Sämtliche Dramen
Morgen, Casca! – Cajus Ligarius,
So sehr war Cäsar niemals Euer Feind
Als dieses Fieber, das Euch abgezehrt. –
Was ist die Uhr?
Brutus
.
Es hat schon acht geschlagen.
Cäsar
.
Habt Dank für Eure Müh’ und Höflichkeit!
Antonius tritt auf.
Seht! Mark Anton, der lange schwärmt des Nachts,
Ist doch schon auf. – Antonius, seid gegrüßt!
Antonius
.
Auch Ihr, erlauchter Cäsar!
Cäsar
.
Befehlt, daß man im Hause fertig sei:
Es ist nicht recht, so auf sich warten lassen.
Ei, Cinna! – Ei, Metellus! – Wie, Trebonius?
Ich hab’ mit Euch ein Stündchen zu verplaudern.
Gedenkt daran, daß Ihr mich heut besucht,
Und bleibt mir nah, damit ich Euer denke!
Trebonius
.
Das will ich, Cäsar, –
beiseit
will so nah Euch sein,
Daß Eure besten Freunde wünschen sollen,
Ich wär’ entfernt gewesen.
Cäsar
.
Lieben Freunde,
Kommt mit herein und trinkt ein wenig Weins;
Dann gehen wir gleich Freunden mit einander.
Brutus
beiseit
Daß gleich nicht stets dasselbe ist, o Cäsar!
Das Herz des Brutus blutet, es zu denken.
Alle ab.
¶
Dritte Szene
Eine Straße nahe beim Kapitol.
Artemidorus tritt auf und liest einen Zettel.
Artemidorus
. »Cäsar, hüte dich vor Brutus, sei wachsam gegen Cassius, halte dich weit vom Casca, habe ein Auge auf Cinna, mißtraue dem Trebonius, beobachte den Metellus Cimber, Decius Brutus liebt dich nicht, beleidigt hast du den Cajus Ligarius. Nur ein Sinn lebt in allen diesen Männern, und er ist gegen Cäsar gerichtet. Wo du nicht unsterblich bist, schau’ um dich! Sorglosigkeit gibt der Verschwörung Raum. Mögen dich die großen Götter schützen!
Der Deinige
Artemidorus.«
Hier will ich stehn, bis er vorübergeht,
Und will ihm dies als Bittschrift überreichen.
Mein Herz bejammert, daß die Tugend nicht
Frei von dem Zahn des Neides leben kann.
O Cäsar, lies! so bist du nicht verloren:
Sonst ist das Schicksal mit Verrat verschworen.
Ab.
¶
Vierte Szene
Ein andrer Teil derselben Straße, vor dem Hause des Brutus.
Portia und Lucius kommen.
Portia
.
Ich bitt’ dich, Knabe, lauf’ in den Senat!
Halt’ dich mit keiner Antwort auf und geh!
Was wartest du?
Lucius
.
Zu hören, was ich soll.
Portia
.
Ich möchte dort und wieder hier dich haben,
Eh’ ich dir sagen kann, was du da sollst.
O Festigkeit, steh unverrückt mir bei,
Stell’ einen Fels mir zwischen Herz und Zunge!
Ich habe Mannessinn, doch Weibeskraft.
Wie fällt doch ein Geheimnis Weibern schwer! –
Bist du noch hier?
Lucius
.
Was sollt’ ich, gnäd’ge Frau?
Nur hin zum Kapitol und weiter nichts,
Und so zu Euch und weiter nichts?
Portia
.
Nein, ob dein Herr wohl aussieht, melde mir,
Denn er ging unpaß fort, und merk’ dir recht,
Was Cäsar macht, wer mit Gesuch ihm naht!
Still, Knabe! Welch Geräusch?
Lucius
.
Ich höre keins.
Portia
.
Ich bitt’ dich, horch genau:
Ich hörte wilden Lärm, als föchte man,
Und der Wind bringt vom Kapitol ihn her.
Lucius
.
Gewißlich, gnäd’ge Frau, ich höre nichts.
Ein Wahrsager kommt.
Portia
.
Komm näher, Mann! Wo führt dein Weg dich her?
Wahrsager
.
Von meinem Hause, liebe gnäd’ge Frau.
Portia
.
Was ist die Uhr?
Wahrsager
.
Die neunte Stund’ etwa.
Portia
.
Ist Cäsar schon aufs Kapitol gegangen?
Wahrsager
.
Nein, gnäd’ge Frau; ich geh’, mir Platz zu nehmen,
Wo er vorbeizieht auf das Kapitol.
Portia
.
Du hast an Cäsarn ein Gesuch: nicht wahr?
Wahrsager
.
Das hab’ ich, gnäd’ge Frau. Geliebt es Cäsarn,
Aus Güte gegen Cäsar mich zu hören,
So bitt’ ich ihn, es gut mit sich zu meinen.
Portia
.
Wie? weißt du, daß man ihm ein Leid will antun?
Wahrsager
.
Keins seh’ ich klar vorher, viel, fürcht’ ich, kann geschehn.
Doch guten Tag! Hier ist die Straße eng:
Die Schar, die Cäsarn auf der Ferse folgt,
Von Senatoren, Prätorn, Supplikanten,
Wird einen schwachen Mann beinah’ erdrücken.
Ich will an einen freiern Platz und da
Den größen Cäsar sprechen, wenn er kommt.
Ab.
Portia
.
Ich muß ins Haus. Ach, welch ein schwaches Ding
Das Herz des Weibes ist! O Brutus!
Der Himmel helfe deinem Unternehmen! –
Gewiß, der Knabe hört’ es. – Brutus wirbt um etwas,
Das Cäsar weigert. – Oh, es wird mir schlimm!
Lauf’, Lucius, empfiehl mich meinem Gatten,
Sag, ich sei fröhlich, komm zu mir zurück,
Und melde mir, was er dir aufgetragen!
Beide ab.
¶
DRITTER AUFZUG
Erste Szene
Das Kapitol. Sitzung des Senats.
Ein Haufe Volks in der Straße, die zum
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