasser, was noch keinen hinwarf:
Dies mag mit meiner Kost sich gut vertragen;
Schmaus ist zu stolz, den Göttern Dank zu sagen.
(Des Apemantus Gratias)
Ihr Götter, nicht um Geld bitt’ ich,
Für niemand bet’ ich, als für mich;
Gebt, daß ich nie so töricht sei,
Zu traun der Menschen Schwur und Treu’;
Noch der Dirne, wenn sie weint,
Noch dem Hund, der schlafend scheint,
Noch dem Schließer im Gefängnis,
Noch dem Freunde in Bedrängnis,
Amen! So greife zu:
Der Reiche sündigt. Wurzeln speise du!
Er ißt und trinkt.
Und wohl bekomm’ es deinem guten Herzen, Apemantus!
Timon
. General Alcibiades, Euer Herz ist in diesem Augenblick im Felde.
Alcibiades
. Mein Herz ist immer zu Euren Diensten, Mylord
Timon
. Ihr wäret lieber bei einem Frühstück von Feinden, als bei einem Mittagessen von Freunden.
Alcibiades
. Wenn sie frischblutend sind, so kommt kein schmaus ihnen gleich, und ich möchte meinem besten Freund ein solches Fest wünschen.
Apemantus
. So wollt’ ich, alle diese Schmeichler wären deine Feinde, damit du sie alle töten könntest und mich dann darauf einladen.
Erster Lord
. Würde uns nur das Glück zu teil, edler Lord, daß Ihr einst unsrer Liebe bedürftet, damit wir Euch einigermaßen unsern Eifer zeigen könnten: dann würden wir uns, auf immer für beglückt halten.
Timon
. Oh, zweifelt nicht, meine teuern Freunde, die Götter selbst haben gewiß dafür gesorgt, daß ihr mir noch dereinst sehr nützlich werden könnt: wie wäret ihr auch sonst meine Freunde? Weshalb führtet ihr vor tausend andern diesen liebevollen Namen, wenn ihr meinem Herzen nicht die Nächsten wäret? Ich habe mir selbst mehr von euch gesagt, als ihr mit Bescheidenheit zu eurem Besten sagen könnt, und das steht fest bei mir. Oh, ihr Götter, denk’ ich, was bedürfen wir irgend der Freunde, wenn wir ihrer niemals bedürften? Sie wären ja die
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