Sämtliche Dramen
hin
Wie eine Nadel!
Claudio
.
Dank dir, teure Schwester!
Isabella
.
Bereite dich auf morgen denn zum Tod! –
Claudio
.
Ja. – Fühlt auch er Begierden,
Für die er das Gesetz mit Füßen tritt,
Indem er’s schärfen will? Dann ist’s nicht Sünde,
Die kleinste mind’stens von den Todessünden! –
Isabella
.
Welch’ ist die kleinste?
Claudio
.
Wär’ sie verdammlich: ein so weiser Mann,
Wie könnt’ er eines Augenblicks Genuß
Mit Ewigkeiten büßen? Isabella! ...
Isabella
.
Was sagt mein Bruder?
Claudio
.
Sterben ist entsetzlich!
Isabella
.
Und leben ohne Ehre hassenswert!
Claudio
.
Ja! Aber sterben! Gehn, wer weiß, wohin,
Da liegen, kalt, eng eingesperrt, und faulen;
Dies lebenswarme, fühlende Bewegen
Verschrumpft zum Kloß; und der entzückte Geist
Getaucht in Feuerfluten, oder schaudernd
Umstarrt von Wüsten ew’ger Eisesmassen;
Gekerkert sein in unsichtbare Stürme,
Und mit rastloser Wut gejagt rings um
Die schwebende Erd’; oder Schlimmres werden
Als selbst das Schlimmste,
Was Phantasie wild schwärmend, zügellos,
Heulend erfindet: das ist zu entsetzlich! –
Das schwerste, jammervollste ird’sche Leben.
Das Alter, Meineid, Schmerz, Gefangenschaft
Dem Menschen auflegt, – ist ein Paradies
Gegen das, was wir vom Tode fürchten!
Isabella
.
Ach! –
Claudio
.
O Liebste, laß mich leben! –
Was du auch tust, den Bruder dir zu retten,
Natur tilgt diese Sünde so hinweg,
Daß sie zur Tugend wird.
Isabella
.
O Tier!
O feige Memm’! o treulos Ehrvergeßner,
Soll meine Sünde dich zum Mann erschaffen? –
Ist’s nicht blutschänd’risch, Leben zu empfahn
Durch deiner Schwester Schmach? Was muß ich glauben?
Hilf Gott! War meine Mutter falsch dem Vater?
Denn solch entartet wildes Unkraut sproß
Niemals aus seinem Blute. Dir entsag’ ich,
Stirb, fahre hin! Wenn auch mein Fußfall nur
Dein Schicksal wenden möcht’, ich ließ’ es walten:
Ich bete tausendmal für deinen Tod,
Kein Wort zur Rettung.
Claudio
.
Schwester, hör’ mich an!
Isabella
.
O pfui, pfui, pfui! –
Dein Sünd’gen war kein Fall, war schon Gewerbe,
Und Gnade würd’ an dir zur Kupplerin:
Am besten stirbst du gleich.
Will abgehn.
Claudio
.
O hör’ mich, Schwester! –
Der Herzog kommt zurück.
Herzog
. Vergönnt ein Wort, junge Schwester, nur ein einziges Wort!
Isabella
. Was ist Euer Wunsch?
Herzog
. Wenn Eure Zeit es zuließe, hätte ich gern eine kurze Unterredung mit Euch; diese Gewährung meiner Bitte würde zugleich zu Euerm Frommen sein.
Isabella
. Ich habe keine überflüssige Zeit; mein Verweilen muß ich anderen Geschäften stehlen; doch will ich noch etwas verweilen.
Herzog
beiseit zu Claudio. Mein Sohn, ich habe mit angehört, was zwischen Euch und Eurer Schwester vorging. Angelo hatte nie die Absicht, sie zu verführen; er hat nur einen Versuch auf ihre Tugend gemacht, um sein Urteil über das menschliche Gemüt zu schärfen. Sie, im wahren Gefühl echter Ehre, entgegnete ihm die fromme Weigerung, die er mit höchster Freude vernahm. Ich bin Angelos Beichtiger und weiß, daß dieses wahr ist. Bereitet Euch deshalb auf den Tod; schmeichelt Eurer Standhaftigkeit nicht durch trügliche Hoffnungen; morgen müßt Ihr sterben. Fallt auf Eure Kniee und macht Euch fertig!
Claudio
. Laßt mich meine Schwester um Verzeihung bitten. Die Liebe zum Leben ist mir so vergangen, daß ich bitten werde, davon befreit zu sein.
Herzog
. Dabei bleibt’s. Lebt wohl! –
Claudio ab.
Der Schließer kommt zurück.
Schließer, ein Wort mit Euch!
Schliesser
. Was wünscht Ihr, Pater?
Herzog
. Daß Ihr, wie Ihr kamt, jetzt wieder geht. Laßt mich ein wenig allein mit diesem Fräulein; meine Gesinnung und mein Kleid sind Euch Bürge, daß sie von meiner Gesellschaft nichts zu fürchten hat.
Schliesser
. Es sei so. – Geht ab.
Herzog
. Dieselbe Hand, die Euch schön erschuf, hat Euch auch gut erschaffen. Güte, von der Schönheit gering geachtet, läßt auch der Schönheit nicht lange ihre Güte; aber Sittsamkeit, die Seele Eurer Züge, wird Euch auch immer schön erhalten. Von dem Angriff, den Angelo auf Euch versucht, hat mich der Zufall in Kenntnis gesetzt, und böte nicht die menschliche Schwachheit Beispiele für sein Straucheln, ich würde mich über Angelo wundern. Wie wollt Ihr’s nun machen, diesen Statthalter zufrieden zu stellen und Euren Bruder zu retten?
Isabella
. Ich gehe gleich, ihm meinen Entschluß zu sagen: ich wolle lieber, daß mir ein
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