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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Bruder nach dem Gesetz sterbe, als daß mir ein Sohn wider das Gesetz geboren werde. Aber, oh, wie irrt sich der gute Herzog in diesem Angelo! Wenn er je zurück kommt, und ich kann zu ihm gelangen, so will ich meine Lippen nie wieder öffnen, oder diese Verwaltung enthüllen.
    Herzog
. Das würde nicht unrecht getan sein. Indes wie die Sache nun steht, wird er Eurer Anklage entgegnen, er habe Euch nur prüfen wollen. Darum leihet Euer Ohr meinem Rat; denn meinem Wunsch, Gutes zu stiften, bietet sich ein Mittel dar. Ich bin überzeugt, Ihr könnt mit aller Rechtschaffenheit einem armen gekränkten Fräulein eine verdiente Wohltat erzeigen; Euern Bruder dem strengen Gesetz entreißen; Eure eigne fromme Seele rein erhalten und den abwesenden Herzog sehr erfreuen, wenn er vielleicht dereinst zurückkehren und von dieser Sache hören sollte.
    Isabella
. Fahrt fort, mein Vater! Ich habe Herz, alles zu tun, was meinem Herzen nicht verwerflich erscheint.
    Herzog
. Tugend ist kühn, und Güte ohne Furcht. Hörtet Ihr nie von Marianen, der Schwester Friedrichs, des tapfern Helden, der auf der See verunglückte?
    Isabella
. Ich hörte von dem Fräulein, und nichts als lauter Gutes.
    Herzog
. Eben die sollte dieser Angelo heiraten: mit dieser war er feierlich verlobt und die Hochzeit festgesetzt. Zwischen der Zeit des Verlöbnisses aber und dem Trauungstage ging das Schiff ihres Bruders Friedrich unter, und mit ihm das Heiratsgut der Schwester. Nun denkt Euch, wie hart das arme Fräulein hiedurch getroffen ward. Sie verlor einen edlen und berühmten Bruder, dessen Liebe für sie von jeher die zärtlichste und brüderlichste gewesen; mit ihm ihr Erbteil und den Nerv ihres Glücks, ihr Heiratsgut: mit beiden zugleich den ihr bestimmten Bräutigam, diesen redlich scheinenden Angelo! –
    Isabella
. Ist es möglich? Und Angelo verließ sie wirklich?
    Herzog
. Verließ sie in ihren Tränen und trocknete nicht eine durch seinen Trost; widerrief sein Treuwort, indem er Entdeckungenüberihre verletzte Ehre vorgab; kurz, überließ sie ihrem Kummer, dem sie noch immer um seinetwillen ergeben ist; und er, ein Fels gegen ihre Tränen, wird von ihnen benetzt, aber nicht erweicht. –
    Isabella
. Wie verdienstlich vom Tode, wenn er dieses arme Mädchen aus der Welt nähme! Welcher Frevel von diesem Leben, daß es diesen Mann leben läßt! Aber wie soll ihr hieraus Hülfe werden?
    Herzog
. Es ist eine Wunde, die Ihr leicht heilen könnt; und diese Kur rettet nicht allein Euren Bruder, sondern schützt Euch vor Schande, wenn Ihr sie unternehmt.
    Isabella
. Zeigt mir an, wie? Ehrwürdiger Vater!
    Herzog
. Jenes Mädchen hegt noch immer ihre erste Neigung; seine ungerechte Lieblosigkeit, die nach Vernunftgründen ihre Zärtlichkeit ausgelöscht haben sollte, hat sie wie eine Hemmung im Strom nur heftiger und unaufhaltsamer gemacht. – Geht Ihr zu Angelo, erwidert auf sein Begehren mit scheinbarem Gehorsam; bewilligt ihm die Hauptsache, nur behaltet Euch diese Bedingungen vor: erstlich, daß Ihr nicht lange bei ihm verweilen dürft; dann, daß für die Zeit alle Begünstigung der Dunkelheit und Stille sei; und daß der Ort den Umständen entspreche. Gesteht er dies zu, dann gelingt alles. Wir bereden das gekränkte Mädchen, sich an Eurer Statt zur bestimmten Verabredung einzufinden. Wenn die Zusammenkunft hernach bekannt wird, so muß ihn das zu einem Ersatz zwingen, und dann wird auf diese Weise Euer Bruder gerettet, Eure Ehre bewahrt, die arme Mariane beglückt und der böse Statthalter entlarvt. Das Mädchen will ich unterrichten und zu dem Versuch überreden. Willigt Ihr ein, dies alles auszuführen, so schützt die doppelte Wohltat diesen Trug vor Tadel. Was dünkt Euch davon? –
    Isabella
. Der Gedanke daran beruhigt mich schon, und ich hoffe, es wird zum glücklichsten Erfolg gedeihn.
    Herzog
. Es kommt alles auf Euer Betragen an. Eilt ungesäumt zu Angelo! Wenn er Euch um diese Nacht bittet, so sagt ihm Gewährung zu. Ich gehe sogleich nach Sankt Lukas – dort in der einsamen Hütte wohnt diese verstoßene Mariane –; dort sucht mich auf; und mit Angelo macht es ab, damit die Sache sich schnell entscheide.
    Isabella
. Ich danke Euch für diesen Beistand – lebt wohl, ehrwürdiger Vater!
    Sie gehn ab zu verschiednen Seiten.
    ¶

Zweite Szene
    Straße vor dem Gefängnis.
    Es treten auf der Herzog, Elbogen Pompejus und Gerichtsdiener.
    Elbogen
. Nun wahrhaftig, wenn da kein Einhalt geschieht, und Ihr wollt mit aller Gewalt Manns- und

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