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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Ruh’n ist Schlaf,
    Den rufst du oft, und zitterst vor dem Tod,
    Der doch nichts weiter. Du bist nicht du selbst;
    Denn du bestehst durch Tausende von Körnern,
    Aus Staub entsprossen. Glücklich bist du nicht:
    Was du nicht hast, dem jagst du ewig nach,
    Vergessend, was du hast. Du bist nicht stetig,
    Denn dein Befinden wechselt seltsam launisch
    Mit jedem Mond. Reich, bist du dennoch arm;
    Dem Esel gleich, der unter Gold sich krümmt,
    Trägst du den schweren Schatz nur einen Tag,
    Und Tod entlastet dich. Freunde hast du keine;
    Denn selbst dein Blut, das Vater dich begrüßt,
    Die Wirkung deiner eignen innern Kraft,
    Flucht deiner Gicht, dem Aussatz und der Lähmung,
    Daß sie nicht schneller mit dir enden.
    Du hast zu eigen Jugend nicht noch Alter,
    Nein, gleichsam nur ’nen Schlaf am Nachmittag,
    Der beides träumt; denn all dein Jugendglanz
    Lebt wie bejahrt und fleht vom welken Alter
    Die Zehrung sich: und bist du alt und reich,
    Hast du nicht Glut noch Triebe, Mark noch Schönheit,
    Der Güter froh zu sein. Was bleibt nun noch,
    Das man ein Leben nennt? Und dennoch birgt
    Dies Leben tausend Tode; dennoch scheu’n wir
    Den Tod, der all die Widersprüche löst.
    Claudio
.
    Habt Dank, mein Vater!
    Ich seh’, nach Leben strebend, such’ ich Sterben,
    Tod suchend, find’ ich Leben. Nun, er komme! –
    Isabella kommt.
    Isabella
.
    Macht auf! Heil sei mit euch, und Gnad’ und Frieden!
    Schliesser
.
    Wer da? Herein! Der Wunsch verdient Willkommen!
    Herzog
.
    Bald, lieber Sohn, werd’ ich Euch wiedersehn.
    Claudio
.
    Ehrwürd’ger Herr, ich dank’ Euch.
    Isabella
.
    Ich wünsche nur ein kurzes Wort mit Claudio.
    Schliesser
.
    Von Herzen gern; Herr, Eure Schwester ist’s.
    Herzog
beiseit.
    Schließer, ein Wort mit Euch!
    Schliesser
.
    So viel Ihr wollt.
    Herzog
.
    Verbergt mich, Freund, wo ich sie sprechen höre’
    Der Herzog und der Schließer ab.
    Claudio
.
    Nun, Schwester, was für Trost? –
    Isabella
.
    Nun ja, wie aller Trost ist; gut, sehr gut! –
    Lord Angelo hat ein Geschäft im Himmel
    Und sucht dich aus als schnellen Abgesandten,
    Wo du ihm bleibst als ew’ger Stellvertreter.
    Drum schick’ dich an zur Wand’rung ungesäumt;
    Auf morgen reisest du.
    Claudio
.
    Ist denn kein Mittel?
    Isabella
.
    Nein; nur ein Mittel, das, ein Haupt zu retten,
    Zerspalten würd’ ein Herz.
    Claudio
.
    So gibt es eins ? –
    Isabella
.
    Ja, Bruder, du kannst leben. –
    In diesem Richter wohnt ein teuflisch Mitleid:
    Willst du dies anflehn, wird dein Leben frei,
    Dich aber fesselt er bis in dein Grab.
    Claudio
.
    Wie! Ew’ge Haft?
    Isabella
.
    Ja, nenn’ es ew’ge Haft; es wär’ ein Zwang,
    Der, stünd’ auch offen dir der weite Weltraum,
    Dich bänd’ an eine Qual.
    Claudio
.
    Von welcher Art?
    Isabella
.
    Von solcher Art, daß, wenn du eingewilligt,
    Du schältest ab die Ehre deinem Stamm
    Und bliebest nackt.
    Claudio
.
    Laß mich die Sache wissen!
    Isabella
.
    O Claudio, ich fürchte dich und zittre,
    Du möcht’st ein fiebernd Leben dehnen wollen;
    Sechs oder sieben Winter teurer achten
    Als ew’ge Ehre. Hast du Mut zum Tod? –
    Des Todes Schmerz liegt in der Vorstellung;
    Der arme Käfer, den dein Fuß zertritt,
    Fühlt körperlich ein Leiden, ganz so groß,
    Als wenn ein Riese stirbt.
    Claudio
.
    Weshalb beschämst du mich?
    Meinst du, ich suche mir entschloßnen Mut
    Aus zartem Blumenschmelz? Nein, muß ich sterben,
    Grüß’ ich die Finsternis als meine Braut
    Und drücke sie ans Herz!
    Isabella
.
    Das sprach mein Bruder:
    Das war wie eine Stimme
    Aus meines Vaters Grab. Ja, du mußt sterben! –
    Du bist zu groß, ein Leben zu erkaufen
    Durch niedre Schmach! – Der außenheil’ge Richter –
    Des finstre Stirn und tiefbedachtes Wort
    Die Jugend ängstigt und die Torheit scheucht,
    So wie der Falk die Taub’ – ist doch ein Teufel:
    Sein innrer Schlamm hinweggeschöpft, erschien’ er
    Ein Pfuhl, tief wie die Hölle.
    Claudio
.
    Der fromme Angelo?
    Isabella
.
    Das ist die list’ge Ausstattung der Hölle.
    Den frechsten Schalk verkleidend einzuhüllen
    In fromme Tracht. Glaubst du wohl, Claudio,
    Wenn ich ihm meine Unschuld opfern wollte,
    Du würdest frei?
    Claudio
.
    O Himmel! Ist es möglich?
    Isabella
.
    Ja, er vergönnte dir’s, für solche Sünde
    Noch mehr hinfort zu sünd’gen. Diese Nacht
    Soll das geschehn, was ich mit Abscheu nenne,
    Sonst stirbst du morgen.
    Claudio
.
    Das sollst du nie!
    Isabella
.
    O wär’ es nur mein Leben,
    Ich würf’ es leicht für deine Freiheit

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